Briefe gegen die Einsamkeit Wie Vredener Schüler und Senioren zusammenfinden

Briefe gegen die Einsamkeit: Wie Schüler und Senioren zusammenfinden
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Was entsteht, wenn Schülerinnen und Schüler einer siebten Klasse auf die Bewohnerinnen und Bewohner eines Altenheims treffen? Wenn zwischen Schulbänken und Seniorenzimmern handgeschriebene Briefe hin- und herwandern, Erinnerungen geteilt und Geschichten wieder lebendig werden? In Vreden ist daraus ein kleines Wunder gewachsen – ein Projekt der St.-Felicitas-Schule, das Herzen berührt und Generationen verbindet.

Was im Deutschunterricht der Klasse 7b als Übung zum Schreiben persönlicher Briefe begann, entwickelte sich zu einem tiefgehenden Austausch mit dem Seniorenzentrum St. Ludger. Unterstützt und begleitet von Lehrerin Lena Sendfeld, wagten sich die Jugendlichen an eine ganz besondere Form des Kennenlernens: nicht digital, nicht flüchtig – sondern ganz klassisch mit Papier, Stift und sehr viel Gefühl.

Bubiköpfchen und Lebensgeschichten

„Ich hab sofort gesagt: Ich mache mit – keine Frage!“, erzählt Maria Tuinte, 74, die eine der ersten war, die sich für das Projekt meldete. Ihre Brieffreundschaft mit dem 13-jährigen Rayan Khanafer entwickelte sich schnell zu einer echten Verbindung. Auch wenn das erste Treffen krankheitsbedingt kurz war, wurde es später nachgeholt – samt mitgebrachtem Bubiköpfchen, Ostertasse und ganz viel Freude.

„Man denkt ja oft, junge Menschen hätten für sowas keinen Sinn – aber da täuscht man sich“, sagt Frau Tuinte mit leuchtenden Augen. Und Rayan, der zunächst etwas zögerlich war, ist heute begeistert: „Ich hätte nie gedacht, dass da so viele spannende Geschichten herauskommen. Sie hat mir sogar erzählt, dass sie einen Fallschirmsprung gemacht hat – im hohen Alter!“

Briefe, die bewegen

Insgesamt zwölf Briefe wanderten zwischen Schülern und Senioren hin und her – zu Weihnachten, Karneval und auch einfach mal so. Die Kinder bastelten kunstvolle Karten im Kunstunterricht, und beim Besuch kurz vor Ostern überreichten sie ihren Briefpartnern selbstbemalte Blumentöpfe mit Frühlingsblumen. „Die Wiedersehensfreude war riesig“, berichtet Lena Sendfeld. „Manche Bewohner hatten Tränen in den Augen, als sie die Briefe zum ersten Mal gelesen haben.“

Für viele der Schülerinnen und Schüler war das Projekt weit mehr als eine Schulaufgabe. „Ich habe gelernt, wie einsam es manchmal im Heim sein kann – und wie sehr sich die Menschen über ein bisschen Aufmerksamkeit freuen“, sagt Rayan Khanafer. Er will seine Brieffreundin weiter besuchen – „weil es schön ist, wenn jemand zuhört“.

Ein Brief ist mehr als Papier

Für Maria Tuinte war der Kontakt ein kleines Stück Rückverbindung zur Welt außerhalb des Altenheims. „So ein Besuch bringt richtig Leben rein. Und Briefe – das war mal wieder was ganz anderes. Ich hab schon ewig keinen mehr geschrieben.“ Dass sie keine Enkel hat und ihr Sohn bereits vor Jahrzehnten verstarb, macht den Austausch mit dem jungen Schüler für sie umso wertvoller. „Ich hab immer gerne mit Jüngeren gearbeitet – das erinnert mich an die Zeit bei der Lebenshilfe.“

Und der Altersunterschied? „Natürlich merkt man, dass die Jugendlichen ganz anders ticken. Aber das Gespräch lief ganz rund“, sagt die Vredenerin und lacht. „Ich glaube, der Rayan hat bei mir gesehen, dass auch alte Damen noch ziemlich fit sein können.“ Das bestätigt er prompt: „Ich war richtig überrascht, dass sie noch Nagellack trug und rauchte.“

Projekt mit Zukunft

Das Projekt soll weiterleben. Die Klasse 7b hat längst beschlossen, den Kontakt zu ihren Brieffreunden aufrechtzuerhalten. Weitere Besuche sind geplant – vielleicht zu Pfingsten oder zum Sommerfest. Für viele Bewohnerinnen und Bewohner des Heims war das Projekt ein Lichtblick im Alltag. Für die Jugendlichen eine Schule fürs Leben.

„Es geht nicht nur ums Schreiben“, sagt Lena Sendfeld. „Es geht darum, zuzuhören, zu verstehen, Mitgefühl zu entwickeln – und um die Erkenntnis, dass jeder Mensch eine Geschichte hat, die es wert ist, erzählt zu werden.“

Maria Tuinte hält einen verzierten Brief in die Kamera.
Auch verziert hatte Rayan Khanafer die Briefe für die Vredener Seniorin, was sie umso mehr freute. © Luca Bramhoff
Rayan Khanafer zeigt stolz seinen Brief.
Rayan Khanafer ist stolz über seine neue Brieffreundin aus dem Seniorenheim. © Luca Bramhoff