Andreas Schrodt gibt seine Kinderarzt-Praxis im Velener Ärztehaus im nächsten Jahr auf.

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Velen bald ohne Kinderarzt? Schrodt gibt Praxis im Ärztehaus auf

rnMedizinische Versorgung

Die Stadt Velen steht bald wohl ohne Kinderarzt da. Denn Diplom-Mediziner Andreas Schrodt wird seine Praxis im Frühjahr dieses Jahres schließen. Die Suche nach einem Nachfolger blieb bislang erfolglos.

von Lars Johann-Krone

Velen

, 21.12.2021, 17:15 Uhr / Lesedauer: 3 min

Andreas Schrodt ist seit 1996 mit seiner Praxis im Velener Ärztehaus zu Hause. Im Frühjahr 2022 will der Kinderarzt seine Praxis schließen. Noch hat er die Nachfolge nicht regeln können.

„Ich bin im 38. Jahr als Mediziner, ich werde dieses Jahr, kurz nachdem ich die Praxis zugemacht haben werde, 67 Jahre alt, und ich merke mittlerweile, dass die Arbeit mehr und mehr an der Substanz zehrt. Ich komme inzwischen nach Hause und bin einfach kaputt. Aber nicht falsch verstehen: Es ist positiv anstrengend“, sagt Schrodt.

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Vorsorge-Untersuchungen, Schnupfen, Husten, mal ein Splitter im Finger, das sind nur einige Dinge, um die sich der Kinderarzt kümmert. „Aber das Schöne an dem Beruf ist, zu sehen, wie die Kinder groß werden. Und wenn die Eltern dann noch sagen, dass ich sie gut beraten habe, dass der Junge zum Beispiel keine Paukenröhrchen oder das Mädchen keine Operation brauchte, und sie trotzdem groß und kerngesund sind, dann sind das Augenblicke, in denen ich zufrieden denke, es nicht so ganz falsch gemacht zu haben“, sagt der Coesfelder.

Die Ansprache der Kinder sei ihm immer wichtig gewesen, sagt Schrodt. „Ich habe zuerst die Kinder angesprochen, sodass sie merken, dass sie ernst genommen werden“, erklärt er. „Öfter habe ich dann erstaunte Eltern erlebt, die sagten, dass ihr Kind zum ersten Mal bei einem Arztbesuch nicht geweint habe.“

Über die Prager Botschaft ins Münsterland

1990 kam der in Jena geborene Schrodt ins Münsterland. Der Weg dorthin führte für den damaligen DDR-Bürger unter anderem im September 1989 über die Prager Botschaft. „Ich stand unter dem Balkon, als Hans-Dietrich Genscher seinen berühmtesten Halbsatz sagte, und durfte wenig später nach Deutschland ausreisen. 4500 Leute haben damals im Chor geheult, geweint, geschrien vor Glück“, erinnert sich Schrodt.

Einige Monate lebte Schrodt in Nürnberg, ehe er 1990 zunächst für rund anderthalb Jahre als Assistenzarzt im Krankenhaus in Rheine arbeitete. Es folgten ab 1991 fünf Jahre im Coesfelder Krankenhaus. „Mein Vertrag dort war auf fünf Jahre befristet, und dann bot sich, eigentlich von heute auf morgen, die Chance mit dieser Praxis hier im Ärztehaus. Sie gehörte Dr. Rolf Lütkemeier. Die Entscheidung fiel binnen drei Tagen. Ich habe am Wochenende noch Notdienst im Krankenhaus gemacht und habe am Montag drauf hier angefangen“, erinnert sich Schrodt.

Rückblickend wohl ein guter Schritt für ihn. „Nach 37 Jahren sagen zu können, Glück gehabt zu haben, genau den Beruf finden zu dürfen, der mein Traumberuf ist, das ist toll. Und ich bin auch stolz darauf, wenn mir die Eltern bestätigen, dass man merke, dass ich Spaß an der Arbeit habe“, so Schrodt.

Enttäuscht von der KVWL

Viele Eltern hätten in den vergangenen Wochen bedauert, dass er geht, berichtet der Kinderarzt. Und er ist überrascht und traurig, dass er keinen Nachfolger gefunden hat, der die Praxis übernimmt. Enttäuscht ist er auch von der Kassenärztlichen Vereinigung. „Ich habe die KV angeschrieben und gesagt, dass ich mir um die Versorgung meiner 1800 Patienten pro Quartal Sorgen mache, wenn die Praxis schließt. Die Antwort war freundlich unverbindlich, aber die Aussage war grob, dass das dann eben so sei“, berichtet Schrodt.

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Er sagt, dass so eine Veränderung für viele Eltern eine dramatische sei, weil es eben ein Vertrauensverhältnis gebe. Abzuwenden ist sie nun aber wohl nicht mehr. Die vergangenen Jahre habe er versucht, einen Nachfolger zu finden – ohne Erfolg. „Ich habe sämtliche Kinderkliniken angeschrieben, gefragt, ob es im Team einen Kollegen gebe, der sich als Arzt niederlassen möchte. Ich habe keine Rückmeldung erhalten“, berichtet der Arzt.

„Noch vor 20 Jahren hätten sich potenzielle Nachfolger um diese Praxis gerissen.“ Ein möglicher Grund dafür, dass das nicht mehr so ist, ist seiner Meinung nach, „und das ist kein Vorwurf“, so Schrodt, dass für viele junge Kollegen eine solche Praxis nicht mit der Work-Life-Balance vereinbar sei. Dabei sei seine Praxis ein sicherer Lebensarbeitsplatz „mit gutem Einkommen und Arbeitsbedingungen, die sonst nirgends zu finden sind“, so Schrodt. Er spielt damit auf die vielen anderen Fachabteilungen im Ärztehaus an.

Allerdings müssen Eltern aus Velen künftig wohl bald zu Kinderärzten in Gescher, Heiden oder Borken und weiter fahren, um ihre Kinder behandeln zu lassen. Zumindest dann, wenn in den nächsten Monaten nicht noch ein Kinderarzt auf die Idee kommt, ins Ärztehaus oder in eine Praxis anderswo im Stadtgebiet einziehen zu wollen.