„Die Postkarte hat den Höhepunkt ihres Produktlebenszyklus‘ überschritten, und sie wird zunehmend von neueren, moderneren Produkten verdrängt“, schreibt das Internetlexikon Wikipedia. Maria Eßeling kann darüber nur den Kopf schütteln. Und lässt Zahlen sprechen: Mehr als 1000 Postkarten hat sie bis heute erhalten, an fast ebenso viele Menschen welche verschickt. Eines wird klar, wenn man der Südlohnerin so zuhört, wie sie ihr Hobby beschreibt: Es macht ihr richtig Spaß.

Post aus der ganzen Welt
Auf die Frage, was ihr besonders gefällt, antwortet sie sofort: „Ich kann so um die ganze Welt reisen und muss mein Zuhause noch nicht mal verlassen“, sagt sie mit einem kleinen Augenzwinkern und erklärt, dass sie seit fünf Jahren Postcrosserin ist.
Begonnen in Corona-Zeiten
Angefangen hat alles in Corona-Zeiten. „Man hatte ja sehr viel Zeit und meine Tochter hat mich auf dieses Hobby aufmerksam gemacht“, erinnert sich die 70-Jährige. „Sie meinte damals, das würde zu mir passen. Also erklärte sie mir, was es mit der Online-Plattform Postcrossing auf sich hat, richtete mir alles am Computer ein und los ging es auch schon“, erzählt Maria Eßeling und erläutert das Prinzip Postcrossing.

„Also Postcrosser sind Menschen, die Postkarten an andere Menschen verschicken, die sie nicht kennen“, so die Südlohnerin. Die Adresse werde über die Plattform postcrossing.com zufällig ausgewählt und per Mail mit Link auf ihr Internet-Profil sowie Identifikations-Code mitgeteilt. Vorher könne man allerdings einige Voreinstellungen vornehmen, wie zum Beispiel in welche Länder man Karten schicken möchte und dass Brieffreundschaften nicht erwünscht seien.
Aber zurück zu der ausgewählten Person und der zugesandten Adresse. „Dieser Person schreibt man dann also eine Karte“, beschreibt sie die weitere Vorgehensweise. Der ID-Code werde auf der Karte vermerkt, damit ihn der Empfänger, mit einem Dankeswort, auf der Website von postcrossing.com registrieren kann. „Danach erhält man dann auch Adressen zugeteilt. Der Kreislauf schließt sich“, meint sie lächelnd, nicht ohne darauf hinzuweisen, dass man bei der Plattform sehr sorgsam mit den Daten der Nutzer umgehe. „Deswegen auch der Code“, so Maria Eßeling.
Neueste Karte aus den USA
Erst heute hat sie wieder eine Postkarte aus dem Briefkasten gefischt. Sie kam aus den USA. „Die erste Karte, die ich selbst verschickt habe, ging nach Juist“, erzählt sie. Die längste Distanz, die eine Karte an sie zurückgelegt habe, seien 18.517 Kilometer gewesen. „Die kam aus Neuseeland“, erzählt sie und weiter: „Die Karte mit der kürzesten Entfernung kam aus den Niederlanden. Das waren 37 Kilometer.“
Die meisten Karten habe sie aus Deutschland und den USA bekommen – und auch in diese Länder verschickt. „Hier sind auch die meisten Menschen aktiv“, weiß sie zu berichten. Auch in Russland seien viele Menschen Postcrosser. In den afrikanischen Ländern sei das Hobby dagegen nicht verbreitet.
Das Interessante für die gelernte Industriekauffrau sind an ihrem Hobby mehrere Aspekte. So sei Postcrossing eine geniale Verbindung von digitaler und analoger Welt. „Auch junge Leute entdecken so das Postkartenschreiben für sich“, schwärmt Maria Eßeling. „Ich gehöre ja schon zu den älteren, die das betreiben.“
Zum anderen tauche man so in fremde Welten ein und lerne auch noch viel. „Sobald ich nicht genau weiß, wo die Karte herkommt, google ich das und lese etwas über das Land.“ Stundenlang könne sie das machen. „Da vergesse ich die Zeit um mich herum“, gibt sie zu.
Was sie zudem schätzt, ist der sehr freundliche, manchmal sogar liebevolle Umgang miteinander. Viele Teilnehmer erzählen von sich, wo sie wohnen, was sie tun oder informieren den Empfänger über ihre Gegend. Die wenigsten begnügen sich mit der Floskel „Happy Postcrossing“, ähnlich wie früher „Viele Grüße“. Da die Auswahl, an welchen Empfänger man schreiben kann, nicht zu beeinflussen ist, kommt man so gut wie nie mit einem Postcrosser ein zweites Mal in Kontakt.
In Hochphasen 40 Karten
In Hochphasen schreibt die Südlohnerin bis zu 40 Karten, zuweilen sind es auch keine. Letztes Jahr war mal so eine Hochphase. „Das war vor meiner Goldhochzeit im Oktober“, erinnert sie sich. Damals tat sie auf der Online-Plattform kund, dass sie in ein paar Wochen ihr 50-jähriges Ehejubiläum feiern würde und sich auf viele Glückwünsche aus der ganzen Welt freuen würde.
„Und die kamen“, sagt sie glücklich und holt ein Album heraus. „Darin habe ich die ganzen Glückwünsche nach Ländern geordnet eingepflegt“, erzählt die Südlohnerin weiter und zählt dann die Herkunftsländer auf: „Macao, Hawaii, Vietnam, Thailand, Finnland und so weiter.“
Briefmarken für Bethel
Auch wenn Maria Eßeling ob der Kartenflut kaum dazu kommt, ältere Exemplare in Ruhe anzuschauen, hat sie doch ein paar Lieblinge. „Ich mag Motive mit den zwei alten Frauen von Inge Löök“, erklärt sie und holt einen Stapel Karten mit unterschiedlichsten Motiven von diesen Frauen heraus. „Die Bilder bereiten mir einfach Freude.“
Freude, die sie auch empfindet, wenn sie die vielen Briefmarken, die auf den Postkarten kleben, spenden kann. „Die sammele ich für die Bodelschwinghsche Stiftung Bethel“, sagt sie. Warum? „Mir reichen die Karten. Mit den Briefmarken kann ich anderen eine Freude bereiten.“