Es ist nie zu spät, seinen eigenen Weg zu finden. Das zeigt auch die Geschichte der Vredenerin Anna Effing. Mit 30 Jahren hat sie ihre Ausbildung zur Goldschmiedin bei der renommierten Firma Niessing nicht nur erfolgreich abgeschlossen, sondern als Jahrgangsbeste gemeistert. Dabei war ihr beruflicher Weg keineswegs vorgezeichnet – vielmehr war es eine mutige Entscheidung, die sie zu ihrer wahren Leidenschaft führte.
Von Tourismus zur Schmiedekunst
Vor ihrer Ausbildung arbeitete Anna Effing im Tourismus, doch die Corona-Pandemie stellte diese Branche vor enorme Herausforderungen. In dieser eher schwierigen Zeit begann sie, nebenbei bei Niessing zu arbeiten. Was als praktische Notwendigkeit begann, wurde schnell zur Begeisterung. „Mir hat das so viel Spaß gemacht, dass ich gesagt habe: Ich möchte gerne eine Ausbildung machen“, erinnert sich Anna Effing. Schmuck hatte sie schon immer fasziniert, nicht zuletzt, weil Familienmitglieder ebenfalls bei Niessing tätig sind. Doch aus einer Faszination eine handwerkliche Berufung zu machen – das erforderte Mut.
Die Ausbildung zur Goldschmiedin ist anspruchsvoll. Neben der Berufsschule in Münster verbrachte Anna Effing viel Zeit in der Ausbildungswerkstatt von Niessing, wo sie gemeinsam mit sechs anderen Azubis die Feinheiten des Handwerks erlernte. „Man fängt mit den Grundübungen an: Sägen, Feilen, Bohren, Fräsen, Löten. Erst wenn man diese Techniken beherrscht, geht es an das erste eigene Schmuckstück“, erklärt sie. Besonders Geduld sei entscheidend. „Gerade beim ersten eigenen Werkstück – aus Silber – habe ich schnell gemerkt, dass man viel Durchhaltevermögen braucht.“
Effing hat vielseitigen Stil
Eine Fähigkeit, die die 30-Jährige aber offenbar mitbringt. Denn trotz der Herausforderungen entwickelte sie eine tiefe Freude am kreativen Prozess. „Es hat mir immer großen Spaß gemacht, meine eigenen Ideen umzusetzen und Schmuck nach meinen Vorstellungen zu gestalten.“ Ihr Stil? Vielseitig.
Von minimalistischen Designs bis hin zu filigranen Blumenmustern hat sie alles ausprobiert. „Jeder Goldschmied entwickelt seine eigene Handschrift, aber gleichzeitig sieht man auch immer einen Hauch von Niessing in unseren Werken.“ Festlegen auf einen bestimmten Stil wolle sie sich nicht.
Mut hat sich ausgezahlt
Heute arbeitet Anna Effing fest bei Niessing in der Goldschmiede und unterstützt zeitweise auch die Edelsteinfasser. Die Ausbildung hat sie erfolgreich abgeschlossen, doch ihr Lernprozess ist noch lange nicht vorbei. „Mein Ausbilder Johannes Verwohlt sagt immer: ‚Du hast jetzt den Führerschein, aber jetzt musst du Autofahren lernen‘“, sagt sie und lacht. Ihre nächsten Schritte? Erst einmal Berufserfahrung sammeln – und dann vielleicht die Meisterprüfung.
Ihr Mut zur beruflichen Veränderung zeigt, dass es sich lohnt, neue Wege zu gehen. „Ich würde jedem empfehlen, sich für das Handwerk zu entscheiden, wenn man Freude daran hat, etwas mit den eigenen Händen zu erschaffen. Am Ende hält man ein fertiges Stück in den Händen, das anderen Menschen Freude bereitet – oder einem selbst“, betont sie.

Ausbilder ist auch überzeugt
Auch ihr Ausbilder Johannes Verwohlt, seit 43 Jahren Goldschmied, weiß, worauf es ankommt: „Geduld, Fingerfertigkeit – aber vor allem Begeisterung für den Beruf. Man muss sich mit Leidenschaft darauf einlassen.“ Bei Anna Effing habe er genau das gespürt. „Sie hat in der Ausbildung einen Prozess durchgemacht, der zeigt, dass sie immer noch ein Stück weitergehen wollte. Das ist der Ehrgeiz, den es braucht.“
Die Geschichte von Anna Effing ist eine Ermutigung für alle, die vielleicht noch zögern, einen neuen beruflichen Weg einzuschlagen. Sie beweist: Es ist nie zu spät, seiner Leidenschaft zu folgen – und aus Talent und Hingabe ein kleines aber feines Meisterwerk zu schaffen.
Lossprechung der Goldschmiedeinnung Münster
Der Obermeister der Gold- und Silberschmiede-Innung Mathias Engels aus Ahaus konnte in diesem Jahr insgesamt sechs Goldschmiedinnen und Goldschmiede „lossprechen“. Sie haben ihre praktische und schulische Ausbildung für das Goldschmiedehandwerk vor der Prüfungskommission erfolgreich abgeschlossen und dürfen nun als Gesellinnen und Gesellen ihren Beruf ausüben.
Den Wanderpokal für die beste Note in der Prüfung erhielt Anna Effing. Ihr Goldschmiedestück besteht aus einem verwandelbaren Kettenanhänger aus Silber. Nach der Zeugnisübergabe präsentierten die frisch gebackenen Gesellinnen und Gesellen den Gästen stolz ihre Gesellenarbeiten. Die an den vier Werktagen gefertigten Stücke zeigten die ganze Vielfalt des Gold- und Silberschmiedehandwerks und sorgten für Begeisterung bei den zahlreichen Gästen.

Dieser Artikel erschien ursprünglich am 28. Februar 2025.