
© Stephan Teine
Ein Besuch in schwindelnder Höhe auf dem Baugerüst an der St. Jakobuskirche
Kirchensanierung
Ein Stahlgerüst verdeckt den Blick auf die Oedinger Kirche. Die lange geplante Sanierung beginnt – und damit ein echtes Prestigeprojekt für die Handwerker. Nichts für schwache Nerven.
Auf den ersten Blick stechen die Schäden an der Jakobuskirche nicht ins Auge. Doch wer sich auf das Gerüst wagt, das dort gerade entsteht, entdeckt die Lücken und Risse. Am Donnerstagmorgen ist das Gerüst rund um die Kirche bis in eine Höhe von knapp zehn Metern gewachsen.
Dort oben zeigt Matthias Pohl, Geschäftsführer des Bocholter Gerüstbauers Pohl und Söhne, auf Risse, und kleine Löcher in den Fugen. Mit bloßem Finger kann er den Mörtel zwischen den Klinkersteinen herauskratzen. „Da muss dringend etwas gemacht werden“, sagt er. Schließlich dringt über diese Stellen Wasser ins Mauerwerk ein und vergrößert die Schäden. In einer Ecke wachsen sogar grüne Pflanzen aus den Rissen.
Echtes Handwerk macht Gerüstbauern sichtlich Spaß
Matthias Pohl hat sichtlich Spaß an der Baustelle: „So eine Kirche ist etwas ganz anderes, als das übliche Wohnhaus“, erklärt er. Nichts entspricht dem Baustandard. Wegen der vielen Vorsprünge und der runden Form am Chorraum müssen die Gerüstbauer ständig improvisieren.
Ein Beispiel? Das Eingangsportal der Kirche an der Westseite. Das Dach dort besteht nur aus Holz und dünnem Blech. Für ein schweres Gerüst ist das natürlich kein passender Untergrund. Matthias Pohl deutet auf einen der Ständer, die „Füße“ des Gerüsts. Bis zu zehn Tonnen wird jeder Einzelne tragen, wenn das Gerüst fertig ist. Über dem Eingang wird das Gerüst deswegen frei tragend aufgebaut: Mit Traversen wird es gegen die Wand abgestützt. Zusätzliche Anker – große Dübel und Haken in der Wand – sichern es ab. Auf dieser Konstruktion können die weiteren Gerüstteile dann bis zum Dach der Kirche hochgezogen werden. Und so flitzt Matthias Pohl über das Gerüst, weist hier und da auf Besonderheiten und spricht stolz über die Leistung seiner Kolonnen.
Messen, Berechnen, Ausprobieren und Improvisieren
Nach der ersten statischen Berechnung geht es ans Ausprobieren. „Ein Mitarbeiter hat ganz am Anfang Meter für Meter der Kirche abgeschritten und probiert, wie die Felder passen“, erklärt Matthias Pohl. Mit Feldern meint der Fachmann die Flächen zwischen zwei Ständern. „Und am Ende muss natürlich alles bündig zusammenpassen“, sagt er und deutet auf zwei Ständer, die direkt nebeneinander stehen. Er bewegt sich flink zwischen den Stahlstreben umher. Deutet hier und da auf einen der Ständer. „Gut festhalten“, ruft er über seine Schulter und ist schon wieder um eine Ecke verschwunden. Links und rechts der schmalen Planken geht es steil abwärts. Gerade bringen die Gerüstbauer schwere Netze in der obersten Ebene des Gerüsts an. Der Arbeitsschutz schreibt sie vor.

Dachdeckermeister Michael Hayk, Pfarrer Stephan Scho und Matthias Pohl, Geschäftsführer des Gerüstbauunternehmens (v.l.), freuen sich auf die Sanierung. Der Pfarrer, weil die Kirche renoviert wird, die beiden Handwerker, weil die Arbeiten an der Kirche eine echte Herausforderung sind. © Stephan Teine
Seit einer Woche sind die Kolonnen des Bocholter Unternehmens Pohl und Söhne dort im Einsatz und setzen wie in einem riesigen Puzzle die Einzelteile zusammen. Rund 150 Tonnen Stahl haben sie in dieser Zeit abgeladen, an die richtige Stelle getragen, aufgebaut und miteinander verschraubt. Denn Sicherheit ist in so luftiger Höhe natürlich das Wichtigste. Verstrebungen, Verschraubungen, Anker, Ständer – alles streng nach Norm. Und nach Denkmalschutzrecht. Schließlich soll die 1911 eingeweihte Jakobuskirche ja nach der Sanierung genauso aussehen wie vorher – nur schöner.
