Tüftler gegen Wegwerfgesellschaft Repaircafé rettet Kuckucksuhren und Staubsauger

Tüftler im Repaircafé retten Kuckucksuhren und Staubsauger
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„Eigentlich bin ich viel zu ungeduldig zum Reparieren“, sagt Werner Berthues und lacht. Dennoch war er vor vier Jahren einer der Mitbegründer des Stadtlohner Repaircafés. Jetzt ist der 68-Jährige Träger des Ehrenamtspreises der Stadt Stadtlohn – zusammen mit den 17 weiteren Freiwilligen, die das Repaircafé zu einer Erfolgsgeschichte gemacht haben.

Mit der Wegwerfgesellschaft konnte sich Werner Berthues noch nie anfreunden. „Mein Vater war Schreiner, mein Bruder war ein Motorradfreak und Bastler. Bei uns Zuhause wurde alles repariert“, erzählt er. Das war die Zeit, in der die Socken noch gestopft wurden.

Hochbetrieb im Repaircafé
Viele Experten haben das Repaircafé zu einer Erfolgsgeschichte gemacht. © Marianne Stark-Westkamp

Nach gestopften Socken sehnt sich Werner Berthues nicht zurück. Aber Nachhaltigkeit und Schonung der Ressourcen sind für ihn ein wichtiges Anliegen geworden. „Ich kann mir natürlich einen neuen Toaster leisten. Aber warum sollte ich, wenn doch nur eine Kleinigkeit kaputt ist?“

2018 lasen Werner Berthues und seine Lebensgefährtin Elisabeth Aschendorff einen Aufruf der Volkshochschule in der Münsterland Zeitung. „Bastler, Tüftler, Handwerker, Menschen mit Organisationstalent“ wurden gesucht, um in Stadtlohn ein Repaircafé aufzubauen.

Die Idee, Dinge, die Mängel haben oder nicht mehr richtig funktionieren, in einem Repaircafé zu reparieren statt sie wegzuwerfen, stammt von Martine Postma aus Amsterdam. Seit 2007 setzt sie sich auf verschiedene Arten für Nachhaltigkeit auf lokaler Ebene ein.

„Diese Initiative erwies sich als ein großer Erfolg und hat weite Kreise gezogen“, sagt Marianne Stark-Westkamp von der VHS. Sie hat die Idee in Stadtlohn etabliert und betreut das Repaircafé seit fünf Jahren. „Marianne ist unsere Chefin“, sagt Werner Berthues.

Tüftler bei der Reparatur
Fachgespräche: Im Repaircafé lernt jeder von jedem. © Marianne Stark-Westkamp

Vor fünf Jahren waren die beiden Rentner sofort Feuer und Flamme für die Idee. Weil sie die Idee der Nachhaltigkeit gut fanden. Weil sie ehrenamtlich aktiv werden wollten. „Und auch weil wir Menschen kennenlernen und neue Kontakte knüpfen wollten,“ sagt Werner Berthues.

Jetzt genießen die beiden das gute Miteinander und den Teamgeist im Repaircafé. Ein Reparaturexperte sei er selber nicht, gesteht der 68-Jährige. Aber Organisationstalent hat er. Schließlich war er 43 Jahre im Einzelhandel tätig, davon 41 Jahre als Leiter der Aldi-Filiale in Stadtlohn.

„Zuhause schraube ich gerne. Aber wenn ich für andere etwas reparieren sollte, dann hätte ich Angst, dass am Ende ein paar Teile übrig bleiben“, sagt Werner Berthues augenzwinkernd.

Den Schraubenzieher muss er im Repaircafé auch nicht in die Hand nehmen. „Wir haben ja eine tolle Truppe von Experten“, sagt Werner Berthues. „Da sind Spezialisten und echte Allrounder dabei.“

Schon 850 Geräte repariert

Er selbst und auch Elisabeth Aschendorff engagieren sich im Empfang des Repaircafés. Sie begrüßen die Kundinnen und Kunden, sorgen für Kaffee und belegte Brötchen und führen Buch: 100 Reparaturtermine haben seit 2018 stattgefunden. Mehr als 850 Geräte wurden erfolgreich instandgesetzt.

Werner Berthues schaut in seine Liste und zählt auf: „36 Nähmaschinen, 22 Spielzeuge, 36 Uhren und Wecker, 75 Staubsauger, 68 Computer, Handys oder Tablets...“ Es gibt aber nicht nur erfolgreichen Reparaturen. Zum Beispiel dann, wenn die Ersatzteile nicht mehr zu beschaffen sind. „In 40 Prozent der Fälle können wir leider auch nicht weiterhelfen“, sagt der 68-Jährige.

„Tolle Momente“

Bis zu 80 Kunden kommen zu einem Repair-Termin. Selbst an schlechten Tagen sind es mindestens 20. Aber „Kunde“ ist eigentlich nicht das richtige Wort. Repariert wird schließlich ohne Rechnung, gratis.

„Das sind einfach tolle Momente für uns, wenn die Kuckucksuhr wieder tickt, die alte Stehlampe wieder leuchtet oder das Lieblingsspielzeug wieder funktioniert und sich die Menschen darüber freuen“, sagt Werner Berthues. Und dann seien auch viele Repaircafé-Besucher gerne zu einer Spende bereit, um die ehrenamtliche Arbeit zu unterstützen.

Das Repaircafé, das sich an jedem ersten Samstag im Monat trifft, versteht sich als ein nicht-kommerzielles Treffen. Man kann auch nicht einfach ein Gerät abgeben wie bei einem Kundendienst. „Die Leute sollen sich selbst auch einbringen, mit anfassen oder zumindest zuschauen“, sagt Elisabeth Aschendorff.

Schließlich wolle das Repaircafé Bewusstsein dafür wecken, Müll zu vermeiden, Ressourcen zu sparen und eine nachhaltige Lebensweise in der Praxis umzusetzen. Und bei einer Tasse Kaffee kann man vor oder nach dem Reparieren mit anderen Erfahrungen austauschen und eigene Tüftelkompetenz aufbauen.

Freude über Ratsbeschluss

Die Freude bei den Tüftlern des Repaircafés über den mit 1500 Euro dotierten ersten Ehrenamtspreis war groß, berichtet Werner Berthues. Nicht nur wegen des Preisgeldes, sondern auch wegen der Würdigung des freiwilligen Engagements. Der Rat der Stadt Stadtlohn hat die Entscheidung in der jüngsten Ratssitzung einstimmig gefällt.

Den zweiten Preis teilen sich mit je 750 Euro die Fahrradwerkstatt für Flüchtlinge sowie das Kultur-, Heimat- und Integrationszentrum Stadtlohn (KIZS). Der Ehrenamtspreis wird von der Sparkasse Westmünsterland gefördert.

  • Termin: Das nächste Repaircafé ist am Samstag, 2. Dezember von 10 bis 13 Uhr
  • Ort: Stadtlohn, VHS-Haus, Klosterstraße 18
  • Reparaturannahme bis 12 Uhr