Jana Melzer (r.), Stephanie Grassedonio und Melanie Strotmann retten Lebensmittel. Die drei Frauen hoffen, viele Stadtlohner für die Idee des Foodsharing begeistern zu können.

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Stephanie Grassedonio will Stadtlohner zu Lebensmittelrettern machen

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An der Hegebrockstraße steht ein „Fairteiler“. Dort kann jeder Lebensmittel abgeben oder abholen. Kostenlos. Stephanie Grassedonio hat die Idee des Foodsharings nach Stadtlohn gebracht.

Stadtlohn

, 02.09.2021, 16:45 Uhr / Lesedauer: 2 min

Lebensmittelrettung? Klingt das nicht nach trockenem Brot und welkem Salat? Bevor Jana Melzer antwortet, holt sie schnell ein Rieseneinweckglas: Apfel- und Birnenstückchen, Trauben, Aprikosen ... eine süße Verführung. „Das Obst war woanders übrig und wäre ohne die Lebensmittelrettung einfach weggeworfen worden. Ich habe es haltbar gemacht. Man muss nur ein wenig kreativ werden“, sagt die 38-jährige Stadtlohnerin.

Birnen, Äpfel, Trauben: Jana Melzer hat gerettetes Obst eingeweckt.

Birnen, Äpfel, Trauben: Jana Melzer hat gerettetes Obst eingeweckt. © Stefan Grothues

Gemeinsam mit Stephanie Grassedonio und Melanie Strotmann will Jana Melzer gegen die Lebensmittelverschwendung kämpfen und viele Stadtlohner und auch Menschen in den Nachbarkommunen dafür begeistern. Nicht mit strengem Ernst, sondern mit Spaß am Genuss, mit Kreativität, mit Tipps und Rezepten. Und vor allem durchs Teilen. Die Drei engagieren sich in der Initiative „Foodsharing“, in der bundesweit über 200.000 Menschen registriert sind. In Stadtlohn sind es bislang neun. Ihr Credo: „Teile Lebensmittel anstatt sie wegzuwerfen.“

Kampf gegen Ressourcenverschwendung

„Aus einem Quadratmeter Getreideanbaufläche gewinnt man eine Erntemenge für ein Kilogramm Brot. Jährlich werden in Deutschland 500.000 Tonnen Brot entsorgt. Das entspricht einer Anbaufläche von 500 Millionen Quadratmetern“, rechnet Jana Melzer vor. „Und dazu wird Energie in den Transport, das Mahlen und Backen gesteckt. Das ist so eine große Ressourcenverschwendung.“

Stephanie Grassedonio hat den Anstoß für die Gründung eines Netzwerkes in Stadtlohn gegeben. Die 31 Jahre alte Kinderkrankenschwester ist im Februar mit ihrer Familie von Lörrach in Baden-Württemberg nach Stadtlohn gezogen. „In Lörrach war das Foodsharing schon bekannter. Da war ich schon registrierter und vernetzter Foodsaver, also Lebensmittelretter.“

Was genau macht ein Foodsaver? Stephanie Grassedonio erklärt: „Foodsaver gehen zu Restaurants, Lebensmitteläden oder Bäckereien und nehmen die Waren mit, die nicht mehr verkauft werden. Das können Reste vom Buffet sein oder Brot vom Vortag.“ Wichtig: Foodsaver betteln nicht in den Betrieben und sie „containern“ auch nicht, also durchwühlen nicht illegal die aussortierten Lebensmittel.“

„Fairteiler“ an der Hegebrockstraße

Überschüssige Lebensmittel gibt es aber nicht nur in Betrieben, sondern auch in vielen Privathaushalten. Dafür haben die Foodsaver seit einer Woche einen „Fairteiler“ an der Hegebrockstraße 63a eingerichtet. Der öffentlich zugängliche begehbare Schrank im Stile einer englischen Telefonzelle ist eine Tauschbörse für überschüssige Lebensmittel.

Im "Fairteiler", einem Riesenschrank im Stile einer englischen Telefonzelle, kann jeder Lebensmittel ablegen oder kostenlos mitnehmen – natürlich nach strengen Hygieneregeln und unter Beachtung der Lebensmittelsicherheit.

Im „Fairteiler", einem Riesenschrank im Stile einer englischen Telefonzelle, kann jeder Lebensmittel ablegen oder kostenlos mitnehmen – natürlich nach strengen Hygieneregeln und unter Beachtung der Lebensmittelsicherheit. © Stefan Grothues

Frisches Obst, Gemüse und Brot werden besonders häufig abgegeben – und mitgenommen. Aber auch Backpulver, Tees und Konserven finden dort ihre Verwerter. Jana Melzer betont: „Natürlich beachten wir strenge Hygieneregeln und die Lebensmittelsicherheit. Die Lebensmittelkontrolleure des Kreises waren schon hier und haben grünes Licht gegeben.“

„Es geht um Nachhaltigkeit“

„Foodsharing? Das hast du doch nicht nötig!“, diese Bemerkung hat Melanie Strotmann schon mehr als einmal gehört. Natürlich kann die 42-Jährige, die eine Wohngruppe in einer Einrichtung für Menschen mit Behinderung leitet, ihre Lebensmittel kaufen. Sie sagt: „Beim Foodsharing geht es ja nicht um Bedürftigkeit. Es geht um Nachhaltigkeit, es geht darum der Umwelt ein kleines Stück Wertschätzung zurückzugeben.“

Erst am letzten Sonntag hat sie die Reste eines Frühstücksbüffets in einem Stadtlohner Café abgeräumt: Obst, Käse, Aufschnitt, Brot und Brötchen. „Das habe ich in der Familie und mit Bekannten geteilt. Geld ist dabei nie im Spiel. Stephanie Grassedonios bislang größter Coup: die Rettung von 500 Bio-Eiern, die kurz vor dem Ablauf standen. „Das war schon eine Herausforderung, die bei Verwandten und Bekannten unterzubringen“, sagt die 31-Jährige lachend. „Aber am Ende waren sogar noch mehr Eier gefragt.“

Jetzt suchen die Lebensmittelretter noch weitere Lebemsmittelbetriebe, denen sie nicht mehr gebrauchte Lebensmittel abnehmen können. Stephanie Grassedonio: „Das ist gar nicht so einfach. Wir müssen oft gegen das Vorurteil ankämpfen, Schnorrer zu sein.“ Jana Melzer ergänzt: „Dabei geht es uns darum, einen Betrag gegen Verschwendung zu leiten, sodass wirklich keine genießbaren Lebensmittel in der Tonne landen müssen.“