227 Oedinger haben darüber abgestimmt, wie ihnen ihr Ortsteil gefällt. Die Kritik konzentriert sich fast komplett auf die fehlende Ortsumgehung. Wir haben uns im Ort einmal umgesehen.

Südlohn

, 28.03.2019, 05:00 Uhr / Lesedauer: 5 min

Seit Oktober 2002 lebt Andrea Hoeper (48) mit ihrer Familie in dem Haus gegenüber der Volksbank-Filiale, direkt an der Winterswyker Straße. Auf die zahllosen Lkw und Autos kann sie direkt aus ihrem Wohnzimmerfenster blicken. „Im Garten bekommt man von dem Verkehr nicht mehr viel mit, aber fernsehen bei offenem Fenster können Sie vergessen“, sagt sie und zeigte auf die Isolierglasfenster zur Straße. In gerade einmal zehn Metern Entfernung donnert da gerade wieder ein Sattelzug über die Winterswyker Straße.

Bei den Verkehrsregeln gehen viele Oedinger einen ganz eigenen Weg: „Viele Kinder und Jugendliche fahren mit dem Fahrrad gegen die Fahrtrichtung auf der falschen Straßenseite“, sagt Andrea Hoeper. Natürlich sei das eigentlich nicht erlaubt. Und natürlich wissen das sowohl die Kinder als auch die Erwachsenen. „Das ist mir aber trotzdem noch lieber, als wenn die Kinder diese gefährliche Straße überqueren müssten“, so die zweifache Mutter.

Alle Zahlen und Fakten zum Ortsteilcheck in Oeding.

Alle Zahlen und Fakten zum Ortsteilcheck in Oeding. © Verena Hasken

Sie selbst kommt aus Stadtlohn, ist dort in einem „sehr ruhigen Wohngebiet“ groß geworden. „Da war der Umzug hier an die Hauptstraße natürlich eine riesige Umstellung“, erklärt sie. Ihre Kinder hatten dieses Problem nicht. Sie kennen es ja gar nicht anders. Als sie geboren wurden – Jan ist heute 15, Mia 12 Jahre alt – wurde aus dem Ärgernis vor dem Haus ein echtes Problem. Schließlich lauert die Gefahr durch tausende Autos und Lastwagen direkt vor dem Gartentor.

„Ein Kettcar haben wir Jan deswegen nie geschenkt. Schon das Bobbycar habe ihr einige Male den Schrecken in die Knochen gejagt. „Es war immer meine absolute Horrorvorstellung, dass er mit dem Bobbycar die Einfahrt runtersaust und dann in den Verkehr gerät“, sagt sie. Deswegen hat die Familie das Grundstück mit einem schweren Tor verschlossen. „Wir haben fast einen Hochsicherheitstrakt aus dem Grundstück gemacht“, erklärt Andrea Hoeper schmunzelnd.

An die oft angesprochene Umgehungsstraße um den Oedinger Ortskern mag sie noch nicht so recht glauben. „Aber die Hoffnung stirbt ja bekanntlich zuletzt“, sagt sie und muss wieder schmunzeln. Sie räumt aber auch ein: „Ich verstehe auch die Anwohner der zukünftigen Umgehungstrasse.“ Sie würde sich auch wehren, wenn an ihrem Grundstück ein entsprechendes Projekt geplant würde. Dennoch hofft sie darauf, dass die Umgehungsstraße bald kommt. „Das ist für den Ort total maßgeblich. Alle Weiterentwicklungen hängen an dieser Straße“, sagt sie. Eine Verkehrszählung hatte im Zuge der Planungen bereits 2007 rund 9900 Fahrzeuge pro Tag auf der Straße gemessen. Davon waren allein 1020 Lkw. „Der Schwerlastverkehr ist in den vergangenen Jahren aber definitiv mehr geworden“, sagt Andrea Hoeper.