Oedinger Dachdecker freut sich auf Prestigeprojekt
Auch Dachdeckermeister Michael Hayk hat sich vor Ort schon ein Bild von der Baustelle gemacht. Der Oedinger freut sich – genau wie die Gerüstbauer – auf den Auftrag. „Das ist natürlich schon ein Prestigeprojekt, wenn man in seinem Heimatort an der Kirche arbeiten kann“, sagt er. Auch seine Angestellten würden dem Projekt entgegenfiebern. „Wo bekommt man sonst schon so ein Dach unter die Finger“, sagt er und blickt am Gerüst nach oben. Auch er ist von den Gerüstarbeiten begeistert und stürzt sich sofort in Fachsimpeleien mit Matthias Pohl. Die beiden Männer diskutieren über Dachlasten, Verankerungen, Maße und die besonderen Herausforderungen auf der Baustelle. „Schon toll“, sagt Michael Hayk und nickt anerkennend.

Aus der Nähe werden die Schäden im Mauerwerk sichtbar. Die Fugen sind ausgewaschen und weisen große Löcher und Risse auf. © Stephan Teine
Pfarrer Stephan Scho hat für die handwerklichen Herausforderungen an diesem Morgen nur wenig übrig. Er sei zwar ‚kopffest‘ – habe also kein Problem mit großen Höhen – doch auf das Gerüst möchte er dann doch nicht klettern. Umso mehr freut er sich aber, dass die Sanierung der Jakobuskirche nun vorangeht. „Es gab ja einen sehr langen Vorlauf. Nun geht es endlich los“, erklärt er.
„Zwölf Wochen sind erst einmal für die Arbeiten vorgesehen“, erklärt der Pfarrer vor Ort noch. Doch Michael Hayk ist da jetzt schon skeptisch. „Das wird nicht reichen“, sagt er beim Blick auf die Kirche. Auch die Zentralrendantur plant mehr Zeit ein: Dort ist die Rede von rund sechs Monaten.
Bistum und Kirchengemeinde investieren 540.000 Euro
In diesem Jahr sollen an der Kirche rund 540.000 Euro investiert werden. „500.000 Euro trägt das Bistum, 40.000 Euro die Kirchengemeinde“, sagt Stephan Bengfort von der Zentralrendantur Ahaus-Vreden. Die Fugen und Bleianschlüsse sind die größten Aufgaben. Auch die Dachflanke zur Jakobistraße soll neu gedeckt werden. „Die andere Seite wurde vor etwa 20 Jahren schon neu eingedeckt“, so Stephan Bengfort weiter. Und da das Gerüst schon steht, soll auch die Verglasung geprüft und ausgebessert werden.
Auch einige Natursteinarbeiten sind erforderlich: „Die Steine sind ausgewaschen und müssen zum Teil ersetzt werden“, erklärt Bengfort weiter. Demnächst wird auch der Turm bis in 29 Meter Höhe eingerüstet. Wann das soweit ist, steht aber aktuell noch nicht genau fest.
Für Stephan Scho ist die Sanierung damit aber noch längst nicht am Ende. „Ich habe immer gesagt, dass wir erst einmal die Außenhülle in Schuss bringen müssen, bevor wir innen anfangen“, sagt er. Auch das stehe ja noch an. Allerdings nicht in diesem Bauabschnitt.
Ursprünglich Münsteraner aber seit 2014 Wahl-Ahauser und hier zuhause. Ist gerne auch mal ungewöhnlich unterwegs und liebt den Blick hinter Kulissen oder normalerweise verschlossene Türen. Scheut keinen Konflikt, lässt sich aber mit guten Argumenten auch von einer anderen Meinung überzeugen.
