Ahauser Anwalt: „Das habe ich noch nicht erlebt“ Mandant bricht Telefonat mit ihm ab

Von Melina Arntzen
Ahauser Anwalt: „Das habe ich noch nicht erlebt“
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Dass ein Angeklagter nicht vor Gericht erscheint, kommt vor. Dass er aber einfach auflegt, obwohl sein Anwalt gerade versucht, mit ihm zu reden, hat am Dienstagmorgen im Amtsgericht in Ahaus für erstaunte Gesichter gesorgt. „Das ist mir so auch noch nicht passiert“, macht der Verteidiger aus Ahaus nach dem Prozess gegenüber unserer Redaktion ganz deutlich.

Was war passiert? Ein Mann aus Vreden hätte am Dienstag vor Gericht gestanden, weil er einer Frau Anfang dieses Jahres eine Handtasche geraubt haben soll. Doch der Mann kam nicht zum festgesetzten Termin. Telefonisch versuchte sein Anwalt, ihn doch noch zu erreichen.

Der Mann gab in dem Telefonat an, er habe keine gerichtliche Vorladung erhalten. Dann legte er auf. Sein Verteidiger hatte noch gefragt, ob der Mann es nicht doch noch in den Gerichtssaal schaffen würde.

Eine Antwort gab es nicht mehr. Auch war der Mann ab diesem Moment nicht mehr erreichbar.

Ahauser Anwalt überrascht

Im Gespräch mit unserer Redaktion gibt sich der Verteidiger nach dem Verfahren tatsächlich hörbar überrascht: Es komme häufig vor, dass Angeklagte versuchen würden, den Kopf in den Sand zu stecken und eine Vorladung zu ignorieren. Er versuche immer, mit Mandanten, denen er als Pflichtverteidiger zugewiesen werde, vorab zu sprechen.

„Viele sehe ich aber tatsächlich im Gerichtssaal das erste Mal“, erklärt er. Dass derjenige dann aber einfach auflege, obwohl er als Verteidiger noch versuche, die Situation zu retten, sei schon sehr ungewöhnlich. „Sagen wir so: Besonders klug ist das auch nicht“, machte er deutlich.

Der genaue Tatvorwurf lautete: Der Angeklagte soll der Frau, mit der er damals in einer Beziehung lebte, unter Anwendung von Gewalt ihre Handtasche entrissen haben. Laut Anklageschrift wird dem Mann Raub vorgeworfen. „Ob man davon sprechen kann oder ob es nur um eine Nötigung geht, ist ja auch noch nicht klar“, machte der Verteidiger deutlich.

Das Opfer erschien am Dienstag ebenfalls nicht vor Gericht. Auch sie habe keine Vorladung erhalten. Dies äußerte sie gegenüber ihrer Arbeitskollegin, welche ebenfalls als Zeugin vorgeladen wurde. Der Richter prüfte daraufhin die Meldeadresse des Opfers und stellte fest, dass ihre Vorladung tatsächlich fälschlicherweise an eine alte Anschrift gesendet wurde.

Grundsätzlich ist es so:

Erscheine ein Angeklagter nicht zu dem Gerichtstermin, gäbe es zwei mögliche Szenarien, erklärte Amtsgerichtsdirektor Benedikt Vieth im Gespräch mit unserer Redaktion. Die erste Möglichkeit sei die Erlassung eines Strafbefehls. Dies beinhalte das Fällen eines Urteils ohne ein gerichtliches Verfahren. In den meisten Fällen sei das Erlassen eines Strafbefehls mit einer Geldstrafe verbunden. Die zweite Möglichkeit sei eine Vorführung des Angeklagten.

In dem aktuellen Fall entschied der Richter sich für Letzteres. Das Gericht vereinbarte einen neuen Termin in zwei Wochen, bei welchem der Vredener, wenn nötig, mit polizeilicher Unterstützung vor das Gericht gebracht wird.

Vorladung häufig mal ignoriert

Dass der oder die Angeklagte nicht vor Gericht erscheint, „kommt schon regelmäßig vor und sei nicht zwingend ungewöhnlich“, stimmte auch der Amtsgerichtsdirektor dem Verteidiger im Gespräch mit unserer Redaktion zu. Allerdings ist es fraglich, was der Angeklagte mit seinem Verhalten bezwecken möchte. Im Fall einer Verurteilung trägt er jedenfalls auch die anfallenden Kosten für den ausgefallenen Gerichtstermin.

Denn die weiteren vorgeladenen Zeugen erschienen ordnungsgemäß zu dem angesetzten Gerichtstermin. Neben dem Opfer und der bereits erwähnten Arbeitskollegin gehören ein Polizist und ein weiterer Mann dem Zeugenstand an.