
© Michael Schley
Gegen das Vergessen: Digitale Stolpersteine erinnern an Opfer der NS-Zeit
Jüdische Schicksale
20 jüdische Bürgerinnen und Bürger aus Südlohn – darunter auch Kinder – wurden im Zweiten Weltkrieg deportiert und ermordet. An ihre Schicksale erinnern Stolpersteine. Nun auch per App.
Franz-Josef Rickers holt sein Smartphone aus der Tasche, mit nur wenigen „Klicks“ erhält er das gewünschte Ergebnis: Er erfährt, dass an seinem Standort, Kirchstraße 38, insgesamt sechs Stolpersteine verlegt sind. Möglich macht dies die WDR-App „Stolpersteine NRW“. Die App und eine begleitende Website machen die Schicksale hinter gut 15.000 Stolpersteinen in NRW digital abrufbar. Und nun auch die hinter den 21 Stolpersteinen, die in Südlohn verlegt sind.
„Am besten geht man über die Listenansicht.“ Franz-Josef Rickers vom „Arbeitskreis für Toleranz gegen Rechtsextremismus und Gewalt“ hat sich mit der neuen App schon beschäftigt. „Die gibt es nun auch für Android-Smartphones“, betont er. Und somit wird diese einer breiten Öffentlichkeit zugänglich gemacht.
Die App führt den Nutzer aber nicht nur zu den Stolpersteinen in NRW. Die Steine in Südlohn zum Beispiel sind auch mit weiteren Informationen zur Geschichte dahinter, zu den Biografien der Opfer des Nationalsozialismus, hinterlegt. „Für die Pflege der Daten haben sich vor allem Manfred Schmeing und unser Gemeindearchivar Ulrich Söbbing eingesetzt“, erklärt der Gewinner des Ehrenamtspreises der Gemeinde Südlohn 2021. Basis war die Dokumentation, die jährlich auch zu den Gedenkfeiern am 9. November verlesen wird.
WDR hat 2020 die Initiative zur App ergriffen
Die Initiative hatte der WDR selbst ergriffen. „Er ist wohl über unsere Homepage oder auch unsere Facebookseite auf uns aufmerksam geworden“, berichtet Franz-Josef Rickers. Seit rund 20 Jahren gibt es den Arbeitskreis bereits, nur wenige Jahre nach der Gründung hatte der Aktionskünstler Gunter Demnig aus Köln dort, wo jüdische Einwohner und auch Pater Elpidius, die durch das NS-Regime im „Dritten Reich“ umgebracht wurden, in Südlohn wohnten, die Stolpersteine ins Pflaster eingelassen.
Jedes Jahr vor dem 9. November lädt Franz-Josef Rickers Jugendliche für eine Putzaktion zu den Stolpersteinen ein. Auch sonst sei die Zusammenarbeit mit dem Jugendwerk sehr gut. „Wir tagen ja auch in den Jugendhäusern. Leider ist das aktuell kaum möglich“, kennt Rickers die Einschränkungen aufgrund der Corona-Lage.
Gerne würde der Arbeitskreis schon bald die nächste „Fahrt gegen das Vergessen“ organisieren. Nach zwei Fahrten zur Villa ten Hompel nach Münster und nach Aalten zum Onderduikmuseum machte Corona den weiteren Planungen vorerst einen Strich durch die Rechnung. „Das wollen wir aber so schnell wie möglich fortsetzen, vielleicht auch weiteren Interessierten die Möglichkeit der Teilnahme anbieten“, meint Franz-Josef Rickers.

Insgesamt über 15.000 Stolpersteine sind in NRW in der App hinterlegt. Einen Zugang zu dieser Plattform gegen das Vergessen finden Interessierte auch über die Homepage. © Michael Schley
30 respektive 20 Jugendliche hatten an den ersten beiden Fahrten teilgenommen. Dies alles organisiere der Arbeitskreis vor allem aus dem Grund, die Jugendlichen für das Thema zu sensibilisieren. Gegen das Vergessen bedeute für die Mitglieder des Arbeitskreises, dafür Sorge zu tragen, ein Geschichtsbewusstsein zu entwickeln, damit „so etwas nie wieder passiert“.
Insbesondere die junge Generation wird sensibilisiert
Natürlich spreche die App eben auch diese jüngere Generation an. „Wir verschließen uns den Entwicklungen natürlich nicht“, erklärt Franz-Josef Rickers. So habe man zum 9. November 2021 auch erstmals alternativ eine Multimedia-Präsentation vorbereitet.
Auch weitere Projekte halte man im Blick. So wolle man noch eine Veranstaltung „nachholen“, die im vergangenen Jahr coronabedingt nicht möglich gewesen war.
Am 10. Dezember genau vor 80 Jahren waren Südlohner Juden deportiert worden, überwiegend nach Riga.
2021 war zudem auch das Jubiläumsjahr zu 1700 Jahre jüdisches Leben in Deutschland. Diese lange Geschichte jüdischen Lebens in Deutschland war in der düsteren Epoche des Dritten Reiches jäh durchbrochen worden und habe seinen Höhepunkt in der Reichspogromnacht am 9. November 1938 gefunden.
Inhalte und Funktionen werden nachgepflegt
Mit der neuen App setze man einen weiteren Baustein, eben die Erinnerung wachzuhalten. Franz-Josef Rickers sieht aber noch Verbesserungspotenzial. „Es werden noch nicht alle Stolpersteine ortsscharf angezeigt“, meint er beim Betrachten der interaktiven Karte in der App. „Da gehen wir noch mal ran.“
Übrigens: Auf der Internetseite (www.stolpersteine.wdr.de) kann man auch am PC auf einem größeren Bildschirm ortsunabhängig in der Datenbank recherchieren.