Christian und Monika van Almsick wirken am Dienstagmorgen zufrieden, in sich ruhend. Vor einem guten halben Jahr haben sie eine Entscheidung getroffen, die nicht einfach war, mit der sie sich nun aber angefreundet haben.
Nach über 135 Jahren endet im Juni die lange Ära des Schuhhauses van Almsick an der Holzstraße, zwei große Plakate an der Fassade zum Räumungsverkauf kündigen dieses an. Die Gründe für die Schließung sind vielfältig.
Monika van Almsick (63) habe zunächst schon mit sich gehadert, als sie sich mit Mann Christian (65) im Sommer 2022 mit der Zukunft des Geschäftes befasste. In knapp 45 Jahren hatten die beiden Südlohner einiges aufgebaut, die Zufriedenheit mit dem Erreichten überwog schließlich. Und: „Wir hatten die Rente durch, dann lässt sich anders planen.“ So beschreibt Monika van Almsick den Entschluss mit einem „guten Gefühl“.
Christian van Almsick sah die Zeit nach 50 Berufsjahren einfach gekommen: „Wir mussten uns ein Ziel setzen.“ Und das lautete: Schließung Mitte 2023. Der Orthopädieschuhmachermeister nennt Beweggründe.
Zum einen gibt es keine Nachfolge – weder aus den eigenen Reihen, schon gar nicht von extern. Die beiden Töchter Ines und Lea seien zwar im Laden aufgewachsen, sie hätten sich aber frühzeitig anderweitig beruflich orientiert. Vielmehr sind es aber die Auflagen, die es Unternehmern heute schwermachten, wie Christian van Almsick betont. Der 65-Jährige denkt an den Brandschutz. „Da hätten wir noch einmal richtig investieren müssen“, erklärt er. Auch sei das Ladenlokal nicht ebenerdig.

Vielmehr störe ihn die heutige Vertragsgestaltung mit den Krankenkassen. „Diese Auflagen kann und will ich nicht mehr erfüllen“, betont der Unternehmer. Der bürokratische Aufwand, die Dokumentationspflicht nehme überhand: „Heute sitzt man morgens erst im Büro, 60 bis 70 Prozent der Arbeit wird dort geleistet.“ Christian van Almsick fasst es in Worte: „Heute brauchst du fünf Unterschriften für ein Paar Einlagen.“ Dabei wolle er doch eigentlich seiner Leidenschaft als Handwerker nachgehen.
Schuhhaus in vierter Generation
Christian van Almsick holt einen Zeitungsbericht vom 17. September 1986, damals noch aus den Ruhr Nachrichten, hervor: zum 100-Jährigen des Traditionshauses. 1886 eröffnete Gerhard van Almsick aus Stadtlohn kommend das Schuhhaus im Katerhook. 1913 folgte der Umzug an den heutigen Standort.
1936 verstarb der Firmengründer, Sohn Josef übernahm die Werkstatt und führte den Ladenverkauf ein. Nachdem das Haus durch einen Bombenangriff 1945 komplett zerstört worden war, wurde drei Jahre später das heutige Wohn- und Geschäftshaus neu aufgebaut. Aus dem vorübergehenden Behelfsheim wurde die Werkstatt.

1954 übernahm Franz van Almsick in nächster Generation die Geschäftsleitung und baute den Standort durch mehrere Umbauten aus. 1978 übergab er dann an den heutigen Geschäftsinhaber Christian van Almsick.
Seit der Hochzeit mit Monika unterstützt diese ihren Mann bei der Weiterentwicklung des Geschäfts über vier Jahrzehnte, Christian ging zunächst übrigens noch ganz traditionell arbeiten. „Dazu halfen uns Christians Eltern Franz und Änne beim Aufbau. Und sie kümmerten sich um die Enkelkinder“, berichtet die 63-Jährige. So wurde schon 1980 das ehemalige Behelfsheim abgerissen, ein neuer Wohnbereich wurde geschaffen, in dem auch die Werkstatt untergebracht wurde.
Stetige Entwicklung seit 1886
1983 legte Christian van Almsick vor der Handwerkskammer Frankfurt die Meisterprüfung im Orthopädieschuhmacherhandwerk ab und erweiterte das Angebot eben um die Orthopädie. Zehn Jahre später wurde die Werkstatt durch einen Anbau erweitert, in dem auch Büro und Lager eine Heimat fanden. 2005 wurde dann die Ladenfläche durch Umbau verdoppelt. Eine stetige Entwicklung in kleinen Schritten – bis heute.
Christian van Almsick lässt die Gedanken schweifen: „In der Anfangszeit haben wir noch Kriegsversehrte betreut.“ In der Zwischenzeit hätten sich die Zeiten enorm gewandelt. „Große Themen“ seien heute die diabetische Versorgung, BG-Fälle oder auch angeborene Fußfehlstellungen. Nach den 50 Jahren im Beruf und 45 Jahren im Geschäft sei es nun „gut gewesen“. Sie hätten viel erreicht, nun sei es Zeit für andere Dinge.

Zeit werde man auch künftig wenig haben, ergänzt Monika van Almsick gleich und lacht. War der Alltag bisher bestimmt von Verkauf, Büro, Werkstatt und Messen auch an Wochenenden, so freuten sie sich nun auf Dinge, für die sie schon immer gerne mehr Zeit gehabt hätten: Da wären die vier Enkelkinder. „Ich habe mir schon eine kleine Schreinerei eingerichtet“, sagt Christian van Almsick. Und Monika freut sich schon auf ausgiebige Fahrradtouren und das gemeinsame Kochen.
Viel vor im Ruhestand
Vermissen werden sie vor allem die vielen Kontakte – vielfach zu Stammkunden. „Das haben wir schon zu Corona-Zeiten gespürt, obwohl wir da eigentlich gut durchgekommen sind“, erzählt Monika van Almsick. Nun habe man ein Alter erreicht, in dem man solche Entscheidungen auch einfacher treffen könne: „Es war eine schöne Zeit.“
Und so blicken sie mit Vorfreude nicht nur dem „Ruhestand“, sondern auch den vier verbleibenden Monaten an der Holzstraße entgehen. Bis sich der Schlüssel nach dem Räumungsverkauf ein letztes Mal in der Eingangstür dreht. Und sich neue Türen öffnen…