Markus Terhart hat sich am Morgen schon einmal ausgepowert. Doch er weiß ganz genau: Wenn er die Schmerzen seiner chronischen Migräne im Griff behalten will, muss er gegen Abend noch eine Runde laufen.
Es ist ein ungewöhnlicher Weg, den der 54-jährige Südlohner eingeschlagen hat, um die Schmerzen zumindest ein bisschen erträglicher zu machen. Doch der Leidensdruck, unter dem er stand, als er vor rund 20 Jahren diese Möglichkeit erkannt hat, war auch enorm hoch.
Angefangen hatte alles, als er etwa zehn Jahre alt war und noch zur Grundschule ging. Auf einmal bekam er starke Kopfschmerzen, die Schrift an der Tafel verschwamm. „Von da an bekam ich regelmäßig Migräneschübe“, erinnert sich der 54-Jährige. Da dauerte es auch schon mal einen ganzen Tag, bis die Schmerzen abgeklungen waren.
Seitdem begleitete ihn immer die Angst vor dem nächsten Migräneschub. Ein erstes Anzeichen dafür war eine extreme Sehschwäche auf einem Auge. „Zum Teil konnte ich da gar nichts mehr sehen. Das waren für mich die Vorboten dafür, dass mich als nächstes die extremen Kopfschmerzen erwarten.“
Medikamente helfen nicht
Medikamente halfen ihm nicht. Er habe eher unter den Nebenwirkungen gelitten, so Markus Terhart. Aber er kämpfte sich durch die Schulzeit. Trotz vieler krankheitsbedingter Ausfälle habe er mithalten können. Nach der Schule begann er eine Lehre zum Schreiner.
Sein Chef habe damals schon viel Verständnis gezeigt. Eine Erfahrung, die der 54-Jährige in seinem Leben nicht immer gemacht hat. „Es ist eine Krankheit, die man nicht sieht. Wenn man es hat, ist es schlimm. Wenn einem nicht geglaubt wird, ist es noch schlimmer.“ Nicht nur im persönlichen Umfeld seien die Schmerzen infrage gestellt worden, sondern auch durch Ärzte. „Zum Glück ist das heute anders. Es ist eine anerkannte Erkrankung.“
Markus Terhart macht kein Geheimnis daraus, dass es in den vergangenen 40 Jahren Momente gab, in denen er die Lebensfreude fast gänzlich verloren hatte. „Bis vor 18 Jahren meine Tochter zur Welt kam.“ Ein Grund für ihn, weiter zu kämpfen und nicht aufzugeben.
Intensiv betreibt er seitdem den Laufsport. „Ich bin zum Glück physisch fit und kann das machen.“ Als er sich zwischenzeitlich einen Arm gebrochen hatte, ist er auch gelaufen – nachts, damit ihm keine Vorwürfe gemacht werden. „Es ist ein Teufelskreis. Wenn ich das nicht mache, habe ich solche Schmerzen, dass ich weder ein noch aus weiß.“
Begonnen hatte er mit kurzen Strecken, schnell merkte er aber, dass das Laufen nur hilft, wenn er sich wirklich bis zur Erschöpfung auspowert. Das Laufen wurde nicht nur zum „Medikament“, es wurde für den 54-Jährigen auch zur Leidenschaft.
Laufen hilft
Nach so vielen Jahren hat er nun einen Antrag auf Erwerbsminderung gestellt. Die Erinnerung daran, wie er sich bis heute durchs Leben gekämpft hat, lässt ihn schlucken. „Ich habe damit gelebt, es ging nicht anders. Ich musste das akzeptieren. Heute ziehe ich meine Energie aus dem Sport, es ist für mich ein Stück Heilungsprozess.“
Er will Menschen, die ähnliche Probleme haben, Mut machen, „dass Sport ein Weg sein kann“. Auch wenn ihm klar ist, dass jeder Mensch anders ist. „Aber vielleicht kann man es wenigstens ausprobieren.“
Zum Glück sei aber auch die Medizin heute weiter, als sie es vor 40 Jahren war. Und auch das Verständnis der Menschen für solche chronischen Erkrankungen werde immer besser. Trotzdem gebe es auch heute noch Situationen, in denen er auf Unverständnis trifft: „Manche wundern sich, warum ich laufen kann, wenn ich doch so starke Schmerzen habe. Aber es ist eben das Laufen, das die Schmerzen bei mir eindämmen kann.“
Dieser Artikel erschien zuerst im September 2023.