
© Stefan Grothues
Stadtlohns unbekannter bekannter Künstler: Caius J. Spillner und die Narren
Kunstausstellung
Venedig, Havanna, Paris und Bali – Caius J. Spillner hat seine Werke schon exklusiv ausgestellt. Doch in Stadtlohn ist der Künstler fast unbekannt. Dabei wohnt er schon seit 19 Jahren hier.
Eigentlich habe ich ja gar keine Zeit, mit Ihnen über meine erste Ausstellung in Stadtlohn zu sprechen. Ich muss an meinem Narrenschiff arbeiten“, sagt Caius J. Spillner am Telefon. Im Atelier will der „Filsof“ weiter geschnitzt werden. Schon jetzt ist zu erkennen, dass diese Figur ein Narr werden wird. Oder gerade deswegen ein Philosoph?

Der "Filsof" gehört zur Besatzung des neuen Narrenschiffes, an dem der Künstler Caius J. Spillner zurzeit arbeitet. © Stefan Grothues
Doch dann nimmt sich Caius J. Spillner die Zeit, trägt den schwarzen Anzug statt des roten Atelier-Overalls zum weißen Rauschebart und empfängt den Besucher im repräsentativen, 100 Jahren alten Bürgerhaus an der Dufkampstraße. Er kocht Kaffee, seine Lebensgefährtin Janneke van Veen reicht selbstgebackene Plätzchen. Seit 50 Jahren leben der Künstler und die Niederländerin, die in Enschede Modedesign lehrt, schon zusammen. Vor zwei Jahrzehnten zogen sie nach Stadtlohn. Das Haus hatte es ihnen angetan.

Dieses Bild hat Caius J. Spillner eigens für das Treppenhaus zum Josef-Albers-Saal geschaffen. Es soll dort auch nach Ausstellungsende als Leihgabe verbleiben. © Stefan Grothues
Caius Julius Spillner wurde 1947 in Münster geboren. Klosterschule, Textillehre, wirtschaftliche Unabhängigkeit nach erfolgreicher Zeit als Textilkaufmann. Dann 1978 die Kehrtwende zum Kreativen: Tischlerei-Praktikum, Kunststudium, Bildhauerei-Praktikum auf Bali. Diese Vita nennt der Ausstellungskatalog. Er selber will jetzt über seinen Lebenslauf nicht sprechen. „Das können Sie ja alles nachlesen!“ Caius J. Spillner spricht lieber über das Leben und die Kunst und redet sich augenzwinkernd in Rage.

Caius J. Spillner legt Hand an den "Filsof" für das neue Narrenschiff. © Stefan Grothues
Janneke van Veen hört ihm amüsiert dabei zu, als er über Architektursünden, über Managermacht und politische Versäumnisse schimpft. Spillner ist ein Freigeist und ein leidenschaftlicher Erzähler, er schmückt seine Geschichten mit Schiller-Versen, italienischen, englischen und niederländischen Einschüben. Er erzählt von Campino und Udo Lindenberg, die seine Kunst schätzen, von kubanischen Zigarren, die er mit dem Dramatiker Heiner Müller rauchte, und von seinem kommunistischen Kunst-Professor Thomas J. Richter. „Ich selber bin ja kein Kommunist. Ich bin katholischer Atheist“, sagt Spillner.

Spillners Holzskulptur „Dr. Horkheimer“ ist an diesem Wochenende noch in der Ausstellung im Josef-Albers-Saal zu sehen. © Stefan Grothues
Das Haus von Caius J. Spillner und Janneke van Veen erzählt die 1001 Geschichten auf seine Weise, allüberall Bücher, Bilder und Skulpturen aus aller Welt. Und das Atelier im Obergeschoss ist ein chaotischer Kosmos von Farben und Ideen im Werden. Im Sommer aber arbeitet Caius J. Spillner noch lieber im Garten, an den der Busbahnhof grenzt. „Guck mal der alte Knacker mit dem Hut!“, hört er dann von den Schülern. Er lacht. Er mag das offene und direkte Wort. Und die vorurteilslose Betrachtung. Die wünscht er sich auch für seine erste Ausstellung in Stadtlohn: „Ich mag das Getue um die Kunst nicht.“

Dieses Narrenschiff ist eines von mehreren, die in der Ausstellung im Josef-Albers-Saal gezeigt werden. © Stefan Grothues
„Und die Bezeichnung Künstler ist mir suspekt“, sagt Caius J. Spillner. Er nennt sich lieber „Kleinfliesenleger“ oder „Figürchenmacher“ – „weil mir das Handwerk lieber ist als der überhöhte Kunstbegriff“. Spillner ist ein ausgezeichneter Handwerker. Und ein Künstler. Auf seinen Bildern herrscht Schweigen.

Ein Blick ins Atelier von Caius J. Spillner © Stefan Grothues
Würdevolle Frauengestalten, stumme Harlekine und rätselhafte Chimären eröffnen mythisch anmutende Szenarien der Sehnsucht und der unerzählten Geschichten: die Frau des Bademeisters, Professor Horkheimer in Vogelgestalt, die Frau am Leuchtturm. Max Beckmann, Giorgio de Chirico und Frida Kahlo lassen grüßen.

Treppenbild im Treppenhaus. Der Akt auf der Treppe bleibt als Leihgabe in der ehemaligen Marienschule © Stefan Grothues
Expressive Kraft, feine Linien, südamerikanische Volkskunst und Graffiti-Elemente des Punk geben Spillners Holz- und Linolschnitten ganz unterschiedliche Ausprägungen. Und immer wieder schnitzt Spillner Narrenschiffe.
Caius J. Spillner setzt das Schnitzeisen am halbfertigen Filsofen an. Die Mahogoni-Figur wird mit Spillners größtem Narrenschiff auf Reisen gehen, an dem der Künstler zurzeit arbeitet. Vor 500 Jahren schickte Sebastian Brant in seiner spätmittelalterlichen Satire erstmals ein Narrenschiff auf die Reise nach „Narragonien“, um Laster und Dummheiten kritisch aufs Korn zu nehmen. Narragonien steht immer noch in voller Blüte. Caius J. Spillner nennt nur drei Städtenamen: „Istanbul, Moskau, Washington – Fools enough!“