„Dort bleiben die Besucher am längsten stehen.“ Ernst Bennemann zeigt auf eine Bildergalerie mit Portraits bekannter verstorbener Südlohner Persönlichkeiten, 168 an der Zahl. Viel Zeit haben die Mitglieder des Südlohner Heimatvereins investiert, um mit den Familien diese Lebensgeschichten zusammenzutragen. Hinterlegt sind diese auf der Homepage (www.heimatverein-suedlohn.de).
Der Heimatverein stellt sich bewusst modern und zeitgemäß auf, berichtet der Vorsitzende. Ein Beleg ist der Heimatraum im Obergeschoss des Pfarrheims St. Vitus, der auch zum Weihnachtsmarkt am Freitag (25.11.) besondere Einblicke in die Südlohner Historie gewährt.

Nein, ein Heimathaus wie andere Heimatvereine besitze man nicht. Dafür haben die Mitglieder an der Kirchstraße eben einen Heimatraum eingerichtet, der den Blick nicht nur auf die Portraits der „Menschen in Südlohn“ lenkt, sondern auf viele weitere Raritäten.
„Wir haben schon eine schöne Sammlung zusammen“, meint Ernst Bennemann. Dokumente, Bilder, Schriften – modern und zeitlos präsentiert. „Wir wollen das bewusst mal anders machen“, erklärt der Vorsitzende. Und: „Die Resonanz ist sehr gut.“
Pokale aus Geschosshülsen
Ein Rundgang: Ernst Bennemann öffnet eine Vitrine und holt einen Pokal hervor. Eine Gabe von Maria Gehling. Mit besonderem geschichtlichen Hintergrund. 1950 konnte der SC Südlohn das erste Pokalspiel nach dem Zweiten Weltkrieg gegen den Nachbarn FC Oeding gewinnen, Siegerpokale gab es seinerzeit keine. „Der Kupferschmied Heinrich Gehling hat diesen ersten Siegerpokal angefertigt – aus Geschosshülsen“, berichtet Ernst Bennemann. Darstellen sollte der Pokal den Oedinger Burgturm. Eine besondere Erinnerung an die Zeit des Wiederaufbaus, meint Bennemann.
Ein Dokument der Zeitgeschichte ist auch das Kriegstagebuch von Heinrich Telöken, welches dieser in Kriegsgefangenschaft geführt hatte. Nach dem Krieg fand dieser in den Trümmern des elterlichen Schreibwarengeschäftes an der Kirchstraße eine funktionierende Kamera, mit der er sehr seltene Bilder des zerstörten Südlohns anfertigte. Eine Leihgabe von Maria Telöken-Terhechte.

Doris Bennemann, ebenfalls Vorstandsmitglied, zeigt auf eine Zeichnung an der Wand: „Diese Zeichnung hat Ernst Brunzel 2000 mit den Schülerinnen und Schülern der Roncallischule angefertigt“, erzählt die ehemalige Leiterin der Hauptschule. Zu sehen sind die Wohnsitze der deportierten jüdischen Bewohner der Gemeinde Südlohn, ebenfalls ein Dokument der Zeitgeschichte. „Als es zum Beispiel noch keine Stolpersteine gab, hat Ernst Brunzel viele Vorträge gehalten“, erinnert sich Doris Bennemann.
Parallel erinnert ein Modell an die Südlohner Synagoge, die am heutigen „Platz der Synagoge“ stand. Das Schicksal der jüdischen Gemeinde in Südlohn hat Ernst Brunzel im Buch „Nie gehört“ aufgearbeitet. Dieser Titel wird auch die 4. Südlohner Heimatlesung am 26. Januar in der Festhalle Terhörne umrahmen.

Lohnbücher ab 1909 der Weberei Föcking & Cohausz, das Rechnungsbuch der Vikarie St. Catharina ab 1824 – die Kirchengemeinde hatte dem Heimatverein dieses per „Überlassungsvereinbarung“ im Jahre 2020 übergeben –, eine Sammlung aller Vereinsschriften ab 1931 – nur einige weitere Raritäten, die der Besucher auf seiner Zeitreise entdecken kann. Wesentliche Ereignisse sind übrigens in einem Zeitstrahl festgehalten.
Die Königsplaketten und Orden des St. Vitus-Schützenvereins sind ebenfalls aufgereiht. Auf der ältesten Plakette aus dem Jahr 1864 ist Anton Terwein als König für 1855 und 1864 doppelt vermerkt. Stumme Zeugen des 30-jährigen Krieges sind Kanonenkugeln, die 1978 bei Arbeiten für das Fundament der Kegelbahn des Gasthauses Nagel gefunden worden waren. Josef Nagel hatte diese 2006 dem Heimatverein übergeben. Noch 2021 waren die Schüler Miguel und Loic Schwarz beim Spielen in der Schlinge auf eine Kanonenkugel gestoßen (wir berichteten).
Kegelclub und Karneval
Es gibt aber auch Dokumente, die den Gast zum Schmunzeln bringen. Ernst Bennemann nimmt eine kleine, wohlbehütete Kladde aus dem Schrank, die Chronik des Kegelclubs „Pudel“, welche die Zeit ab 1950 beschreibt, geführt von Walter Schreiber. „Darin sieht man, dass seinerzeit ganz ordentlich getrunken wurde“, meint Ernst Bennemann und lacht.
Apropos: Der Vorsitzende legt das Kassenbuch der Nachbarschaft Wienkamp, eine der wohl älteren Nachbarschaften der Gemeinde, daneben. Festgehalten sind unter anderem die Statuten zu Karnevalsfeiern aus dem Jahr 1934. 1936 belegt das Ausgabenbuch, dass „48 Liter Schnaps getrunken“ wurden. Bier scheinbar keines, dafür sind 100 Zigarren und Zigarillos sowie 240 Heringe belegt.

Der Rundgang endet bezeichnenderweise unter dem Schild des Südlohner Bahnhofs, das Bahnhofsgebäude war 1977 abgerissen worden. Ernst Bennemann holt ein „schwergewichtiges“ Dokument hervor: ein Album mit den Lebensstationen des ehemaligen Gemeindedirektors Karl Frechen samt Abschiedsurkunde aus dem Jahr 1987, das der Rat dem Ehrenbürger überreicht hatte. Eine weitere Lebensgeschichte – so wie die vielen weiteren, die die Besucher im Heimatraum oder auf der Homepage nachvollziehen können. „Das spiegelt viel Gemeindegeschichte wider“, ergänzt Doris Bennemann.
Wo holt man sich eigentlich so viele Ideen? „Bei eigenen Museumsbesuchen“, erklärt Doris Bennemann. Ihr Mann habe dabei immer den besonderen Blick – nicht nur für die Inhalte, sondern auch für die Art, wie man diese zeitlos aufbereitet.