Wurde eine Stadtlohnerin gegen ihren Willen zum Sex gezwungen oder nicht? Diese Frage galt es vor dem Schöffengericht im Amtsgericht Ahaus zu klären.
Diesem Vorwurf musste sich ein 53-Jähriger stellen – laut Anklageschrift unter erheblich verminderter Schuldfähigkeit. Am Ende war es eine entscheidende Aussage der Geschädigten, die zum Urteil führte.
In einer Oktobernacht im Jahr 2022 soll der Stadtlohner am frühen Morgen zur Wohnung seiner Ex-Partnerin gegangen sein. Dort soll es zum Geschlechtsverkehr gegen den Willen der Frau gekommen sein. Wie die Anklagevertreterin verlas, im alkoholisierten Zustand des 53-Jährigen.
Dem Angeklagten sei zudem eine Betreuerin zur Seite gestellt. „Die Geschichte stimmt nicht“, meinte der Beschuldigte zunächst. Nach und nach gab er dann doch Einzelheiten zu.
Angeklagter räumt Sex ein
Als er in die Wohnung gekommen sei, sei seine damalige Partnerin noch wach und im Wohnzimmer gewesen. Man habe noch zusammen TV geschaut, dann sei sie ins Schlafzimmer gegangen. Im Bett habe man sich dann gestreichelt und geknutscht. Auf Nachfrage des Richters gab er dann zu, dass es auch zum Geschlechtsverkehr gekommen sei.
„Aber nicht gegen ihren Willen“, betonte der 53-Jährige. Ob er denn nicht gehört habe, dass seine Partnerin Nein gesagt habe, fragte der Richter. „Ich habe nichts gehört, sonst hätte ich es nicht gemacht.“ Die Frau habe sich auch nicht gewehrt. Und sie sei nackt gewesen – so sei es bei beiden Usus gewesen.
Zwei Wochen später habe er dann erfahren, dass sich seine Partnerin von ihm trennen wolle. Auf den Vorfall angesprochen habe sie ihn nicht. Zusammen habe man gar noch am nächsten Morgen gefrühstückt, ein paar Tage später zusammen eine Pizza gegessen.
Über zwölf Jahre sei man zusammen gewesen. In dieser Zeit habe er auch keinen Sex verlangt, wenn seine Partnerin dies nicht wollte.
An besagtem Abend sei er in einer Kneipe gewesen und habe rund 10 bis 15 Bier getrunken. Der Anwalt der Nebenklägerin fragte grundlegend, was der Angeklagte unter einer Vergewaltigung verstehe. „Eine Vergewaltigung ist es, wenn man es mit Gewalt und grob macht“, antwortete der Stadtlohner. Das sei nicht der Fall gewesen.
Ein etwas anderes Bild zeichnete die Aussage der Geschädigten. So sei sie bereits im Bett gewesen, als ihr damaliger Partner in die Wohnung gekommen sei. Dabei habe sie noch ihren Schlafanzug angehabt. „Zieh dich schon mal aus“, habe ihr der Stadtlohner zugerufen...
„Es ist mir unangenehm.“ Der Geschädigten fiel die Aussage sichtlich schwer. Sie öffnete sich erst mehr, als der Angeklagte den Saal verließ.
„Er hat sich auf mich draufgelegt – ohne was zu sagen“, berichtete die Zeugin. Sie habe es über sich ergehen lassen.
„Sie haben an verschiedenen Stellen ausgesagt, dass sie Nein gesagt haben“, erklärte der Richter. „Stimmt, als er noch im Wohnzimmer war. Das hat er wohl nicht mitgekriegt“, sagte die Zeugin. An dieser Stelle schlug der Richter vor, die Beweisaufnahme zu beenden. Weitere Zeugen und Gutachter mussten entsprechend nicht mehr gehört werden.
Unisono wird Freispruch gefordert
Für die Anklagevertreterin habe sich der Sachverhalt laut Anklage nicht bestätigt. Der Angeklagte habe den Geschlechtsverkehr eingeräumt. Die Geschädigte habe ihm gegenüber aber nicht geäußert, dass sie diesen nicht möchte. Sie habe sich auch nicht gewehrt. „Sie sagte, er habe es nicht hören können“, hob sie den wesentlichen Punkt der Zeugenaussage hervor. So könne es nur einen Freispruch geben.
„Da gibt es nicht viel zu ergänzen“, erklärte der Anwalt der Nebenklage. Der Angeklagte solle zu Recht freigesprochen werden. „Schließen Sie beide mit der Sache ab“, riet er dem 53-Jährigen. „Dem ist nichts hinzuzufügen“, meinte auch der Verteidiger. Viele der zum Teil widersprüchlichen Aussagen seien auch den kognitiven Fähigkeiten geschuldet.
Freispruch lautete dann auch das Urteil des Schöffengerichts. Für den Angeklagten sei nicht erkennbar gewesen, dass der Geschlechtsverkehr gegen den Willen der Frau vollzogen wurde. Dabei sei sich das Gericht durchaus sicher, dass „es gegen den objektiven Willen der Geschädigten geschehen ist“.
Konkret: „Sie hat nicht deutlich gesagt, dass sie es nicht möchte.“ Die Voraussetzung für eine Bestrafung fehle am Ende. Der Richter wandte sich noch einmal an den Beschuldigten: „Es reicht für eine Vergewaltigung, wenn eine Frau Nein sagt.“