Insgesamt bietet Oeding in ihren Augen aber einen tollen Lebensstandard. „90 Prozent der Leute hier haben ein Eigenheim. Die Gastronomie für so einen kleinen Ort ist super. Genau wie die Nahversorgung“, sagt sie. Natürlich sei das Angebot in einer Stadt wie Münster größer und vielfältiger. „Aber wir müssen die Kirche auch mal im Dorf lassen. Wir sind hier schließlich gerade einmal knapp 4000 Leute“, sagt sie.

„Oeding ist ein toller Ort, um als Familie zu wohnen“, erklärt sie. Der Meinung sind offenbar auch die meisten der 227 Teilnehmer aus Oeding, die beim Ortsteil-Check mitgemacht haben. Ein paar Ergebnisse:

Das wurde positiv bewertet

Nahversorgung: Über mangelnde Einkaufsmöglichkeiten für den täglichen Bedarf können sich die Oedinger nun wirklich nicht beklagen. Tun sie auch nicht: Neun von zehn Punkten geben sie diesem Bereich. Zwei große Supermärkte plus eine Aldi-Filiale gibt es im Ortszentrum. Einzel- und Modehändler ergänzen das Angebot. Auf der Wunschliste vieler Oedinger steht noch ein Drogeriemarkt ganz weit oben. Dass der kommt, ist beschlossene Sache. Fraglich ist nur noch, wann der Bau beginnt. „Wir sind gerade dabei, die Planung abzuschließen“, sagt dazu Bürgermeister Christian Vedder. Das soll alles noch in diesem Jahr passieren. Auch der Investor sei mit seinen Überlegungen schon sehr weit. Geht alles glatt, könnte der Bau an der Pfarrer-Becker-Straße spätestens im kommenden Jahr beginnen.

Die Nahversorgung im Oedinger Ortskern wird positiv bewertet. Der geplante Drogeriemarkt wird sehnsüchtig erwartet und soll das Angebot vervollständigen.

Die Nahversorgung im Oedinger Ortskern wird positiv bewertet. Der geplante Drogeriemarkt wird sehnsüchtig erwartet und soll das Angebot vervollständigen. © Stephan Teine


Radfahren:
Wie schon die Südlohner bewerten auch die Oedinger das Radwegenetz rund um den Ort fast mit der Bestnote. Neun von zehn Punkten. Und das Radwegenetz soll noch verbessert werden: Angelehnt an das Orientierungssystem in den Niederlanden sollen auch im Münsterland die Radwege mit sogenannten Knotenpunkten ausgestattet werden. „Erste Entwürfe wurden eingereicht und werden jetzt geprüft“, erklärt Philipp Ellers von Südlohn-Oeding-Marketing-Information-Touristik (Somit). 2021 sollen die ersten Schilder stehen. „Da gibt der Kreis Borken jetzt richtig Gas“, erklärt Philipp Ellers. Ein gutes Signal, wie er findet. Die Resonanzen auf die bestehenden Wege in Oeding seien – egal ob von Touristen oder Einheimischen – durchweg positiv.

Wohnen:

Oeding wächst: Nach Jahren der Ungewissheit gibt es im Baugebiet Burloer Straße West endlich Planungssicherheit. Die Grundstücke dort finden reißenden Absatz.

Oeding wächst: Nach Jahren der Ungewissheit gibt es im Baugebiet Burloer Straße West endlich Planungssicherheit. Die Grundstücke dort finden reißenden Absatz. © Stephan Teine

Sieben von zehn Punkten gibt es von den Oedingern für die Wohnsituation im Ort. Nach der jahrelangen Hängepartie im Baugebiet Burloer Straße-West drehen sich dort seit ein paar Monaten die Baukräne. „Direkt nach dem Start hatten wir einen reißenden Absatz bei den Grundstücken“, sagt Bürgermeister Christian Vedder. Das habe sich in der Zwischenzeit etwas beruhigt. Über 30 Grundstücke habe die Gemeinde schon verkauft. Weitere würden ja aus privater Hand verkauft. Aber auch dort laufe das Geschäft gut. „Mit dem Verlauf sind wir sehr zufrieden“, erklärt der Bürgermeister.

