In Großbritannien wurde zu Monatsbeginn Benzin knapp, weil die ausländischen Tankwagenfahrer das Land verlassen mussten.

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Mangel an Berufskraftfahrern: Deutschland drohen britische Verhältnisse

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Leere Supermarktregale, lange Schlangen vor den Tankstellen: Die Bilder aus Großbritannien könnte es mittelfristig auch in Deutschland geben, warnt das Logistikunternehmen Westrans aus Oeding.

Südlohn

, 22.10.2021, 17:30 Uhr / Lesedauer: 2 min

Der Brexit hat in Großbritannien Spuren hinterlassen. Weil die osteuropäischen Berufskraftfahrer das Land nach dem Austritt aus der EU verlassen mussten, fehlen die Fachkräfte jetzt auf der Insel. Die Auswirkungen waren in den Abendnachrichten zu sehen. Tankstellen ging das Benzin aus, in den Supermärkten waren manche Produkte nicht mehr verfügbar. Ohne die ausländischen Fahrer regiert der Mangel auf der Insel.

„Was in Großbritannien passiert ist, war zu erwarten“, sagt Manfred Robers, Geschäftsführer der Spedition Westrans aus Südlohn-Oeding. Aber gilt das auch für Deutschland? Einen Mangel an Berufskraftfahrern gibt es bekanntermaßen auch hierzulande, wenngleich ein Austritt aus der EU nicht zu erwarten ist.

Immer weniger LKW-Fahrer

„Die Demografie spielt uns nicht in die Karten“, verweist Manfred Robers auf ein Problem, das bei weitem nicht nur die Logistikbranche plagt. Das belegen auch die Zahlen: Laut Bundesagentur für Arbeit ist fast ein Drittel der Fahrer über 55 Jahre alt, unter 25 Jahren sind es nicht einmal drei Prozent. Und schon jetzt fehlen zwischen 45.000 und 60.000 Berufskraftfahrer in Deutschland, haben der Bundesverband Güterkraftverkehr, Logistik und Entsorgung (BGL) und der Bundesverband Spedition und Logistik (DSLV) berechnet. Als ob das nicht reichen würde, steigt die zu befördernde Warenmenge kontinuierlich an.

Bedeutet das am Ende britische Verhältnisse in Deutschland? „Ich sehe das schon so, dass wir eine Situation wie in Großbritannien bekommen werden“, erklärt Hendrik Kemper, bei Westrans für Marketing und Unternehmenskommunikation zuständig. Das werde aber zeitversetzt und aus anderen Gründen – Demografie und steigende Nachfrage – passieren.

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„Es spricht alles dagegen, dass sich die Situation entspannt“, so Hendrik Kemper weiter. Westrans kämpft trotzdem gegen den Trend an uns setzt dabei vor allem auf die Mitarbeiter. „Wir haben erkannt, dass sie das wichtigste im Betrieb sind“, fügt Manfred Robers an. „Wir müssen den Kraftfahrern möglichst attraktive Bedingungen bieten, um uns abzusetzen.“

Geld ist nicht alles

Unter attraktiven Bedingungen ist dabei nicht nur Geld zu verstehen. Der Westrans-Chef verweist auf eine Studie, nach der Fahrer erst ab einem Gehaltsunterscheid von 15 Prozent bereit seien, den Arbeitgeber zu wechseln.

Ausschlaggebend sind vielmehr die weichen Faktoren. Manche Mitarbeiter wollten ein- oder zweimal die Woche zu Hause, andere lieber durchgehend unterwegs sein. „Darauf können wir aufgrund unserer Struktur glücklicherweise eingehen“, erklärt der Geschäftsführer. 90 Prozent der Touren seien national, der Rest in den Benelux-Ländern und der Schweiz.

Ärgert sich über das schlechte Image des Kraftfahrer-Berufs: Westrans-Geschäftsführer Manfred Robers.

Ärgert sich über das schlechte Image des Kraftfahrer-Berufs: Westrans-Geschäftsführer Manfred Robers.

Aber auch die Arbeit selbst ist eine andere: Das Klischee vom kettenrauchenden Marlboro-Cowboy hinter dem Lenkrad sei überholt. Auch gehe es nicht darum, Ware schlicht von Laderampe zu Laderampe zu transportieren. „Der Stellenwert der Fahrer ist ein anderer. Sie werden mehr eingebunden, das verlangen auch unsere Kunden.“

Das Image ist das Problem

Das Problem aber sieht Manfred Robers im negativen Bild des Berufskraftfahrers in der Öffentlichkeit. Das wirkt nicht nur auf potenzielle Auszubildende abschreckend, sondern auch auf die in der Branche stark unterrepräsentierten Frauen. Das fange bereits bei den Anzeigenmotiven an, auf denen ausschließlich Männer zu sehen sind.

Immerhin: Derzeit erlernen zehn Auszubildende den Beruf des Kraftfahrers bei Westrans. Die kommen häufig aus Familien, in denen der Onkel oder der Vater bereits hinter dem Lenkrad sitzt. Aber es könnten gerne mehr sein, meint Hendrik Kemper: „Wir bekommen es derzeit noch hin, aber mittelfristig wird es schwierig.“ Dann drohen auch bei uns britische Verhältnisse.