Flucht nach vorn mit Haifisch-Technik Kinder stärken ihr Selbstbewusstsein

Flucht nach vorn mit Haifisch-Technik: Dojoteam stärkt Kinder für Schule und Alltag
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„Weg!“ Es ist der Überraschungseffekt, der Lazar den Weg durch zwei Jugendliche bahnt, die sich ihm in den Weg stellen. Der Zweitklässler bedient sich dabei der sogenannten Haifisch-Technik – erfolgreich, wie sich zeigt. Die beiden „Jugendlichen“ sind Lehrerin Maria Woltering und Olaf Schawe. Gemeinsam mit Petra Wilde bildet Schawe das Dojoteam, das mittlerweile seit 25 Jahren Kinder stärkt – für die Schule, aber auch für den Alltag. Seit vielen Jahren auch schon an der St.-Vitus-Schule.

Donnerstagmorgen, 10 Uhr: Die Jungen in dieser Workshop-Gruppe verneigen und begrüßen sich erstmal. Der japanische Ursprung mit einer von gegenseitigem Respekt getragenen Haltung dieses Trainings wird deutlich. Der Begriff „Dojo“ stammt nämlich aus dem Japanischen, steht für „Raum“: „Räume, in denen etwas passieren kann, auch ärgerliches. Und in denen man etwas ausprobiert“, erklärt Olaf Schawe.

Durch Probehandeln lernen die Kinder, mit Angstsituationen in der Schule umzugehen und sich möglichen Bedrohungslagen zu entziehen. Und sich durchzusetzen: verbal, mit Körpersprache, sanft, aber bestimmt.

Wichtige Tipps für die Praxis

Die erste Übung nennt sich „Retten“. Deutlich wird: Es geht bei den Trainings nicht nur um den Selbstschutz. Die Kinder lernen auch, ein Gespür dafür zu entwickeln, wenn andere in unangenehme Situationen geraten. „Wie kann ich jemanden retten, ohne selbst in Gefahr zu geraten“, laute ein Ansatz, so Olaf Schawe. So wie Oscar, der sich an Luca anschleicht, der von zwei Jungen beim Tennisspiel bedrängt wird.

Doch wohin fliehen? „Geht zusammen zum Beispiel in ein Geschäft, unter Leute. Dorthin werdet ihr nicht verfolgt“, meint der Trainer. Und er hat noch einen Trick für den Urlaub parat: „Schreibt die Telefonnummer eurer Eltern auf einen Zettel und steckt diesen in die Schuhe.“

Die Kinder sollen ein Gespür dafür entwickeln, was ihnen und anderen guttut und was nicht. Dazu zählt es auch, Abstand zu wahren.
Die Kinder sollen ein Gespür dafür entwickeln, was ihnen und anderen guttut und was nicht. Dazu zählt es auch, Abstand zu wahren. © privat

Drei Termine hat das Dojoteam auch in diesem Jahr an der Vitus-Schule angeboten – auch dank der Unterstützung des Fördervereins. In diesem Jahr durch die Osterferien unterbrochen. „Da war es spannend zu sehen, was hängengeblieben ist“, meint Petra Wilde. Wie sich zeigt, einiges. So wie einige Entwicklungen, die auch durch Corona verstärkt wurden.

„Vielen fällt es schwer, sich zu konzentrieren, bei sich zu bleiben“, erklärt Olaf Schawe. Die Aufmerksamkeit leide auch durch das Smartphone. Schon in jungen Jahren. „Das ist aber sehr unterschiedlich“, weiß Petra Wilde. So unterschiedlich, wie jede Gruppe in den Workshops sei.

Um einen Freund aus einer bedrohlichen Situation zu retten, ist es sinnvoll, sich von hinten und der Seite anzuschleichen, um gemeinsam zu fliehen. Olaf Schawe setzt auf den Überraschungseffekt.
Um einen Freund aus einer bedrohlichen Situation zu retten, ist es sinnvoll, sich von hinten und der Seite anzuschleichen, um gemeinsam zu fliehen. Olaf Schawe setzt auf den Überraschungseffekt. © Michael Schley

Spürbar sei, ob Schulen die Kinder am Schulleben teilhaben ließen. Zum Beispiel über Schülerparlamente, das präge. „Insgesamt geht es darum, nicht nur das eigene Selbstbewusstsein zu stärken, sondern auch die Gemeinschaft zu fördern“, betont Petra Wilde. „Wir können da sicher keine Wunderdinge bewirken, aber Impulse setzen“, ergänzt Olaf Schawe. Viel sei erreicht, wenn die Kinder in diesen „Räumen“ spürten, was ihnen guttue und was nicht.

Japanische Haltung wichtig

Der Workshop kann auch ganz praktisch im Klassenverband nachwirken – mit dem sogenannten Heinzelmännchen-Spiel. Wenn die zweiten Klassen dies wollten. Die Idee: Jedes Kind bekommt einen Klassenkameraden zugeteilt, den er in bestimmten Situationen helfen, unterstützen oder auch mal trösten soll. „Ganz verdeckt“, so Olaf Schawe. So wie ein Heinzelmännchen halt. Nun gibt es erstmal Urkunden – und die obligatorische Verbeugung: „Dankeschön“.