Nein, dieser Tragweite sei er sich nicht bewusst gewesen. Gleich dreimal hatte ein Stadtlohner seiner damaligen Freundin einen Sticker mit kinderpornografischem Motiv geschickt. Seinerzeit noch als Heranwachsender. Der Besitz ist letztlich aufgefallen bei einem Diebstahlsdelikt, bei dem das I-Phone des heute 22-Jährigen sichergestellt wurde.
Dass der Angeklagte vor dem Jugendschöffengericht zumindest zunächst den Vorfall noch versuchte kleinzureden, kam bei Richter wie Staatsanwalt nicht gut an. Das machten sie dem Stadtlohner auch deutlich.
Im Zeitraum von Juli 2022 bis Februar 2023 schickte der Angeklagte jeweils dreimal den gleichen Sticker an seine damalige Freundin. Das Motiv: ein etwa vierjähriges Mädchen in eindeutiger Pose, an dem ein Mann sexuelle Handlungen vornimmt.
„Für mich ist das kein Foto, kein Video. Ich habe es mit zig anderen zusammen verschickt“, meinte der Stadtlohner. Dabei habe er wohl übersehen, dass es sich „um keine Puppe“ handele auf dem Sticker. „Für mich sieht der Sticker nicht echt aus“, ergänzte er. Natürlich spreche das alles nicht für ihn.
Wegen Diebstahls verurteilt
Im April dieses Jahres war der nun 22-Jährige nach Erwachsenenstrafrecht wegen gemeinschaftlichen Diebstahl in einem besonders schweren Fall im Amtsgericht verurteilt worden. Dabei war auch sein Handy sichergestellt worden.
„Ich habe es sogar freiwillig rausgegeben und habe angeboten, auch meinen Laptop mitzunehmen“, betonte er. Sprich: Er sei sich nicht bewusst gewesen, dass sich auf dem Handy kinderpornografische Inhalte befinden. „Hätte ich das gewusst, hätte ich diesen Sticker nicht verschickt.“
So ganz wollte der Richter ihm das nicht glauben: „Dies zu bagatellisieren, geht mir deutlich auf den Sender.“ Er verlas Auszüge eines Chats zwischen dem Angeklagten und seiner damaligen Freundin. So habe diese ihm nach dem zweiten Schicken des Stickers folgendes geschrieben: „Junge, bist Du ekelhaft.“
Sie habe darauf darum gebeten, solche Sticker nicht mehr geschickt bekommen zu wollen.
„Und trotzdem haben sie diesen ein drittes Mal geschickt“, erklärte der Richter. „Sie wollte halt Sticker. Ich hab Hunderte geschickt und wie wild aufs Handy gedrückt“, antwortete der Stadtlohner. Er betonte noch einmal, dass es sich um „kein Foto oder Video“ handele.
Für den Anklagevertreter sei das alles „merkwürdig“: „Warum schicken Sie ihrer Freundin gleich dreimal diesen Sticker?“ Er mache den Job schon einige Jahre, exakt dieser Sticker sei ihm dabei schon häufiger untergekommen.
Er sah es wie der Richter – man müsse es nicht höher hängen als es ist. Aber: Das zu bagatellisieren, kommt auch bei ihm nicht gut an. Und: „Zum Tatzeitpunkt galt dies noch als Verbrechen. Und dann reden wir von empfindlichen Freiheitsstrafen nach Erwachsenenstrafrecht.“
Beim Angeklagten sehe er die Klippe zwischen Jugend- und Erwachsenenstrafrecht.
Mehr Aufschlüsse brachte der Bericht der Jugendgerichtshilfe. Demnach habe der 22-Jährige aktuell wegen dieses Tatvorwurfs großen Ärger mit dem Vater. Obwohl er das Erwachsenenalter erreicht und eine feste Anstellung habe, sei bei ihm eine „Reifeverzögerung“ erkennbar.
Deshalb schlage sie die Anwendung des Jugendstrafrechts vor. Konkret: Angebracht sei ein sexualpädagogisches Medienkompetenztraining. Der Richter schlug vor, den Tatvorwurf auf die Drittbesitzverschaffung von kinderpornografischen Schriften zu beschränken. Also auf das dreimalige Verschicken. So sah es auch der Staatsanwalt.
Für diesen habe sich der Sachverhalt bestätigt. „Sie haben das Verschicken eingeräumt, zunächst zwar noch rumgedruckst.“ In Summe habe der Angeklagte schon gewusst, worum es gehe. Für ihn habe das Pendel in Richtung Jugendstrafrecht vor allem durch die schwere Kindheit des Angeklagten ausgeschlagen. Ein „Grenzfall“.
Für ihn stehe in diesem Fall der Erziehungsgedanke im Vordergrund. So könne er sich sehr gut mit dem Vorschlag der Jugendgerichtshilfe anfreunden. Plus einer Geldauflage von 300 Euro an einen gemeinnützigen Verein – als „Denkzettel“.
Urteil nach Jugendstrafrecht
Komplett damit überein stimmte der Verteidiger: „Mein Mandant hat nicht genau genug hingesehen und eingeräumt, dass dies Blödsinn war.“ Er hoffe, dass sich dieser künftig „Gedanken macht, was er so durch die Gegend schickt“.
Das Jugendschöffengericht ging ebenso mit. Es gebe zwar deutlich schlimmere Fälle, aber auch hier handele es sich um keine Bagatelle, betonte der Richter noch einmal. Das Gericht erkenne beim Angeklagten noch ein „jugendtypisches Verhalten.“ Das Training solle sensibilisieren: „Den Opfern wird schwerstes Leid angetan.“
Mit Blick auf die Geldauflage von 300 Euro, zu zahlen an den Kinderschutzbund, ergänzte der Richter, dass der Stadtlohner gleichfalls noch die Geldstrafe aus dem Diebstahlverfahren (über 7000 Euro) und zweimal Anwaltskosten zu leisten habe.