Leichenfunde und Schießereien Silvana Schmidt aus Südlohn arbeitet im Sicherheitsdienst

Leichenfunde und Schießereien: Silvana Schmidt arbeitet im Sicherheitsdienst
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Zwischen Wunsch und Wirklichkeit ist in vielen Berufen jede Menge Platz. „Die stehen doch nur herum und werden fürs Nichtstun auch noch bezahlt“ – das denken viele über Sicherheitsmitarbeiter. „So ist es ja nicht in Wirklichkeit“, sagt Silvana Schmidt. Die 35-Jährige arbeitet seit ihrem 18. Lebensjahr in dieser Branche.

Silvana Schmidt und Schäferhündin Sina
Mit 18 Jahren hat Silvana Schmidt als Diensthundeführerin in der Sicherheitsbranche angefangen. Ihr erster Hund war eine Schäferhündin namens Sina. © privat

Momentan ist sie bei einer Firma im Kreis Borken im bewaffneten Werkschutz angestellt. Ihr Arbeitgeber arbeite in einem sensiblen Bereich, erzählt sie noch. „Mehr darf ich nicht sagen“, ergänzt sie.

Denn die Realität sieht anders aus: „Wenn wirklich etwas passiert, müssen wir den Kopf hinhalten und riskieren unser Leben für die Sicherheit anderer.“ Sie muss es wissen, schließlich arbeitet sie seit mittlerweile über 15 Jahren in der Branche. Zunächst im Ruhrgebiet. Jetzt im Kreis Borken.

„Vorher habe ich eine Lehre als Erzieherin bzw. in der Kinderpflege gemacht“, erinnert sie sich. Die Ausbildung sei nicht ihr Ding gewesen. Sie habe diese nach einem Jahr abgebrochen. Danach ging es zur Bundeswehr. Dort fing sie eine kaufmännische Ausbildung an. Schnell merkte Silvana Schmidt, dass auch dieses nicht „ihr Ding“ ist. „Was nun?", fragte sie sich und dachte an ihren Vater.

Dieser arbeitet im Werkschutz. „Ich war von dieser Arbeit schon immer fasziniert“, meint sie. Also machte sie in ihren Osterferien eine Sachkundeprüfung nach 34a. „Das ist ein Nachweis darüber, ob eine Person für die Aufgabe in der Sicherheitsbranche über das notwendige Wissen verfügt“, erklärt die 35-Jährige. Als sie dann 18 Jahre geworden sei – vorher ist es gesetzlich nicht möglich – sei sie in die Sicherheitsbranche eingestiegen. „In der Firma, für die auch mein Vater tätig war“, erinnert sie sich.

Ein Hund an Gleisen. Eine Eisenbahn.
Als Diensthundeführerin war Silvana Schmidt zunächst im Ruhrgebiet tätig. Auch für die Deutsche Bahn. © privat

Damals arbeitete sie zunächst im Objektschutz. Mit Diensthund. Teamarbeit ist im Sicherheitsdienst das Wichtigste, erklärt sie und weiter: „Ich muss mich zu 100 Prozent auf meine Kollegen verlassen können, sonst kann es gefährlich werden, auch für mich.“ In ihrer Anfangsphase habe sie da einige schlechte Erfahrungen gemacht. Die Folge: Als Diensthundeführerin war ihr Lieblingskollege ihr Hund. „Auf den konnte ich mich immer verlassen. Immer. Das war bei meinen menschlichen Kollegen nicht immer der Fall.“ Mittlerweile arbeitet sie ohne Hund. „Leider", wie sie sagt.

Aber zurück zur Anfangsphase im Ruhrgebiet. Neben dem Objektschutz war sie hier auch längere Zeit bei der Deutschen Bahn beschäftigt. Unter anderem begleitete sie Zugfahrten als Sicherheitsmitarbeiterin. „Wir sind dann durch die Züge gelaufen während der Fahrt oder haben abends an den Gleisen die stehenden Wagen kontrolliert“, erklärt sie. Da habe sie jeden Tag etwas erlebt. An zwei Ereignisse erinnert sie sich besonders.

In Schießerei geraten

Ganz am Anfang sei sie nach einer Schicht nach Hause gelaufen. Vor dem Bahnhof sei sie dann in eine Schießerei geraten. „Ich habe meinen Hund Sina geschnappt und wir haben uns unter einen Wagen verkrochen, bis es vorbei war“, gibt sie zu. Noch prägender war ein Erlebnis während einer Fahrt mit der Bahn. „Quasi am Ende der Schicht standen wir vorne beim Lokführer“, erinnert sie sich. Irgendwann habe man ein komisches Geräusch gehört. „Ein regelmäßiger dumpfer Schlag, den wir alle nicht einordnen konnten. Aber das Geräusch werde ich nicht vergessen“, erklärt sie.

Der Zug sei dann irgendwann in einen Bahnhof eingefahren. „Wir haben gesehen, wir einige Menschen direkt Fotos mit ihren Handys gemacht haben. Von der Front des Zuges.“ Sie seien also alle raus und hätten dann die Ursache für das Geräusch gesehen. Ein Arm war vorne am Rad eingeklemmt. „Sofort wurde die Strecke gesperrt. Alles untersucht.“ Ein paar Wochen später habe es wieder so einen sogenannten Personenschaden gegeben. „Damals mussten wir die Körperteile auf der Strecke einsammeln. Heutzutage machen das andere“, erzählt sie.

Psychologische Betreuung

Zum Glück gebe es eine gute Betreuung durch Psychologen, ansonsten könne man diese Arbeit nicht auf Dauer aushalten. „Ich habe schon viele erlebt, die an der Arbeit kaputtgegangen sind“, erklärt sie und meint das nicht nur im mentalen Sinn. „Ich habe ja schon öfter meinen Job gewechselt. Ich weiß aber, dass von den Kollegen bei einer meiner früheren Firmen viele nicht mehr leben. Die sind im Dienst gestorben.“

So eine brenzlige Situation habe sie noch nicht durchgemacht. Allerdings gab es mal eine Situation, in der sie ihre Eltern angerufen habe und eines gesagt habe: „Ich weiß nicht, ob ich heute Abend wiederkomme. Ich habe euch lieb.“ Damals habe sie als Sicherheitsmitarbeiterin eine Abifete betreut. Im Ruhrgebiet. Es sei dort zu einem Amoklauf gekommen. Die Sache war unübersichtlich.

Vielleicht auch ein Grund, warum sie den Arbeitsplatz noch einmal gewechselt hat. „Jetzt bin ich im Werkschutz tätig. Im Schichtdienst. Alles ist vom Gefahrenpotential besser einschätzbar. Nicht so unberechenbar“, sagt sie. Das meint auch ihr Mann Manuel. Der Mitarbeiter der Deutschen Bahn kennt die Geschichten seiner Frau und meint: „Hätte ich damals schon mit ihr zusammengelebt, hätte ich keine ruhige Minute gehabt. Zumal wir jetzt ja auch ein Kind bekommen.“

Aus diesem Grund arbeitet Silvana Schmidt auch zurzeit nicht. „Berufsverbot. Zu gefährlich“, erläutert sie. Und trotzdem: Sie freut sich schon, wenn sie wieder arbeiten kann. „Ich liebe diese Arbeit. Ich sorge dafür, dass andere Menschen sich sicher fühlen können.“

Diesen Artikel haben wir am 25. August 2024 veröffentlicht.