Notfallseelsorger wie Robert Wobbe kümmern sich um die Erste Hilfe für die Seele

© Stephan Teine

Notfallseelsorger wie Robert Wobbe kümmern sich um die Erste Hilfe für die Seele

rnNach Unglücksfällen

35 Notfallseelsorger kümmern sich im Kreis Borken um die Betreuung von Unfallopfern, Angehörigen und Zeugen. Ein Angebot, das auf immer breitere Akzeptanz stößt.

Südlohn

, 25.12.2018, 12:00 Uhr / Lesedauer: 2 min

Seit 18 Jahren gibt es die Notfallseelsorger im Kreis Borken. Und seit 18 Jahren hängt auch bei Robert Wobbe die leuchtend-lila Einsatzjacke im Schrank. Wie oft er seitdem ausgerückt ist, hat er nie gezählt. „Wir sind immer da, wenn wir gebraucht werden“, sagt er. Mit „Wir“ meint er die Gruppe von momentan 35 ehrenamtlichen Frauen und Männern, die rund um die Uhr an 365 Tagen im Jahr für den Ernstfall bereitstehen.

Gut über 100 Einsätze verzeichnen sie pro Jahr. Einsätze, bei denen sie von der Polizei oder Feuerwehr dazu gerufen werden, um Verletzten, Angehörigen oder Zeugen von Notfällen oder Unglücken Beistand zu leisten, damit die den ersten Schock überwinden können.

Von echten Fällen will er auf keinen Fall sprechen. Da fühlt er sich an den Datenschutz und seine Schweigepflicht gebunden. Aber er erzählt von der Dankbarkeit und Offenheit, die ihm im Ernstfall immer wieder begegnen. „Dass jemand unser Angebot nicht annimmt, kommt auch vor, ist aber extrem selten“, erklärt der Diakon.

Gründung nach der ICE-Katastrophe in Enschede

Seelsorge – hat die denn heute überhaupt noch ihren Platz? Schließlich sind die Kirchen ja abseits der großen Feiertage meist leer. „Die Betreuung, die wir leisten, kann man ja nicht mit der konfessionellen Seelsorge in der Kirche gegenüberstellen“, sagt Robert Wobbe und sein sonorer Bass wird noch ein paar Töne tiefer. „Menschen in Notfällen befinden sich in einer Extremsituation“, erklärt er. „Als Notfallseelsorger übernehmen wir deren Betreuung. Sind einfach nur da und ansprechbar, versuchen Trost zu spenden.“ Ob das durch ein Gebet, ein Gespräch oder einfach nur eine Schulter zum Anlehnen geschehe, sei ganz davon abhängig, was der Mensch vor Ort brauche. Da sei jeder Einsatz ganz verschieden.

Robert Wobbe (54) hat die Notfallseelsorge im Kreis Borken mit aufgebaut und koordiniert sie.

Robert Wobbe (54) hat die Notfallseelsorge im Kreis Borken mit aufgebaut und koordiniert sie. © Stephan Teine

Gegründet wurde die Notfallseelsorge im Kreis Borken kurz nach der ICE-Katastrophe von Eschede 1998. „Weil man erkannt hatte, dass im Ernstfall eine professionelle Begleitung fehlt“, so Robert Wobbe. Seither wächst die Zahl der Ehrenamtlichen und auch die Zahl der Einsätze. „Die Akzeptanz des Angebots wird immer größer“, sagt er. Auch weil die Hilfsorganisationen erkennen, dass sie durch die Notfallseelsorger vor Ort entlastet werden. Keiner der Ehrenamtler wird dabei einfach so in den Einsatz geschickt.

Zweigeteilte Ausbildung vor dem Ernstfall

Einige Hürden liegen zwischen der Idee zu helfen und der ersten Alarmierung: zunächst ein ausführliches Gespräch. „Wir wollen wissen, wer sich meldet. Und warum“, erklärt Robert Wobbe. Dem ersten Ernstfall geht eine zweigeteilte Ausbildung voraus: Erst ein theoretischer Grundlagenkurs an sechs Wochenenden. Inhalte sind Psychologie und Gesprächsführung. Dann folgt ein Zwischengespräch und schließlich eine einjährige Begleitungsphase. In dieser Zeit nehmen die neuen Notfallseelsorger an den Treffen teil und begleiten erfahrene Kräfte.

Auch ein Praktikum bei den Rettungsdiensten ist eingeplant. „Damit man sich gegenseitig kennenlernen kann und weiß, wovon der andere im Zweifel spricht“, erklärt Wobbe. Es gibt klare Regeln für die Notfallseelsorger: Sie sind keine Psychotherapeuten. Sobald ein anderer ihre Stelle einnehmen kann, sei es ein Verwandter oder Freund des Betroffenen, treten sie zurück. Auch die langfristige Therapie müsse jemand anderes übernehmen.

Kreisleitstelle alarmiert die Notfallseelsorger

„Wir sind für den akuten Moment da. Wenn die Menschen wieder stabil werden, endet unser Einsatz“, erklärt Robert Wobbe. Auch kann man die Notfallseelsorger nicht selbst rufen: „Wir werden von der Kreisleitstelle alarmiert. Immer. Ohne Ausnahme“, erklärt Wobbe, „Und wir rücken wieder ab, wenn wir das Gefühl haben, dass der Betroffene wieder handlungsfähig wird.“

Robert Wobbe hofft auf friedliche Weihnachten. Darauf, dass er und seine ehrenamtlichen Mitstreiter nicht in den Einsatz müssen. „Aber“ – und das sagt er mit einer kleinen Pause und einem vielsagenden Blick – „Feiertage haben, was Notfälle angeht, eben ihren ganz eigenen Charme.“

Interessierte, die selbst Notfallseelsorger werden wollen, sollten mindestens Ende 20 oder Anfang 30 sein und Lebenserfahrung haben, wie Robert Wobbe es nennt. Ansprechpartner dafür sind Pfarrerin Alexandra Hippchen, Tel. (0157) 71 83 61 30 oder Diakon Robert Wobbe, Tel. (0160) 90 86 04 62. Sie koordinieren gemeinsam und konfessionsübergreifend den Einsatz der Notfallseelsorger im Kreis Borken. www.notfallseelsorge-muensterland.de
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