Zwischen Überhang und Mangel Stadtlohn braucht zusätzliche Plätze in der Altenpflege

Zwischen Überhang und Mangel: Stadtlohn braucht neue Pflegeplätze
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Gibt es in Stadtlohn genügend Pflegeplätze für Seniorinnen und Senioren? Die Antworten auf diese Frage scheinen widersprüchlich. Lena Schlamann von der Stabsstelle Sozialplanung des Kreises Borken sagt: „Der Sozialraum Stadtlohn ist sehr gut aufgestellt. Es gibt sogar ein leichtes Überangebot an Pflegeplätzen.“

Günter Hovestadt, Sachkundiger Bürger der UWG im Sozialausschuss, hält die Alltagserfahrung dagegen: „Viele Stadtlohner suchen vergebens einen Pflegeplatz, obwohl die Statistik etwas anderes sagt. Ich frage mich: Wo sind denn nun die freien Pflegeplätze?“

Pflegebedarfsplan wird aktualisiert

Zusammen mit Ruth Weddeling (Heimaufsicht des Kreises Borken) hat Lena Schlamann am Mittwochabend im Sozialausschuss die aktuellen Zahlen der laufenden Pflegebedarfsplanung vorgestellt. Darin bildet Stadtlohn zusammen mit Südlohn, Gescher und Velen einen von sechs „Sozialräumen“ im Kreis Borken. Stadtlohn wird also nicht für sich betrachtet.

Für den Sozialraum Stadtlohn/Südlohn/Gescher/Velen sieht der Pflegebedarfsplan für das Jahr 2021 ein Überangebot von 81 Plätzen. Das Überangebot wächst durch den Bau neuer Einrichtungen bis 2024 auf 123 Plätze an. Bis 2029 wird das Überangebot schrumpfen, weil die Zahl der älteren Menschen weiter steigt. Aber auch 2029 werden im Sozialraum 54 Plätze mehr prognostiziert als gebraucht werden.

„Sozialraum ist reinste Willkür“

Die Sozialraumeinteilung stieß bei den Politikern allerdings auf große Skepsis. Die Entfernungen im Sozialraum sind viel zu groß“, sagte Reinhold Dapper (SPD). Hendrik Hardeweg (CDU) formulierte noch schärfer: „Die Sozialraumgrenzen sind reinste Willkür. Südlohn passt ja noch, aber zu Gescher und Velen haben die Stadtlohner kaum Bezug.“ Stadtlohnern, die auf der Suche nach einem Pflegeplatz seien, nütze es daher nur wenig, wenn es in Velen freie Plätze gebe, in Stadtlohn aber nicht, so die Politiker.

Ruth Weddeling räumte ein: „Es ist natürlich schwierig, ad hoc einen Pflegeplatz in Stadtlohn zu bekommen.“ Das hänge mit der notwendigen hohen Auslastung der Pflegeheime zusammen. Weddeling: „Die Einrichtungen müssen ja wirtschaftlich betrieben werden.“ Mit anderen Worten: Es kann keine ständige sichere Reserve an freien Plätzen geben.

Zwei neue Pflegeeinrichtungen

Mit Blick auf Stadtlohn betonte Ruth Weddeling aber: „Das Pflegeplatzangebot in Ihrer Stadt wird in den nächsten Jahren definitiv auskömmlich sein.“ Und das trotz eines „enormen Anstiegs an pflegebedürftigen Menschen“, so Lena Schlamann. Für den Sozialraum Stadtlohn/Südlohn/Gescher/Velen prognostizierte sie bis 2029 einen Anstieg der Pflegebedürftigen um 11,1 Prozent.

Zwei konkrete Projekte, die bereits in den Pflegebedarfsplan aufgenommen wurden, werden das Pflegeangebot in Stadtlohn deutlich erweitern. An der Burgstraße 23 entsteht das neue Seniorenzentrum „An der Berkel“ mit 88 stationären Pflegeplätzen (davon 15 für die Kurzzeitpflege) und bis zu 16 Tagespflegeplätzen. Darüber entstehen dort zwölf barrierefreie Wohnungen. Träger ist die Specht&Tegeler-Holding, die rund um Bremen zwölf Pflegeeinrichtungen betreibt.

Hier an der Burgstraße entsteht ein neues Seniorenpflegezentrum. Das Wohnhaus und das weiße Steinbach-Verwaltungsgebäude werden abgerissen.
Hier an der Burgstraße entsteht ein neues Seniorenpflegezentrum. Das Wohnhaus und das weiße Steinbach-Verwaltungsgebäude werden abgerissen. © Markus Gehring

„Wir rechnen in Kürze mit der Baugenehmigung und haben bereits mit einem Nachunternehmer verhandelt. Zudem war der Kampfmittelräumdienst schon auf dem Grundstück“, sagt Frauke Meyenberg, Pressesprecherin der Spechtgruppe auf Anfrage unserer Redaktion. Je nach Witterung könne möglicherweise noch in diesem Jahr mit den bauvorbereitenden Maßnahmen vor Ort begonnen werden.

Das zweite große Projekt entsteht am ehemaligen Krankenhausstandort an der Vredener Straße. Dort sind 28 solitäre Kurzzeitpflegeplätze sowie Hauswohngemeinschaften für außerklinische Intensivpflege, für Beatmungspatienten, junge Pflege und Demenzerkrankte mit insgesamt 54 Plätzen geplant. Träger ist das Klinikum Westmünsterland.

Ohne Pflegende keine Pflege

Also ist der Bedarf in Stadtlohn für die Zukunft gedeckt? Mittelfristig ja. Doch die Pflegebedarfsplanerinnen treibt eine Sorge um. „Die Personalgewinnung ist im Kreis Borken ein riesengroßes Problem. Das wird ein limitierender Faktor beim Ausbau der Pflegeplätze sein“, sagt Ruth Weddeling.

Mit anderen Worten: Die schönsten Pflegeeinrichtungen sind wertlos, wenn sich keine Menschen finden, die in der Pflege arbeiten wollen. Und diese Einschätzung teilten sich Pflegefachplanerinnen und Politiker. Hendrik Hardeweg: „Da kann einem schon angst und bange werden, wenn wir in die Pflegezukunft blicken.“