Das Interesse an der Entwicklung im Ort ist groß: Bei der Bürgerinformation zum Integrierten Städtbaulichen Entwicklungskonzept (ISEK) waren viele Besucher in die Jakobihalle gekommen.

Das Interesse an der Entwicklung im Ort ist groß: Bei der Bürgerinformation zum Integrierten Städtbaulichen Entwicklungskonzept (ISEK) waren viele Besucher in die Jakobihalle gekommen. © Stephan Teine

Auch unabhängig von neuen privaten Eigenheimen will die Verwaltung die Wohnsituation verbessern. Dazu strebt sie nach Antrag der SPD-Fraktion im Südlohner Rat ein Wohnraumkonzept an. Um das zu finanzieren, wollte sie aber erst die Verabschiedung des Integrierten Städtebaulichen Entwicklungskonzepts abwarten. Das ist nun verabschiedet. „Wir wollen das Wohnraumkonzept als eines der ersten Projekte umsetzen“, erklärt Bürgermeister Christian Vedder. Damit soll ein Fachbüro beauftragt werden, dass dann die weitere Planung und Auswertung übernimmt. Bis 30. September kann die Gemeinde nun einen entsprechenden Förderantrag einreichen.

Das wurde negativ bewertet

Verkehrsanbindung: Wie auch die Südlohner sind die Oedinger mit dem Öffentlichen Nahverkehr nicht zufrieden. Zu wenige Busse, zu langer Takt, keine Busse am Wochenende oder in den Abendstunden. Die Kritikpunkte in Südlohn und Oeding decken sich. Michael Klüppels, Abteilungsleiter Verkehrsmanagement beim Regionalverkehr Münsterland (RVM) hatte zuletzt schon versucht, sie auszuräumen. Als Ortsteilverbindung sei der Bürgerbus gut geeignet. Für die weiteren Verbindungen gebe es – zumindest im Moment – keine ausreichende Nachfrage. Allerdings sei der RVM regelmäßig damit befasst, die Angebote der einzelnen Linien zu überarbeiten. Indiz dafür, dass die Standards passen, ist für ihn die Nutzung des Bürgerbusses: „Er ist der Bürgerbus mit der zweitstärksten Nachfrage im ganzen Münsterland“, sagt er. Und auch Herbert Schlottbohm, Vorsitzender des Bürgerbusvereins, erklärt, dass das Netz des öffentlichen Personennahverkehrs in Südlohn und Oeding besser ist, als sein Ruf. „Spätestens, wenn der geplante Baumwollexpress kommt, sind wir in Oeding sternförmig angeschlossen“, sagt er. Eine Verbesserung sei also in Sicht. Aber auch jetzt sei die Anknüpfung an den überregionalen Verkehr durch etliche Verbindungen am Tag geschaffen. „Das ist vielleicht gar nicht allen bekannt“, sagt er.

Verkehrsbelastung: Die Ortsumgehung, die Ortsumgehung und immer wieder die Ortsumgehung. Kein anderes Thema wurde in den Umfragebögen häufiger als Kritikpunkt für den Ortsteil an der Grenze genannt. Kein Wunder: Die aktuellen Planungen für die Straße, die den Oedinger Ortskern vom Durchgangsverkehr befreien soll, zieht sich seit 1997. Damals war das Thema wieder auf die Tagesordnung gekommen. Aber schon in den 1950er-Jahren waren erste Überlegungen zu einer Ortsumgehung gefasst worden, dann aber wieder über Jahre in der Schublade verschwunden. So lange aber der Verkehr weiter mitten durch den Ort fährt, liegen etliche Projekte aus dem ISEK auf Eis. Zum aktuellen Stand der Planung kann Bürgermeister Christian Vedder nichts neues sagen. Auch die zuständige Bezirksregierung Münster verweist auf den Stand aus vergangenem Oktober: Mit der Planfeststellung sei wahrscheinlich erst 2020 zu rechnen. Wann danach der erste Spatenstich für eine südliche Umleitung um den Ortskern erfolgen kann, ist wiederum ein ganz anderes Thema.

