Wohngeldreform wird zur Belastungsprobe Gemeinde erwartet Verdreifachung der Anträge

Wohngeldreform wird zur nächsten Belastungsprobe für die Verwaltung
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„Wir haben es mit einer multiplen Krisenlage zu tun.“ Werner Stödtke betonte in der jüngsten Sitzung des Haupt- und Finanzausschusses (HFA), dass gerade kleine Gemeinden aktuell „hart getroffen“ würden. Der Bürgermeister hat alle Fachbereiche im Blick, besonders sicher den Fachbereich Ordnung und Soziales. Zuzug und Wohnraum für Geflüchtete, die Energiekrise mit ihren Folgen, Corona-Krise, Gesetzesänderungen, daneben das nicht unerhebliche Tagesgeschäft.

Und nun gilt es, sich auch noch für die Umsetzung der Reform des Wohngeldes zu wappnen. Viele Kommunen befürchten bereits ein Chaos. Ganz so dramatisch sieht es Werner Stödtke nicht, er sehe eine „weitere Herausforderung“: „Wir rechnen mit einer Verdreifachung der Antragsberechtigten.“ Die Zahl möglicher Anträge könnte sich erfahrungsgemäß weiter erhöhen, da viele nun prüfen lassen wollten, ob sie berechtigt sind oder nicht.

Das sogenannte „Wohngeld Plus“ soll zum 1. Januar 2023 in Kraft treten. Es ist Teil des Entlastungspaketes und führt zu einem erhöhten Wohngeld für aktuell Anspruchsberechtigte. Aber auch die Reichweite des Wohngeldes wird durch die Anhebung der Einkommensgrenzen und weitere Faktoren deutlich erhöht.

Zu den Zahlen: Aktuell beträgt das durchschnittliche Wohngeld 180 Euro pro Monat. Mit der Reform wird es sich um 190 Euro auf 370 Euro im Monat mehr als verdoppeln. Es wird zudem eine Heizkosten- und eine Klimakomponente eingeführt. Für Nordrhein-Westfalen wird ein Anstieg von derzeit 150.000 auf 450.000 Berechtigte erwartet. Das deckt sich mit den Erwartungen für die Gemeinde Südlohn.

Interne Verschiebungen

Aber: Bei all der hohen Bedeutung, etwas für diejenigen Bürgerinnen und Bürger zu tun, die eine finanzielle Unterstützung gerade jetzt benötigten – die Probleme, vor die diese Reform alle Kommunen stellt, sind nicht unerheblich. Allein der Zeitrahmen wird schon zu einer Herausforderung: Voraussichtlich wird das Wohngeldgesetz erst im November beschlossen. Das gibt den Kommunen sehr wenig Zeit, sich inhaltlich auf die Änderungen einzustellen. Die Kapazitäten sind zudem bekannt begrenzt – gerade in kleinen Kommunen.

Ein Beispiel: Aktuell kümmert sich in Südlohn eine Kraft um Wohngeld (25 Prozent), Rente (25) und zudem Bürgerbüro (50). „Wir werden das durch Verschiebungen bei den Stellenanteilen hinbekommen müssen“, blickt Werner Stödtke voraus. Dadurch entstünden natürlich an anderer Stelle Lücken, die kompensiert werden müssten. Womöglich auch über Teilzeitstellen. Oder junge Mitarbeiter. Kommunen, die ihr Personal nun aufstocken müssen, müssten folglich auch den finanziellen Mehraufwand übernehmen – auch wenn sie das Wohngeld selbst nicht tragen müssen.

Dazu kommt die technische Komponente – sprich die Software. „Der Kreis bemüht sich gerade, Schulungen für Mitarbeiter zu organisieren. Oder wir müssen das selbst übernehmen“, erklärt der Bürgermeister auf Nachfrage. Ähnlich stelle sich die Ausgangslage bei aktuellen Themen wie dem Onlinezugangsgesetz dar. „Über allem kommt auch noch das Bürgergeld“, ergänzt der Bürgermeister. Enorm viel Schulungsbedarf.

Werner Stödtke wünschte es sich, dass neue Gesetze und Verordnungen „einfach besser vorbereitet“ werden. Der Bürger habe nicht nur eine Erwartungshaltung, sondern auch einen Anspruch, dem man gerecht werden wolle.

Mehr Weitblick in der Politik

Der Bürgermeister verleiht seiner Forderung noch mal Nachdruck: „Bund und Länder müssen auch mal Lösungen liefern.“ Womöglich seien diese auch „zu weit weg von der Basis“. Denn: Umgesetzt würden die beschlossenen Maßnahmen schließlich meist durch die Kommune.

„Und wir sind vielfach auch erster Ansprechpartner in vielen Fragen – auch wenn wir gar nicht zuständig sind.“ Thema Grundsteuer. Der Bürgermeister forderte im HFA auch noch einmal mit Nachdruck, „Standards mal herunterzuschrauben“. Die Bürokratie sei vielfach „überbordend“.

Aktuell profitiere man noch davon, sehr gut ausgebildet zu haben. Dennoch betont der Bürgermeister noch einmal: „Vielfach gehen wir auf der letzten Rille.“ Das funktioniere auch nur, wenn alle gesund sind.