
© Bernd Schlusemann
„Wunderheiler“ wollte Kind mit Massagen im Intimbereich von Krankheit heilen
Missbrauchsprozess
Kinderschänder, Scharlatan, Betrüger – möglicherweise trifft alles auf den 51-Jährigen zu, dem seit Freitag der Prozess gemacht wird. 57 Fälle von Kindesmissbrauch werden ihm vorgeworfen.
Zwei Justizvollzugsbeamte bringen den Angeklagten in den Gerichtssaal des Bocholter Amtsgerichts, das auch eine Zweigstelle des Landgerichts Münster ist. Der sich selbst auch als Wunderheiler bezeichnende Angeklagte wird aus der Untersuchungshaft vorgeführt. In einer Tüte aus transparenter Folie hat er unter anderem eine Päckchen Wasser, ein paar in Alufolie verpackte Brote und einen Notizblock in DIN A4.
Strafmaß gegen „Wunderheiler“ dürfte hoch ausfallen
Den braucht er beim ersten Verhandlungstag vor der Großen Strafkammer des Landgerichts aber nicht. Große Strafkammer – das heißt, drei Richter und zwei Schöffen werden am Ende über das Urteil gegen den Mann beraten.
Das zu erwartende Strafmaß dürfte beträchtlich sein. Dafür sprechen die vielen und massiven Tatvorwürfe und der Umstand, dass der Vorsitzende Richter am Freitag (22.01.2021) direkt weiter Untersuchungshaft für den seit Ende Juli 2020 einsitzenden Angeklagten anordnete.
Angeklagter ist Vater von drei Kindern
Der Südlohner ist geschieden und Vater von zwei erwachsenen Kindern. Er hat außerdem noch ein weiteres, minderjähriges Kind im Alter von 15 Jahren. Der 51-Jährige ist zwar nicht vorbestraft, durch das zu erwartende, hohe Strafmaß ergebe sich aber Fluchtgefahr, begründete der Richter seinen Beschluss, den Strafbefehl bestehen zulassen.
Insgesamt 57 Handlungen wirft das Gericht dem Mann vor. Die Taten soll er in der Zeit vom 1. September 2017 bis zum 30. September 2019 begangen haben. Seine Opfer – drei Mädchen - waren zwischen 14 und 16 Jahren alt.
Der Angeklagte, der gegenüber dem Richter „Fahrer“ als seine Berufsbezeichnung angab, ist in seiner Wohnung in einer Bauerschaft auch als „Wunderheiler“ aufgetreten. Bei einem seiner Opfer diagnostizierte er Knoten in Po und Brust. Diese wollte er durch Massagen mit Cremes und Ölen heilen.
Mutter vertraute ihre 14-jährige Tochter dem Angeklagten an
Ein weiteres, jugendliches Opfer, das ihm von der Mutter anvertraut wurde, sollte er gegen Bettnässen behandeln. Jedes Mal, und auch beim dritten Opfer des Angeklagten, kam es laut Anklage des Staatsanwalts zu sexuellen Übergriffen. Der 51-Jährige soll die Mädchen im Intimbereich massiert und sexuell erregt haben.
Der Staatsanwalt wirft dem „Wunderheiler“ insgesamt 57 Missbrauchshandlungen an den drei Mädchen über den langen Tatzeitraum vor. Bei einer Hausdurchsuchung bei dem Angeklagten fand die Polizei außerdem kinder- und jugendpornografisches Material, bei dem auch Kinder beim Geschlechtsverkehr mit Erwachsenen gezeigt wird, auf einer Festplatte und stellten diese sicher.

Ein „Wunderheiler“ soll jugendliche Mädchen missbraucht haben. Er gab vor, sie mit Massagen von Krankheiten heilen zu können. © picture alliance/dpa
Nach dem Verlesen der Anklage verneinte der Angeklagte die Frage des Gerichts, ob er zu den Tatvorwürfen Stellung nehmen wolle. Das könnte bedeuten, dass seine mutmaßlichen Opfer vor Gericht eine Aussage machen und schildern müssen, was bei ihren Besuchen bei den Wunderheiler passiert ist.
Angeklagter schweigt zu den Tatvorwürfen
Da der Angeklagte keine Angaben zu den Tatvorwürfen gegen ihn machen wollte, schloss der Vorsitzende Richter die Sitzung schon nach etwa 15 Minuten Verhandlungsdauer.
Der Prozess wird am nächsten Freitag, 29. Januar, um 9 Uhr in Saal 112 des Amtsgerichts in Bocholt fortgesetzt. Dann sollen die ersten Zeugen zu den Tatvorwürfen gegen den 51-Jährigen gehört werden.
Hat Spaß an lokaler Berichterstattung auf Augenhöhe des Lesers und schreibt gern über Themen, die die Menschen in der Region berühren.
