„Sie brauchen dringend psychologische Behandlung.“ Abschließend wandte sich der Richter noch einmal an den Angeklagten. Soeben hatte das Schöffengericht den Stadtlohner wegen des sexuellen Missbrauchs von Kindern verurteilt.
Den Vorfall aus dem Jahr 2012 mit seiner damals zehn Jahre alten Tochter hatte der 42-Jährige selbst zur Anzeige gebracht. Dafür hatte es einen konkreten Auslöser im Herbst des vergangenen Jahres gegeben.
Schweigend, gebeugt und in sich gekehrt, fast abwesend. So wie überwiegend während der gesamten Verhandlung im Amtsgericht blickte der Stadtlohner zu Beginn in die Runde. Die Anklagevorwürfe nahm er entsprechend regungslos zur Kenntnis.
Demnach soll er vor rund 13 Jahren im Haus der Eltern zu seiner Tochter ins Bett gestiegen sein. Dort habe er die Tochter geküsst und zwischen den Beinen gestreichelt.
Einige Wochen später soll es einen weiteren Vorfall mit einer anderen minderjährigen Person gegeben haben. Vorweg: An diesen hatte sich die Zeugin selbst aber nicht erinnern können, erklärte der Richter. Warum er diesen Fall angezeigt habe, dafür hatte auch der Angeklagte keine Erklärung. Letztlich wurde dieses Teilverfahren eingestellt.
Merkwürdige Dinge im Hotel
Nicht aber jenes seine eigene Tochter betreffend. Zunächst verlas der Verteidiger eine schriftliche Einlassung. Demnach habe sein Mandant im Herbst 2024 eine Bekanntschaft besucht. In seinem Hotelzimmer soll es einige „merkwürdige Dinge“ gegeben haben.
Unter anderem habe er am nächsten Morgen Fußabdrücke von Kindern auf Wand und auf dem Boden wahrgenommen. „Ich hatte das Gefühl, dass mich jemand für meine Taten damals bestrafen will“, hatte der 42-Jährige zur Niederschrift gegeben.
Das sei der Auslöser gewesen, zur Polizei zu gehen und sich selbst anzuzeigen. „Er will reinen Tisch machen“, so der Verteidiger. Er räume alle Tatvorwürfe ein, strebe eine weitere psychologische Behandlung an. Konkret zu den Tatvorwürfen stand nichts geschrieben.
Der Richter hakte entsprechend nach: „Was ist mit ihrer Tochter passiert.“ „Ich bin zu ihr ins Bett, habe ihr auf den Bauch gefasst“, so die Antwort. Nicht mit sexuellem Hintergrund. Dass sich das nicht mit seiner Aussage bei der Polizei decke, daran erinnerte ihn der Richter.
Dass er sich selbst angezeigt habe, sei erheblich strafmildernd zu werten. Das würde weiter unterstützt, wenn er noch einmal in sich gehen würde. Die Aussage seiner Tochter bei der Polizei passe nämlich gut zu seiner eigenen Aussage bei der Polizei.
Andernfalls müsste womöglich noch die Tochter selbst vernommen werden. Der Verteidiger und der Angeklagte berieten sich darauf kurz.
Nach der Unterbrechung erklärte der Verteidiger, dass die Tatvorwürfe genauso wie verlesen eingeräumt würden. Die konkreten Fragen des Richters dazu nickte der Stadtlohner maximal ab, er sei nicht in der Lage, etwas zu erzählen. Er leide schon lange an einer Depression, habe diese lange ignoriert.
Der Richter schlug vor, die Aussage des Angeklagten bei der Polizei verlesen zu lassen, Anklagevertretung und Verteidiger gingen mit. Demnach habe der Stadtlohner seine Tochter damals im Bett an den Po gefasst und im Intimbereich berührt. Seither habe er immer wieder mal pädophile Fantasien. Diese sollten auch im Rahmen der Therapie aufgearbeitet werden.
Analog verlas der Richter die Aussage der Tochter vom vergangenen Jahr. So sei der Stadtlohner seinerzeit betrunken zu ihr ins Bett gekommen, habe sie auf den Mund geküsst. Später zwischen den Beinen gestreichelt. Sie habe sogleich angefangen zu weinen, habe Schmerzen verspürt. Sie habe sich überrumpelt und beklemmt gefühlt.
Am nächsten Morgen habe sie sich mit der Sache alleingelassen gefühlt, auch im Telefonat mit ihrer Mutter habe sie nicht darüber sprechen können. Angezeigt habe sie den Fall nicht. Sie befinde sich selbst in psychologischer Behandlung, was der Befund einer Psychologin bestätigte. Ein weiterer Befund bekräftigte die depressive Störung beim Angeklagten, aber ohne psychotische Symptomatik.
„War so.“ Kurz bestätigte der Stadtlohner die nochmalige Aussage des Richters, dass beide Aussagen gut zusammenpassten.
In ihrem Plädoyer sah die Staatsanwältin den Sachverhalt als erwiesen an, der Angeklagte habe sich des sexuellen Missbrauchs von Kindern schuldig gemacht. Zugutehielt sie dem 42-Jährgen das vollumfängliche Geständnis, zudem sei dieser nicht vorbestraft.
Allerdings wiege schwer, dass der Missbrauch zu Lasten der eigenen Tochter gehe: „Sie haben das Vertrauensverhältnis ausgenutzt.“ Ein Jahr Freiheitsstrafe zur Bewährung, so ihr Antrag.
Verteidiger sieht atypischen Fall
Der Verteidiger sah einen eher atypischen Fall, ausgelöst durch die Erfahrungen beim Kurztrip im Herbst 2024: „Er leidet offensichtlich psychisch unter den Vorfällen.“ Er hob die Eigeninitiative des Mandanten hervor: „Sonst wäre es womöglich nie rausgekommen.“
Sein Mandant habe die Einsicht gewonnen, dass er sich behandeln lassen müsse, damit von ihm keine Gefahr mehr ausgeht. Er habe sich seitdem von der Tochter ferngehalten. Man bitte um eine „angemessene Sanktion“.
Zu einem Jahr und vier Monaten Freiheitsstrafe verurteilte das Schöffengericht den Stadtlohner. Ausgesetzt zur Bewährung. Auch wenn er die Aussagen weitgehend nur abgenickt habe, seien die Vorwürfe letztlich eingeräumt.
Auf den verlesenen Aussagen ließe sich eine Verurteilung stützen. „Ihre Tochter bestätigt Dinge ohne zu wissen, was Sie ausgesagt haben“, betonte der Richter. Strafmildernde und -verschärfende Gründe deckten sich weitgehend mit dem Plädoyer der Anklagevertreterin. Er erklärte, dass der Vorwurf nicht weit weg von einer Vergewaltigung sei.
Dass sich der 42-Jährige selbst angezeigt habe, sei schon einer „besonderer Umstand“. „Sie wollen etwas ändern“, so die Erkenntnis des Richters. Helfen müsse zwingend eine psychologische Behandlung, die der Stadtlohner als Bewährungsauflage erhielt.