Überfall-Opfer will sich nicht mehr an Schläge erinnern Stadtlohner Räuber lachen vor Gericht

Überfall-Opfer will sich nicht mehr an Schläge erinnern
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Ein bizarres Schauspiel bot sich am Mittwoch den Beteiligten im Raubprozess gegen zwei Männer aus Stadtlohn. Der wichtigste Zeuge wurde von der Polizei nach Münster gebracht und von Justizbeamten in den Saal des Landgerichts geführt. Zum Prozessauftakt am 25. Februar vor der 9. Großen Strafkammer war der 28-Jährige nicht erschienen und deshalb mit einem Ordnungsgeld bestraft worden.

Laut Staatsanwaltschaft sollen ihn die beiden Angeklagten am 19. September 2024 in einem Obdachlosenheim an der Klosterstraße in Stadtlohn überfallen, verprügelt, am Kopf verletzt und ihm schließlich seine Geldbörse geraubt haben. Gegenüber der Polizei hatte er unmittelbar nach der Tat gesagt, dass er in seinem Bett lag und einen lauten Knall hörte, als seine Tür aufflog. Dann hätten zwei Männer sofort auf ihn eingeschlagen und eingetreten.

An all das konnte sich der Mann aber am zweiten Verhandlungstag nicht mehr erinnern. Den Fragen des Vorsitzenden Richters wich er aus, druckste herum, wirkte fahrig und verängstigt. Die beiden Angeklagten seien nie in seinem Zimmer gewesen. Er kenne sie nicht. Als der Zeuge das sagte, strahlten die Angeklagten sich und ihre Verteidiger an.

Später stellte sich heraus, dass der Zeuge die Männer doch kannte. Er blieb aber dabei, dass sie ihm nichts getan hätten. Der Richter konfrontierte ihn mit den Polizeifotos, die seine erheblichen Gesichts- und Kopfverletzungen dokumentierten. Die habe er sich selbst zugefügt, als er seinen Kopf gegen die Wand schlug, erklärte er. Der Vorsitzende machte ihm deutlich, dass er hart bestraft werden könne, wenn er dem Gericht Lügen auftische: „Jetzt wird es allmählich ernst für sie“. Doch der 28-Jährige schien sich vor seinen früheren Aussagen bei der Polizei mehr zu fürchten als vor den Folgen einer Falschaussage.

Zeuge nicht als Zeuge geeignet

Dann griff der Vorsitzende zu einem überraschenden Mittel. Er bat den psychiatrischen Sachverständigen, der eigentlich zur Begutachtung der Angeklagten am Prozess teilnimmt, um eine Untersuchung des Zeugen. Dazu wurde die Verhandlung für 40 Minuten unterbrochen. Als es weiterging, wirkte der 28-Jährige noch konfuser.

Der Psychiater stellte fest, dass er wohl seelisch zerrüttet sei. Es gebe Hinweise auf eine schizophrene Erkrankung mit Wahnanteilen, die völlig unbehandelt sei. Der Mann höre Stimmen, konsumiere Alkohol und Drogen. Als Zeuge sei er nicht geeignet. Daraufhin entließ die Kammer ihn unvereidigt.

Keine Erinnerung an Fahrraddiebstahl

Interessant wurde es noch einmal bei zwei anderen Zeugen, die zu einem Vorfall am 3. Mai 2024 aussagten. An diesem Abend waren sie dem jüngeren der beiden Angeklagten in Stadtlohn begegnet. Der sei „hart betrunken“ und aggressiv gewesen. Er habe gedroht, ihnen den brennenden Joint weggenommen und einem von ihnen ein 2000 Euro teures E-Bike entrissen.

Damit sei er weggefahren, um weiteres Cannabis zu besorgen. Noch bevor die Polizei am Tatort eintraf, habe er das Fahrrad zurückgebracht und sei verschwunden. An diesen Vorfall konnte sich der 20-jährige Angeklagte immer noch nicht erinnern.

Wodka aus K+K-Markt geschleppt

Der ältere, mittlerweile 30 Jahre alte Angeklagte stand schließlich im Mittelpunkt, als die Zeugen zum Einbruch in den Stadtlohner K+K-Markt am 3. März 2024 aufmarschierten. Mehrere Polizisten und eine Mitarbeiterin des Supermarktes berichteten über die Massen von Wodka, Rasierern und Süßigkeiten, die die Täter aus dem Lager geschleppt hatten.

Den Angeklagten stellte ein Beamter auf frischer Tat, mit einer Kiste voll Diebesgut am Seiteneingang. Sein Komplize flüchtete und wurde bis heute nicht gefunden. Der Festgenommene erzählte der Polizei in der Tatnacht, er sei nur Zeuge des Einbruchs gewesen. Mittlerweile räumt er ein, dass er mit seinem Pkw vorgefahren war, um die Beute abzutransportieren. Am Einbruch selbst sei er nicht beteiligt gewesen.

  • Der Prozess wird am 12. März fortgesetzt.