Stadtlohner Hans Brüning hängt mit 91 die Holzschuhe an den Nagel Eigentlich wollte er Lehrer werden

Mit 91 die letzten Holzschuhe verschenkt: Hans Brüning geht in „Rente“
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Ein letztes Mal mit dem Bulli auf Tour: Hans Brüning blickt dankbar auf den vergangenen Samstag zurück. Ein letztes Mal ist sein Sohn Thomas mit ihm ins Osnabrücker Land gefahren. Das Ziel: Seine jahrelangen, treuen Kunden. Er nutzte die Chance, um den Rest der Waren, die noch bei ihm lagerten, zu verschenken. Aber vor allem auch für Gespräche – über Holzschuhe, alte Zeiten und alles, was die Menschen so bewegt.

Hans Brüning ist heute 91 Jahre alt. Rund 65 Jahre lang ist er zunächst mit einem Tempo Dreirad, später mit dem VW-Bulli zu seinen Kunden gefahren. Hätte eine schwere Krankheit ihn Ende 2016 nicht zur Pause gezwungen, wären es wohl auch noch über 70 Jahre geworden. Damals war der Stadtlohner aber immerhin auch schon 84 Jahre alt.

Mit ihrem Dreirad Tempo starteten Hans Brüning und Heinz Horst ins Osnabrücker Land und verkauften Holzschuhe.
Der Start in eine ungewöhnliche Karriere: Mit ihrem Dreirad Tempo starteten Hans Brüning und Heinz Horst ins Osnabrücker Land und verkauften Holzschuhe. © privat

Hans Brüning ist gelernter Holzschuhmacher. „Das war so eigentlich gar nicht geplant“, erinnert sich der 91-Jährige. Eigentlich wollte er Lehrer werden. Doch der Zweite Weltkrieg brachte alle Pläne durcheinander. Seine Brüder fielen im Krieg, das Haus der Familie brannte beim Einmarsch der Alliierten Truppen durch Granaten-Beschuss nieder. Bis die Familie das Haus in Wendfeld wieder aufgebaut hatte, wohnte sie in der Holzmacher-Werkstatt des Vaters, der ebenfalls früh starb.

Die Mutter hoffte, dass Hans Brüning mit einer Lehre beim Holzschuhmacher schnell Geld verdienen könnte. „Und dem bin ich auch nachgegangen.“ Er lernte bei seinem Cousin, schloss die Ausbildung sehr gut ab.

Viel Geld gab es aber auch da nicht, dafür Kost und eine Unterkunft. Nur einmal im Jahr zur Vredener Kirmes gab es fünf Mark. Nach der Ausbildung arbeitete Brüning zunächst in Stadtlohn, dann führten ihn seine Wege nach Dortmund.

Zehn Bullis fuhr der heute 91-Jährige in seiner Karriere als Verkäufer auf.
Zehn Bullis fuhr der heute 91-Jährige in seiner Karriere als Verkäufer auf. © privat

Dort wurde der Grundstein für seine spätere Karriere gelegt. „Die Firma verkaufte Holzschuhe ins Osnabrücker Land und nach Minden.“ Ein Hilfsarbeiter erklärte dem damals 20-jährigen Gesellen, wie das Ganze funktionierte. „Da kam mir der Gedanke, das könnte ich doch auch.“

Gesagt, getan. „Die erste Ladung Holzschuhe haben wir noch in der Werkstatt meines ehemaligen Meisters gefertigt.“ Wir, das sind Hans Brüning und ein früherer Kollege. Doch wie sollten die Holzschuhe zu den Käufern kommen? „Wir hatten ja kein Geld. Meine Mutter hat sich dann das erste Geld an der Kasse in Vreden geliehen.“

Holzschuhe waren beliebt

Im Februar 1952 ging es dann „au’s Geratewohl“ in das Osnabrücker Land. Doch warum eigentlich genau dahin? „Die Preise für Holzschuhe waren dort wesentlich höher.“

Es war der Start in eine ungewöhnliche Karriere. Die Holzschuhe aus dem Münsterland waren beliebt. „Und wenn es irgendwo gedrückt hat, habe ich es vor Ort angepasst.“ Der Vorteil eines Verkäufers, der das Holzschuhmacher-Handwerk auch gelernt hat. Jeden Montag belud Hans Brüning sein Fahrzeug, von Dienstag bis Freitag war er unterwegs. Er bezog bei Bauernfamilien im Osnabrücker Land Quartier und belieferte von dort aus seine Kunden.

Gleich mehrere Generationen von Familien belieferte Hans Brüning mit seinen Waren.
Gleich mehrere Generationen von Familien belieferte Hans Brüning mit seinen Waren. © privat

In den „besten“ Jahren fuhr Hans Brüning 50.000 Kilometer im Jahr. Zehn Bullis habe er dabei aufgefahren. Doch ihm war immer wichtig: „Wenn ich gesagt habe, ich komme, dann bin ich gekommen.“ Und da war es auch egal, ob das abends um 23 Uhr war.

Das schätzten seine Kunden. Während die Konkurrenten nach und nach aufgaben, hatte Hans Brüning bis zuletzt gut zu tun. „Das mit den Holzschuhen ist aber immer weniger geworden. Die Landwirte haben sie noch die längste Zeit genutzt.“ Doch auch wenn er anfangs skeptisch war, nahm Hans Brüning auch Textilien in sein Sortiment auf und konnte so seinen Lebensunterhalt weiter mit dem Verkauf bestreiten.

Ganz leicht fiel weder dem Verkäufer noch den Kunden der Abschied nicht.
Ganz leicht fiel dem Verkäufer und den Kunden der Abschied nicht. © privat

Noch heute weiß der 91-Jährige ganz genau, welcher Kunde welche Schuh- oder Kleidergröße braucht. Doch nun ist Schluss. Wohl nicht nur bei den Kunden hinterlässt das eine gewisse Traurigkeit. „Ich wurde bei den Kunden immer herzlich empfangen, ich habe mit ihnen am Tisch gesessen.“

Hans Brüning zeigt ein Kissen, das eine Kundin für ihn gestrickt hat. Auch für Sohn Thomas gab es eins. Doch nicht nur der Dank seiner Kunden war dem Stadtlohner ein guter Lohn. „Ich konnte meine Kinder immer gut unterstützen“, blickt er auf sein Lebenswerk zurück.