„Sind wir mit einem Kind keine Familie?“ Auch Vredener Familienpass sorgt für Frust

Auch Vredener Familienpass sorgt für Frust
Lesezeit

Die Debatte um den Familienpass nimmt Fahrt auf – und macht nun auch vor Vreden nicht halt. Nachdem eine Heeker Familie kürzlich Kritik an den Vergaberichtlinien ihrer Kommune geäußert hatte, meldete sich nun auch eine Familie aus Vreden bei unserer Redaktion – mit klaren Worten.

„Dann von der Stadt zu hören, man wäre ja scheinbar erst ab zwei Kindern eine Familie, ist ein absoluter Schlag in die Magengrube“, heißt es in einer anonymen Zuschrift, die über den digitalen Briefkasten dieser Zeitung einging.

Die Verfasserin – Mutter eines einzelnen Kindes – berichtet von ihrer persönlichen Situation: Aufgrund gesundheitlicher Gründe könne die Familie kein weiteres Kind bekommen. Umso verletzender sei es, beim Blick auf die Vergaberegeln für den Vredener Familienpass den Eindruck zu gewinnen, „mit nur einem Kind keine vollwertige Familie zu sein“.

Lage in Ahaus und Heek

Was wie ein individuelles Problem klingt, ist nicht nur in Vreden ein Thema. In Ahaus etwa wird der Familienpass bereits ab dem ersten Kind ausgestellt – seit fast zehn Jahren. Die dortige Verwaltung bestätigt: Familien aus anderen Kommunen, etwa Heek oder Vreden, können mit einem Pass ihrer Heimatstadt ebenfalls Vergünstigungen in Ahaus nutzen – sofern sie denn einen bekommen. Doch während Ahaus großzügige Richtlinien pflegt, setzen andere Städte auf Hürden.

In Heek etwa ist der Familienpass erst ab drei Kindern erhältlich – eine Regel, die selbst den dortigen Bürgermeister Franz-Josef Weilinghoff inzwischen ratlos zurücklässt. „Warum man das auf drei Kinder begrenzt hat, erschließt sich mir nicht“, sagte er gegenüber unserer Redaktion. Auch er kann sich eine Absenkung auf ein oder zwei Kinder gut vorstellen – der Familienfreundlichkeit wegen.

Wie sieht es in Vreden aus?

In Vreden liegt die Schwelle zwischen diesen beiden Extremen: Anspruch auf den Familienpass haben Familien mit mindestens zwei Kindern oder einem Kind mit einem Grad der Behinderung von mindestens 50. Für Alleinerziehende reicht ein Kind. Damit liegt Vreden formal über Ahaus – und unter Heek.

Auf Nachfrage unserer Redaktion äußerte sich auch Fadi Rajab, Erster Beigeordneter der Stadt Vreden, zu den Vorwürfen. Die Kritik aus Heek sei auch bei ihm angekommen, das Thema „grundsätzlich nachvollziehbar“. In Vreden selbst sei ihm die Problematik aber bisher nicht begegnet.

„Ich bin ja noch recht frisch im Amt“, erklärt Rajab, „und bislang wurde das Thema an uns nicht herangetragen.“

Dennoch kündigt er an, das Thema weiter im Blick zu behalten – insbesondere, falls es zu einer kreisweiten Diskussion komme. Erste Ansätze dafür gab es laut Rajab schon in der Vergangenheit.

Rajab verweist zugleich auf die familienfreundliche Ausrichtung der Vredener Stadtverwaltung und hebt besondere Leistungen hervor – etwa die Weihnachtsbeihilfe für Kinder mit einem Behinderungsgrad ab 80. Diese in Vreden einzigartige Unterstützung in Höhe von 200 Euro werde, so Rajab, „sehr gut angenommen und geschätzt“. Trotzdem zeigt der Fall: Auch ein funktionierendes System kann Lücken haben – vor allem für Familien, die unverschuldet nicht in das vorgegebene Raster passen.

Zum Thema

Anonymer Briefkasten

Viele Missstände in Behörden, Firmen und Vereinen bleiben unentdeckt, weil sich niemand an die Öffentlichkeit traut. Das wollen wir ändern, mit einem anonymen Briefkasten (www.ruhrnachrichten.de/anonymer-briefkasten).

In diesem Briefkasten können Sie uns Ihre Hinweise und Informationen zukommen lassen. Sie können geheime Dokumente, Verträge, Fotos und Videos, die auf Missstände aufmerksam machen, hier hochladen. Wir werden Ihren Anregungen nachgehen. Dabei behandeln wir Ihre Informationen und Dokumente absolut vertraulich.

Wir behandeln Ihre Informationen und Dokumente absolut vertraulich. Der Schutz unserer Quellen hat für uns höchste Priorität. Wenn Sie möchten, dass wir Sie für Rückfragen kontaktieren können, tragen Sie ihre Mail-Adresse oder ihre Telefonnummer in das Formular ein.

Fadi Rajab steht vor dem Rathaus.
Der Erste Beigeordnete Fadi Rajab verweist auf die familienfreundliche Ausrichtung der Vredener Stadtverwaltung. © Luca Bramhoff