„Wir brauchen Dich!“ Die Ansprache in den Stellenausschreibungen, die das Familienzentrum Südlohn jüngst auch über die Sozialen Medien geschaltet hat, kann durchaus auch als kleiner „Hilferuf“ gedeutet werden. Dabei ist das Gefühl, gebraucht zu werden, doch eigentlich ein besonderer Ausdruck von Wertschätzung. Ein Ruf, der nicht nur in Südlohn und Oeding immer lauter wird. Händeringend wird Fachpersonal gesucht, um dem eigentlichen Bildungsauftrag der Kitas gerecht werden zu können.
Die Echo war deutlich leiser, wie Verbundleiter Dieter Bonhoff auf Nachfrage zu berichten weiß. Noch könne der Bedarf zwar gedeckt werden, es sei aber alles auf Kante genäht. Auf das letzte Mittel, die Reduzierung der Öffnungszeiten – so wie mancherorts schon geschehen –, müsse noch nicht zurückgegriffen werden.
Ohne eine verlässliche Kita-Betreuung geht die Vereinbarkeit von Familie und Beruf nur auf dem Papier. Heutige Familienmodelle sind andere als noch vor Jahrzehnten. Doch was ist, wenn die Betreuung nicht mehr wie gewünscht sichergestellt werden kann?
Dieter Bonhoff kennt die Sorgen der Eltern, kennt die „verschreckten Gesichter“ der Mitglieder des Elternbeirats, wenn sich kreative Ideen nicht umsetzen lassen. Oder wenn man ihnen einen Blick hinter die komplexen Kulissen des Systems gewähre.
Planung konnte umgesetzt werden
Schon bei der Planung des Kindergartenjahrs 2023/24 war abzusehen, dass die Kapazitäten an Räumen und Plätzen ausreichen. Dies, obwohl der Bedarf an Kindergartenplätzen auch in Südlohn und Oeding steigt. Immer mehr Kinder gehen immer früher in die Kita, rund 87 Prozent der Eltern buchen 35 und mehr Wochenstunden für ihr Kind.
Dadurch erhöht sich nicht zuletzt auch die Qualität der Betreuung, die Anforderung ans Personal. Und dort liegt die Krux: Schon bei Bekanntgabe der Zahlen für das laufende Kindergartenjahr hatte Dieter Bonhoff angemerkt, dass die Planung zunächst „unter Vorbehalt“ stehe.
„Wir haben es zum 1. August hinbekommen“, berichtet der Verbundleiter nun. Und schiebt das große Aber hinterher: Über den Sommer fielen wieder Fachkräfte aus, zum Beispiel aufgrund von Schwangerschaften. „Diese Erzieherinnen dürfen wir dann umgehend nicht mehr beschäftigen“, erklärt Dieter Bonhoff. Eine der Folgen: Es wurden wieder Stellen ausgeschrieben – auch Vollzeitstellen.
Mit überschaubarem Erfolg: „Es kommt eine Bewerbung auf 6, 7 freie Stellen. Die Bewerber können es sich heute quasi aussuchen, haben natürlich entsprechend immer mehr Eisen im Feuer“, betont Dieter Bonhoff. Dabei wird den Bewerbern einiges in einem spannenden Arbeitsfeld geboten, wie ein Blick in die Stellenausschreibungen belegt.
Bei 431 angemeldeten Kindern (Vorjahr 420) sind auch die sogenannten Kindpauschalen zum laufenden Kindergartenjahr gestiegen, auf dieser Grundlage wird auch der Personalbedarf bemessen. In Trägerschaft der Kath. Kirchengemeinde St. Vitus und St. Jakobus befinden sich fünf Einrichtungen, darunter auch der Kindergarten St. Vitus. Diese Kita hatte den spürbarsten Anstieg von 94 auf 104 Kinder zu verzeichnen.
Schon im Frühjahr hatte Dieter Bonhoff den bangen Blick auf die Anmeldungen zum nun laufenden Fachschuljahrgang geworfen. Viel geändert habe sich nicht, es gibt sogar weniger Ausbildungsklassen. Das sei schon „dramatisch“ und stimme ihn nachdenklich. „Das bedeutet auch, dass wir wahrscheinlich 2026 auch nicht mehr junge Erzieher haben werden“, unkt Dieter Bonhoff mit Blick auf den dreijährigen Ausbildungszyklus. Und bei dieser Jahreszahl schrillen bei vielen die „Alarmglocken“, der Rechtsanspruch auf einen Ganztagsplatz in der Grundschule wird die Situation insgesamt nochmals deutlich verschärfen.
Keine Frage: Auch Dieter Bonhoff freut sich über die große Unterstützung durch Ehrenamtliche, durch Alltagshelfer. Aber auch dort stecke Aufwand dahinter: „Es gibt Schutzkonzepte, wir müssen Präventionsschulungen durchführen“, erklärt er. Dieter Bonhoff lenkt den Blick wieder weiter in Richtung Fachpersonal und Bildungsauftrag. Wenn die Kita bei den Planstellen im Mindersoll liege, müssten Vorschläge unterbreitet werden, wie man dieses zu kompensieren gedenke. „Wir reden am Ende auch über die Betriebserlaubnis“, so Bonhoff.
Mehr 10.000 Erzieher fehlen landesweit
Die Zahlen sind dramatisch: Insgesamt fehlen landesweit mehr als 10.000 Erzieherinnen und Erzieher. Der ohnehin herrschende Personalmangel in vielen Kitas verschärft sich aktuell noch mehr, weil nun auch noch Krankheitswellen dazu kommen. Die Forderung nach mehr Geld geht parallel einher, auch sonst müssten politisch mehr Anreize gesetzt werden. Viele Kitas müssen sogar zeitweise schließen oder reduzieren deswegen ihre Öffnungszeiten.
Dieser Weg wird zum Beispiel gerade in Münster intensiv diskutiert, um der Lage Herr zu bleiben. Dort sollen die Betreuungszeiten für neue Kita-Kinder gekürzt werden: von 45 auf 35 Stunden wöchentlich. In Ausnahmefällen soll es weiterhin eine Betreuung von bis zu 45 Stunden geben. Zum anderen sollen sich mehr Menschen leichter auf eine Stelle in den Kindertagesstätten bewerben können: zum Beispiel aus anderen pädagogischen Berufen.
Eine Kürzung von Öffnungszeiten hieße in letzter Konsequenz, auch Eltern müssten ihre Ansprüche „zurückbuchen“ – und das wirke sich maßgeblich eben auf den Einklang von Familie und Beruf aus. So weit ist man in Südlohn und Oeding noch nicht. Für Dieter Bonhoff ist dieses „das letzte Mittel“, er hat die aktuelle Entwicklung aber fest im Blick, übernimmt auch eine Verantwortung dem aktuellen Personal gegenüber. „Die Entwicklung verheißt nichts Gutes“, wiederholt er sich. Und das in einem Beruf, der eigentlich eine Berufung ist und für den man eigentlich brennen sollte…