Ein Leben lang war Hans-Jürgen Robers Schuhhändler, seit nunmehr 22 Monaten befindet sich der Stadtlohner im „Ruhestand“. Schuhe hinterlassen bekanntlich Spuren – und der 66-Jährige hat sich nun selbst auf Spurensuche begeben. Er hat Stadtlohns Handels- und Verkehrswege von 1100 bis 1900 aufgespürt. Wie wurden unsere Vorfahren mobil?
Die Ergebnisse präsentiert der Kaufmann in einer dreiteiligen Vortragsveranstaltung im Kultur-, Heimat- und Integrationszentrum (KIZS) samt Ausstellung. Mit teils überraschenden Erkenntnissen. Und angereichert mit der einen oder anderen Anekdote.
Vom Kiepenkerl zum Schiffsrad
Ein Schiffsrad. Wenn er wieder einmal gefragt worden sei, wie er ausgerechnet auf dieses Thema gekommen ist, dann verweist Hans-Jürgen Robers auf das große Schiffsrad, das er in der Kiepenkerl-Sammlung im Anna-Stift entdeckt hat. Angestoßen von Günther Südhoff. Der folgende Kontakt zum Stadtarchivar Ulrich Söbbing habe ihn weiter bestärkt: „Zu Handelswegen gibt es noch nicht so viel.“ Und so machte sich der Stadtlohner selbst auf den Weg. Ganz sprichwörtlich.
Er besuchte viele Museen, von Münster bis nach Deventer. Die erste Erkenntnis: „Es gibt Material für jedes Medium separat, vieles endet an der Grenze.“ Hans-Jürgen Robers setzte das Puzzle aus vielen Einzelteilen zusammen. Es entstanden die wesentlichen Handelswege, „transportmittel- und grenzübergreifend“, berichtet Robers. Drei Monate habe er gebraucht, um das Sammelsurium erst einmal zu kanalisieren. Alles auf Basis der bestehenden Literatur, unter anderem vom Heimatverein.

Bis zu 14 Schuhfilialen führte Hans-Jürgen Robers gleichzeitig, eine davon in Winterswijk. Eine geschichtsträchtige Verbindung. „Deventer war einst wichtigster Handelspartner des Westmünsterlandes und größte Stadt der Niederlande im 12. Jahrhundert“, so Robers. Ausdruck dieser Verbundenheit sei zum Beispiel der Radclub mit dem deutschen Namen „Immer weiter“ von 1871.
Auf der anderen Seite waren die Holländer der größte Konkurrent der Ijsselstädter. „Die Ansiedlung von Holländern in Deventer war gar gesetzlich verboten, selbst die Heirat wurde unter Strafe gestellt“, erklärt der 66-Jährige und lacht. Eine der Anekdoten.
Eine weitere: Straßenraub sei auf den Handelswegen ein großes Problem gewesen – auf beiden Seiten der Grenze. So wurden an den Hauptwegen zur Abschreckung gar Galgen errichtet.
Oder: Auf den sogenannten Hessenwegen hätten die Menschen in der Region vor allem auf Ochsen und auch Esel setzen müssen. „Andere Regionen waren fortschrittlicher, sie hatten schon Pferde“, berichtet Hans-Jürgen Robers. Das Problem: Esel waren zwar genügsam, hatten aber eine tiefe Abneigung gegen Wasser. „Daher baute man kleine Brücken, um schneller ans Ziel zu kommen.“ Der Ursprung des Ausdrucks „Eselsbrücke“.
Weiter: Der Komfort des Reisens hatte sich bis zum Ende des 17. Jahrhunderts nicht wesentlich verbessert. Schlechte Straßen sorgten für Erschütterungen, viel wurde in Holzfässern transportiert. „Besonders Zerbrechliches wie Glas oder Porzellan wurde mit flüssiger Butter begossen“, so der Stadtlohner. Wenn diese erkaltete und fest wurde, war „Alles in Butter“. Also okay, schmunzelt Robers.
Die wichtigsten Handelswege des Münsterlandes und in Nordwestdeutschland hielt der Stadtlohner in Karten fest. „Dafür gibt es Programme im Internet“, meint er. Einer davon war jener von Münster nach Zutphen. Diesen hätten auch die Boten, die Nachrichtenüberbringer dieser Zeit, genutzt. „41 Boten des Münsterlandes kamen in Münster zusammen, auch aus Stadtlohn. Dieser nahm dann die Post mit – unter anderem eben auch nach Winterswijk und Zutphen“, berichtet der 66-Jährige.
Die Entstehung von Städten und Märkten, Straßen und Wegen im Mittelalter, die Transportmittel und Distanzen, Hessenwege und Wasserwege, die Berkelschifffahrt, Chausseen und Landstraßen, der Straßenbau sowie Boten, Postwagen und Post- und Zollstationen – all dies sind Kapitel, die Hans-Jürgen Robers für die acht Jahrhunderte ab 1100 zu einem Ganzen zusammengefasst hat – „Stoff für zwei Stunden“, den er aber „komprimiert“ habe.
Nächstes Projekt im KIZS geplant
Hans-Jürgen Robers hält inne, blickt noch einmal zurück auf seine berufliche Vergangenheit. „Handelswege lag doch irgendwie nahe“, meint er und lacht. Je mehr er sich hineingesteigert habe, desto mehr habe ihn das Thema gefasst. Und nun sei es an der Zeit, andere daran teilhaben zu lassen.
Mathias Redders vom Trägerverein sieht das Angebot im KIZS weiter bereichert. Der Stadtlohner lässt schon einmal durchblicken, dass das Team am Ball bleiben wird. Für die Sommermonate ist schon das nächste Projekt geplant: Stichwort Kneipengeschichten. Langfristig sei es geplant, alles einmal kompakt an einem Ort zu präsentieren: „Es soll nichts verloren gehen.“
Dreiteilige Vortragsreihe
- Mit einer Vernissage mit Vortrag und Präsentation zu Stadtlohns Handels- und Verkehrswegen wird die Ausstellung am Sonntag, 26. Mai, um 11 Uhr im KIZS an der Eschstraße eröffnet. Der Eintritt ist frei.
- Zwei darauf aufbauende Vorträge und Präsentationen sind geplant.
- Mittwoch, 12. Juni, 19 Uhr: „Entstehung von Städten und Märkten, Straßen und Wegen im Münsterland/Achterhoek“
- Donnerstag, 20. Juni, 19 Uhr: „Berkelschifffahrt, Straßenbau, Postwagen und Zollstationen“