Der große Sitzungssaal ist gut gefüllt bei der Ratssitzung am Donnerstagabend in Vreden. Einige Lüntener haben sich auf den Weg gemacht, um die Diskussion und Abstimmung im Rat zu verfolgen. Es geht um die Umbenennung der Bischof-Tenhumberg-Straße in Lünten. Hintergrund: Dem früheren Bischof von Münster wurden gutachterlich Leitungsversagen und bewusstes Vertuschen von Straftaten sowie das Decken von Straftätern in mehreren Fällen bescheinigt.
Der Bürgermeister begrüßt die Anwesenden und kommt schnell zu Punkt drei auf der Tagesordnung, dem Antrag der SPD-Fraktion auf Umbenennung der Straße. Das Thema ist sehr emotional, die Stimmung ein wenig angespannt.
Als erstes hat Reinhard Laurich von der SPD-Fraktion das Wort. Er bedankt sich bei der CDU für deren Anregung zu einer Infoveranstaltung zum Thema: „Diese war ein wichtiger Beitrag und hat meines Erachtens den Ratsmitgliedern und vielen Lüntenerinnen und Lüntenern zu einer besseren Sicht auf die Dinge verholfen“, sagt der Fraktionsvorsitzende.
Einfühlsam geht er nochmal auf die Folgen eines Missbrauchs ein. „Viele Missbrauchsopfer leiden unter Störungen in der Sexualität, dem Misstrauen in der Wahrnehmung eigener Gefühle, an Gefühlen der Wert- und Hoffnungslosigkeit, Schuld- und Schamgefühlen, Depressionen, Angstzuständen, Flashbacks, psychosomatischen Beschwerden und Partnerschaftsproblemen, zitiert er aus einer Quelle im Internet (gewaltinfo.at).
„Ihre unterdrückte Wut und den erfahrenen Schmerz richten sie oft in selbstzerstörerischer Weise gegen sich selbst“, erklärt er weiter.
„Dass Heinrich Tenhumberg in seiner Zeit als Bischof von Münster Leitungsversagen und wohl bewusstes Vertuschen von Straftaten sowie das Decken von Straftätern vorzuwerfen ist, muss jedem im Raum klar geworden sein“, berichtet Reinhard Laurich mit Blick auf die Infoveranstaltung im Saal Vrenegor.
Immer eine Chance gehabt
Auf die Frage, ob der Bischof die Möglichkeit gehabt habe, anders zu handeln, und damit den Missbrauch weiterer Kinder hätte verhindern können, berichtete Dr. Peter Frings – der Interventionsbeauftragte vom Bistum Münster – an dem Abend ganz klar: Bischof Tenhumberg hätte sowohl Kraft seines Amtes als auch durch persönliche Verantwortung immer die Chance gehabt, wegen sexuellen Missbrauchs straffällig gewordenen Priestern den weiteren Dienst zu untersagen, brachte Laurich in Erinnerung.
„Die Infoveranstaltung hat verdeutlicht, dass eine Umbenennung der Bischof-Tenhumberg-Straße unerlässlich ist. Die ist der eine kleine Teil, den wir als Vredener Rat zur Aufarbeitung beitragen können“, betont Reinhard Laurich.
Die Betroffenheit im Raum ist greifbar, die folgenden Wortmeldungen gehen alle in die gleiche Richtung. Die CDU beantragt zunächst ein geheimes Abstimmungsverfahren, aufgrund der Emotionalität des Themas – einstimmig ist der Rat dafür. Heinz Gewering, Vorsitzender der CDU-Fraktion, macht aber deutlich, dass er persönlich für die Umbenennung stimmen wird.

Hendrik Mulder (FDP) betont, ihm seien besonders die Worte des Betroffenen aus Rhede in Erinnerung geblieben, der in der Infoveranstaltung das Gefühl beschrieben habe, was in den Missbrauchsopfern vorgeht, wenn die Ehrung der Täter durch Straßennamen, Platzbezeichnungen immer weitergehe und man dieser auch nicht aus dem Weg gehen könne. Es sei entwürdigend und dem müsse ein Ende gesetzt werden, habe der Rheder bei der Infoveranstaltung gesagt.
Elmar Kampshoff (UWG) macht noch einmal die Komplexität des Themas und die verschiedenen Blickwinkel deutlich. Er betont auch: „Der Bischof selbst hat niemanden missbraucht, das muss man deutlich in Erinnerung rufen. Er hat allerdings durch sein Wirken reales Leid nicht verhindert.“
Das müsse man ihm schon deshalb vorwerfen, weil er gemäß Gutachten ausreichend Kenntnis von den Vorfällen hatte. „Zumindest so viel, dass es ihm unmöglich war, das potenzielle Leid der missbrauchten Jugendlichen und Kinder nicht zu sehen, macht der UWG-Fraktionsvorsitzende deutlich.
Eindeutiges Ergebnis
Auch Gertrud Welper (Grüne) meldet sich zu Wort: „Die Frage der juristischen Verantwortung kann nach all den Jahren nicht mehr geklärt werden. Aber die Frage der moralischen Verantwortung bleibt und ist im Prinzip beantwortet.“ Die Fraktion der Grünen sei der Meinung, dass die Kirche und somit die Verantwortlichen Schuld auf sich geladen hätten. „Reaktionen auf diese Diskussion zeigen mir, dass die Ehrung durch einen Straßennamen niemanden zuteilwerden darf, der sich nicht ehrenhaft verhalten hat“, schließt sie.
Vor der Abstimmung hat der Bürgermeister noch einmal das Wort: „Diese Abstimmung trifft jedes Ratsmitglied für sich persönlich, es ist nicht nur eine politische, sondern auch eine moralische, wenn nicht sogar ethische Entscheidung, die jedes Mitglied des Rates gleich für sich selbst in der Wahlkabine treffen wird.“
Das Ergebnis ist eindeutig. 34 von 34 gültigen Stimmen. Eine Enthaltung und 33 Stimmen für die Umbenennung.
Wörtlich heißt es im Beschluss: „Der Rat der Stadt Vreden beschließt die Umbenennung der Bischof-Tenhumberg-Straße in Lünten und beauftragt die Verwaltung, Vorschläge für einen neuen Straßennamen in der Dezember-Ratssitzung vorzulegen und dass den Anliegerinnen und Anliegern für die entstehenden Kosten auf formlosen Antrag ein einmaliger, pauschaler Betrag in Höhe von 20 Euro pro Person, die ihren Wohnsitz an der Bischof-Tenhumberg-Straße hat, gewährt wird.“ Mit den Unternehmen werde die Stadt noch Gespräche führen, so der Bürgermeister.