Frederike Willing steht vor dem „New-Adult-Regal“ in der Buchhandlung Nova Buch in Vreden. Die neue Mitarbeiterin deutet auf die vielen bunten Bücher in den zwei neu eingerichteten Regal. Die Cover sind alle kunstvoll gestaltet. Ein Buch ziert ein antiker Schlüssel, umrankt von violetten Schleifen.
Selbst die sonst weißen Ränder der Papierseiten - der sogenannte Buchschnitt - sind farblich verziert. Für diese Bücher strömen vor allem junge Frauen in Scharen in die Vredener Buchhandlung. Was die Leserschaft an dem Genre so fasziniert und warum Bücher sogar doppelt gekauft werden, weiß Frederike Willing ganz genau.

Buchmesse Frankfurt erobert
„Wir beobachten bei jungen Menschen zwischen zwölf und 30 Jahren, und besonders bei weiblichen Jugendlichen, die stärksten Wachstumsraten“, sagt sie über die Entwicklung ihrer Kundschaft in der jüngsten Vergangenheit. Während bislang eher die ältere Zielgruppe als die sichere Bank des Buchmarkts gegolten habe, beflügeln aktuell die jungen Leserinnen und Leser das Buchgeschäft.
Das habe sich auch auf der Buchmesse in Frankfurt in diesem Jahr bemerkbar gemacht. „Dem ganzen Genre wurde extrem viel Platz eingeräumt“, berichtet Willing. „Und die Vertreter waren sehr gefragt.“ Auf rund 8.000 Quadratmetern durften sich die Verlage des neuen Erfolgsgenres an prominenter Stelle in den Messehallen präsentieren.
Was macht die Bücher beliebt?
Aber warum kommen die Romane beim jungen Publikum so gut an? Frederike Willing kennt das Genre aus eigener Erfahrung selbst sehr gut und sieht dafür gleich mehrere Gründe. „Zum einen sind es Bücher von jungen Frauen für junge Frauen“, führt sie aus. „Das gab es vorher eher selten.“
Auch das Frauenbild in den Romanen spreche die junge Generation an. Die Bücher handeln oft von selbstbestimmten Frauen und großen Gefühlen. „Und ein bisschen spicy ist es natürlich auch immer“, fügt sie hinzu. Damit meint die Buchhändlerin die knisternde Spannung zwischen den Charakteren.
Ein weiteres Kaufargument hat nichts mit dem Inhalt zu tun, sondern mit der Optik. „Man ist oft im Pastellfarben-Bereich unterwegs“, erklärt die Buchhändlerin. „Ohne bunte Farbschnitte geht es kaum noch.“ Denn New- und Young-Adult-Bücher müssen „instagramable“ sein.
Lange Zeit seien die sozialen Medien eher ein Gegenspieler der Bücherszene gewesen. Doch das hat sich gewandelt: Junge Menschen holen sich Lesetipps auf Instagram und Tiktok, kaufen Bücher und machen ihre Leseerfahrungen anschließend wiederum zum Thema auf den Plattformen. „Dafür muss das Regal einen entsprechenden Look haben“, betont Willing.
Bücher lesen und kaufen
Daher seien Bücher lesen und Bücher kaufen auch zwei vollkommen unterschiedliche Hobbys. „Es gibt durchaus auch Kunden, die Bücher, die sie bereits gelesen haben, ein zweites Mal kaufen“, berichtet die Buchhändlerin.
Ein neuer, besonders schöner Einband oder Farbschnitt seien oft das Kaufargument. Übertrieben findet Frederike Willing das aber ganz und gar nicht. „Man muss Bücher als Kulturgut begreifen. Das geht auch über den Inhalt hinaus“, betont sie.
Denn der Inhalt, so räumt Willing es ein, sei häufig auch sehr ähnlich. Nur Details seien verändert. Das Erfolgsrezept bleibe grundlegend gleich. Vor allem, weil die Geschichten Themen aufgreifen, die die Leserinnen selbst beschäftigen oder beschäftigen könnten.
Wenn sich eine Geschichte beispielsweise an der Universität abspielt, können sich vor allem (zukünftige) Studierende, von denen es in der Zielgruppe einige gibt, gut in die Protagonisten und das Setting hineinversetzen.
„Verbunden ist das häufig mit dem Slowburn“, erklärt Frederike Willing. „Der Leser wird also bis zum Ende hingehalten und erst auf den letzten Seiten kommt es zum heiß erwarteten Kuss.“ In manchen Bänden der Unterkategorie Dark Romance werde es wesentlich schneller expliziter. Diese Bücher richten sich eher an eine etwas ältere Gruppe.
Krimis längst verdrängt
Die Mischung aus all diesen Faktoren sorgt für einen starken Zulauf in der Vredener Buchhandlung. „Wir haben mittlerweile viele Kunden, die vorher fast gar nicht gelesen haben“, sagt Willings Kollege, Markus Dersen.
„Das Genre hat längst die früheren Topseller verdrängt.“ Krimis von Fitzek und Co. seien lange nicht so beliebt wie die Bestseller von Mona Kasten, Colleen Hoover oder anderen New-Adult-Autorinnen.
Bücherei geht Trend mit
Auch in der Öffentlichen Bücherei Vreden ist der Trend längst angekommen. „Wir sind da natürlich am Puls der Zeit“, berichtet der Leiter der Öffentlichen Bücherei, Michael Schürmann.
„Allerdings müssen wir auch genau schauen, welche Bücher wir ins Sortiment holen. Denn wir können nicht alle anschaffen.“ Aber die Ausleihzahlen sprechen für sich. Sämtliche New-Adult-Bücher seien, so Schürmann, regelmäßig ausgebucht.
Geheimtipp von der Expertin
Für alle jungen Kundinnen, die noch neue Inspiration benötigen oder Eltern, die schon nach einem passenden Weihnachtsgeschenk suchen, hat die New-Adult-Expertin noch einen Geheimtipp: „Meet me in autumn“ („Triff mich im Herbst“) von Laurie Gilmore (Künstlername).
Diesen Artikel haben wir am 30. Oktober 2024 veröffentlicht.