Es sind menschliche Abgründe, die sich auftun. Auch für die Strafverfolgungsbehörden ist es ein Fall, der „heraussticht“. Eine schier unvorstellbare Menge kinderpornografischer Dateien hatte sich ein Stadtlohner (43) beschafft. Dann verpfiff ihn seine Ex-Freundin an die Polizei.
Im Dezember 2021 schlugen die Ermittler daraufhin unangekündigt in Stadtlohn zu. In der Wohnung des Mannes wurden ein Computer sowie eine externe Festplatte sichergestellt. Die darauf gespeicherten Dateien mit kinderpornografischem Inhalt – inklusive Hunderter Videos – hatten es in sich.
Sexueller Missbrauch
Die Dateien zeigen „Posing-Bilder“ mit vorwiegend jungen Mädchen, aber auch schwersten sexuellen Missbrauch an Kleinkindern. Der Stadtlohner war bereits zuvor einschlägig in Erscheinung getreten und verurteilt worden. Geändert hatte das an seinem Verhalten offenkundig nichts.
Im Februar 2024 – also weit über zwei Jahre nach der Wohnungsdurchsuchung – hielt ein Gutachter während der Verhandlung gegen den Mann am Amtsgericht Ahaus fest, dass keine sexuelle Störung hinsichtlich einer Pädophilie vorliege, die das gesamte Leben des Stadtlohners dominiere.
Aber es liege wohl eine „sexuelle Ansprechbarkeit auf weibliche Kinder“ vor. Also „Pädophilie als Nebenströmung“ mit möglicherweise depressiven Neigungen. Seinerzeit war aber auch noch nicht bekannt, welches Ausmaß die Anzahl der kinderpornografischen Dateien mal annehmen würde.

Von „mindestens rund 100.000 Dateien“ war seinerzeit im verlesenen Auswertungsbericht die Rede. Und schon da gab es die Vermutung, dass es wohl noch Hunderttausende mehr waren. Der Stadtlohner soll aber vor dem Zugriff der Polizei große Teile gelöscht haben.
Doch offenkundig konnte das gesamte Ausmaß jetzt doch noch erfasst werden. Im Detail lässt sich da das Landgericht Münster nicht in die Karten schauen. Aber Gerichtssprecher Henning Barton spricht auf Nachfrage dieser Redaktion von „knapp einer halben Million Dateien“. Dieser Fall „steche“ bei dieser enormen Anzahl nach „oben heraus“.
Berufung eingelegt
Doch warum ist auf einmal das Landgericht involviert? Weil der Stadtlohner die Verurteilung durch den Richter am Amtsgericht Ahaus im Februar dieses Jahres nicht akzeptieren wollte. Der 43-Jährige sah es nicht ein, für seine Taten, durch die die Kinder laut Richter ihres Lebens nicht mehr froh werden, für zweieinhalb Jahre in Haft zu müssen. Er legte Berufung ein.
Der Berufungsprozess fand jüngst am Landgericht statt. Laut dem Gerichtssprecher wollte der Stadtlohner mithilfe seines Anwaltes die Strafe auf unter zwei Jahre drücken. So wäre eine Bewährung möglich und eine Haftstrafe vom Tisch gewesen.
Doch dazu kam es nicht. Die Berufung wurde von der 13. Strafkammer abgeschmettert. Zwar war der Stadtlohner – wie schon am Amtsgericht – geständig, aber er ist eben schon einschlägig vorbestraft und stand während der Wohnungsdurchsuchung 2021 unter Bewährung.
Und letztlich hatte der Mann auch noch richtig Glück. Denn angesichts des nun bekannt gewordenen Ausmaßes mit fast 500.000 Kinderpornodateien wäre eine erstinstanzliche Verurteilung wohl deutlich höher ausgefallen als „nur“ mit zweieinhalb Jahre Haft, wie der Gerichtssprecher skizziert.
Keine U-Haft
Die 13. Strafkammer am Landgericht konnte aber trotz dieses Wissens das Strafmaß nicht erhöhen. Klingt kurios, ist aber so. Dabei geht es um das „Verschlechterungsverbot“, wie der Gerichtssprecher erklärt. Dieses ist Teil der Strafprozessordnung.
Es bedeutet im Strafrecht, dass das Urteil in einem Berufungsprozess nicht zum Nachteil desjenigen ausgelegt werden darf, der diese eingelegt hat.
Hätte die Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Amtsgerichtes Ahaus Berufung eingelegt, wäre eine deutlich höhere Haftstrafe für den Stadtlohner möglich gewesen. So aber muss er „nur“ zweieinhalb Jahre in Haft, sobald das Urteil rechtskräftig ist. Noch aber ist eine Revision möglich.
Entsprechend bleibt der Mann – trotz seiner Taten – auf freiem Fuß. Gründe für eine U-Haft lagen und liegen laut Gericht nicht vor.