„Bravo!“ Mit höhnischem Applaus reagierte ein Südlohner auf das Urteil im Amtsgericht Borken. Auf eine Urteilsbegründung durch den Richter verzichtete der 40-Jährige. Dabei wurde er in Teilen gar von den Vorwürfen, die ihm zur Last gelegt worden waren, freigesprochen. Unter dem Strich stand eine Verurteilung wegen Beleidigung.
Es war eine zähe Verhandlung. Nicht nur einmal musste der Richter dem Angeklagten das Wort entziehen. So richtig mitwirken zu wollen schien dieser nicht. Was wurde dem 40-Jährigen vorgeworfen? Gleich zweimal soll dieser im Oktober 2021 die Borkener Tafel trotz Hausverbots aufgesucht haben. In diesem Zeitraum hatte er auch das Büro einer Mitarbeiterin der Einrichtung, die die Tafel betreibt, aufgesucht und die Frau als „Stupid person“ beschimpft. Das bestätigte diese später im Zeugenstand.
„Komplette Lüge“
Mit den Vorwürfen konfrontiert, erklärte der Angeklagte, dass es sich um eine „komplette Lüge“ handele. Ein Jahr lang habe er überhaupt keine Probleme gehabt, bei der Tafel Essen zu bekommen. Vor allem aber sei er chronisch krank und leide speziell unter Gedächtnisverlust.
Der Richter verlas daraufhin die Akte, um die Gründe, die zum Hausverbot geführt hatten, offenzulegen. Dieses wurde Mitte Mai 2021 im Beisein der Polizei ausgesprochen. Mehrfach habe sich der 40-Jährige seinerzeit Maßnahmen gegen die Verbreitung des Coronavirus widersetzt, das Virus geleugnet, Mitarbeiter beschimpft.
Der Südlohner betonte noch einmal, dass er sich daran nicht erinnern könne. „Wenn Sie sich nicht erinnern können, wissen Sie doch gar nicht, ob es sich um eine Lüge handelt“, ermahnte ihn der Richter.
Die Chronologie der Vorgänge brachte dann die Aussage der Hauptbelastungszeugin zutage. Durch den Auftritt im Mai 2021 hätten sich die ehrenamtlichen Mitarbeiter der Tafel „bedroht“ gefühlt. Unter anderem soll der Angeklagte zu einem Mitarbeiter Folgendes gesagt haben: „Du wirst an Corona sterben, nicht ich.“ Deshalb habe sie vom Hausrecht Gebrauch gemacht. Auch sei die Tafelkarte eingezogen worden. Die Mitarbeiter habe sie darüber informiert: „Alle waren erleichtert.“
Fünf Monate war es ruhig. Mitte Oktober wurde der Südlohner dann erneut bei der Tafel vorstellig. Gleich zweimal. „Das Rathaus hat mich geschickt, warum werde ich dann weggeschickt?“, fragte der 40-Jährige. Daran konnte sich die Zeugin letztlich auch erinnern. Sie bestätigte auch, dass Mitarbeiter dem Südlohner Lebensmittel mitgegeben hätten, „damit er geht“.
Als dieser dann ihr Büro aufsuchte, um einen Tafelausweis zurückzuerhalten, habe sie ihm mit Verweis auf das Hausverbot eine „klare Absage“ erteilt: „Das konnte ich mit Blick auf seine Situation auch verantworten.“ Daraufhin habe dieser sie als „Stupid person“ beschimpft: „Ich fühlte mich nicht gut dabei“.
„Alles eine große Lüge. Warum haben Sie mich denn rausgeschmissen?“, wandte sich der Angeklagte an die Zeugin. „Aufgrund der Vorfälle bei der Tafel und zum Schutze der Mitarbeiter“, antwortete sie. Der Richter wies ihn auch darauf hin, dass die Aufhebung eines Hausverbots allein demjenigen zustehe, der das Hausrecht ausübe. Er brach darauf die Befragung der Zeugin durch den Angeklagten ab: „Sie hören sich ja gar keine Antworten an.“
„Das ist keine Gerichtsverhandlung, das ist eine Blamage.“ Der Südlohner redete sich mehr und mehr in Rage. Dafür sei allein er selbst mit seinem Verhalten verantwortlich, entgegnete der Richter. Dem Registerauszug war zu entnehmen, dass unter anderem schon eine Verurteilung wegen Beleidigung zu Buche steht.
Viele Widersprüche
Für den Anklagevertreter hätte sich der Sachverhalt wie niedergelegt bestätigt. „Sie verstricken sich immer wieder in Widersprüchen: Mal können Sie sich erinnern, dann wieder nicht.“ Ein Gedächtnisverlust sei für ihn nicht erkennbar. Die Ausführungen der Zeugin hingegen seien glaubhaft: „Warum sollte sie auch lügen?“
Wegen Hausfriedensbruchs in zwei Fällen und Beleidigung sah der Vertreter der Staatsanwaltschaft 60 Tagessätze zu 10 Euro als angemessen an. Kein Geständnis, eine Vorstrafe, keine Einsicht – er könne dem 40-Jährigen wenig zugutehalten.
In seinen Schlussworten betonte der Südlohner noch einmal, dass er „nichts gemacht habe“. Die Zeugin „hasse ihn“. Er wiederholte, dass er „vom Rathaus zur Tafel geschickt“ worden sei. Alles sei eine „Blamage für Deutschland“ – Beleidigungen richtete er insbesondere in Richtung des Anklagevertreters. Der Richter entzog ihm noch einmal das Wort und kündigte „Konsequenzen“ an.
In seinem Urteil sah der Richter dann allerdings nur den Vorwurf der Beleidigung als erwiesen an: 60 Tagessätze zu 10 Euro. Von den weiteren Vorwürfen sei der Südlohner freizusprechen. Warum? Das wollte der Angeklagte wie gesagt nicht wissen…