Der Verkehr auf der Winterswyker Straße bleibt der wunde Punkt des Ortsteils.

Der Verkehr auf der Winterswyker Straße bleibt der wunde Punkt des Ortsteils. © Stephan Teine

Familienfreundlichkeit: Vier von zehn Punkten. Ein eher maues Ergebnis für diesen Bereich. Auch in Oeding macht den Menschen die Qualität und Ausstattung der Spielplätze Sorgen. An der Zahl soll sich vorerst nichts ändern. Wie berichtet, hatten die Politiker im Stadtrat dafür gestimmt, die kleinen Quartierspielplätze zu erhalten – und den Gesamtetat somit auf alle Spielplätze zu verteilen. Auch die Angebote für Kinder und Jugendliche seien aktuell auf einem guten Stand. „Wir hatten noch nie so hohe Besucherzahlen wie in den letzten Wochen“, hatte Markus Wellermann, Leiter des Jugendwerks erklärt. Die Angebote im Jugendhaus Oase beispielsweise richten sich ausdrücklich an alle Kinder und Jugendlichen im Ort.

DIE BURG ALS KEIMZELLE

Erste Siedler gab es in Oeding schon in der Bronzezeit

Der Blick vom Burgturm auf den Burgring und die Kirche St. Jakobus. Das Bild ist um 1925 entstanden.

Der Blick vom Burgturm auf den Burgring und die Kirche St. Jakobus. Das Bild ist um 1925 entstanden. © Gemeindearchiv Südlohn

  • Funde deuten darauf hin, dass das Gebiet um Oeding schon in der Bronzezeit besiedelt war. Die Überreste der Urnen sind im Rathaus ausgestellt.
  • 13. Jahrhundert: Der Flecken Oeding taucht erstmals in Aufzeichnungen auf. Wahrscheinlich der holländische Ritter von Oeding hat die erste Burg gegründet, um die sich erste Häuser ansiedeln.
  • 1353: Bischof Ludwig II. von Münster kauft Burg, Hof, Mühle und Fischteiche
  • 1366: ein feindlicher Ritter besetzt die Burg. Bischof Florenz aus Münster zerstört sie vollständig.
  • 1372: Johann von Gemen baut die Burg wieder auf. Schnell siedeln sich dort Handwerker und Kaufleute an. Das Dorf Oeding entsteht.
  • 1555: Fürstbischof Wilhelm II. von Münster verkauft den gesamten Ort an Ambrosius von Viermund. Durch Erbschaft und Verkauf fällt Oeding an einen protestantischen Grundherren – seitdem gibt es im Ort die evangelische Gemeinde.
  • 1809: französische Zöllner besetzen die holländische Grenze und unterbinden den Handel. Schleichhandel und Schmuggel werden so gefördert.
  • 1812: Nach der Niederlage Napoleons fallen die westfälischen Länder an Preußen.
  • 1816: Der Kreis Ahaus wird gegründet.
  • bis 1883: Südlohn und Oeding bilden mit den Bauerschaften Nichtern und Eschlohn ein Amt.
  • ab 1883: Oeding wird dem Amt Stadtlohn angegliedert.
  • Am 1. Juli 1969 werden die beiden bis dahin amtsangehörigen Gemeinden Südlohn und Oeding zur amtsfreien Gemeinde Südlohn zusammengelegt.
(Quelle: Heimatverein Oeding; Die komplette Geschichte der Ortsteile haben die Heimatvereine Südlohn und Oeding umfangreich online aufgearbeitet.)