Es ist erst kurz nach 18 Uhr am Samstag (29. Juni) im Losbergpark in Stadtlohn und der Vogel der St. Otgerus Schützengilde hat einiges wegstecken müssen – 49 Schüsse um genau zu sein. Und die sieht man. Denn was einst nach einem stolzen Holzvogel aussah, ist jetzt nicht viel mehr als ein Holzblock, dem bereits ein Flügel fehlt.
Schuld daran ist der König von 2022, Jörg Neitzel, der zudem schon angedroht hat, sich den zweiten Flügel auch noch zu schnappen. Es sind viele Schützen, aber vereinzelt auch Schützinnen, die immer wieder unter die Vogelstange treten und ihr Glück versuchen.
Einer von ihnen ist Rolf Heisters. „Ich wohne seit 22 Jahren hier in Stadtlohn, bin schon 10 Jahre im Verein, da wäre es doch mal was Schönes, hier König zu sein“, sagt er. 2019 war er schon einmal Teil des Throns und hofft, dass sich das heute wiederholt. „Ich finde, dass es einfach auch ein tolles Zeichen an den Verein ist“, so Rolf Heisters.
Dabei haben die Schützen von St. Otgerus heute bereits einen König gefeiert. Lucas Kerkeling hat sich mit 88 Schüssen zum Jungschützenkönig gemacht, Ana Martins ernannte er zu seiner Königin. Eine ganz spontane Sache, wie die beiden nun zugeben.
„Geplant war das nicht, aber als der Vogel dann unten war, war die Freude groß“, erzählt Lucas Kerkeling. Und auch Ana Martins freute sich über die Krone. Sie sitzt am Tisch zusammen mit der noch amtierenden Königin Carolin Kopetzki. „Wir sind beste Freundinnen seit der Grundschule und als ich heute Jungkönigin wurde, habe ich damit quasi ihre Krone übernommen.“
Plötzlich gibt es einen ersten Aufschrei in der Menge. Jörg Neitzel hat seine Androhung wahr gemacht und mit dem 102. Schuss den zweiten Flügel abgeschossen. Von den Zuschauern gibt es großen Applaus – „Sogar mit Ansage hat er sich jetzt echt den Flügel geholt!“, kommt es anerkennend von Lucas Kerkeling.

Jetzt hängen alle Blicke gebannt an der Vogelstange. Ein amüsantes Bild ergeben dabei auch die Namen der verschiedenen Schützen, denn nicht selten steht dort ein „Bierhoff“ oder „Lunge“. Grund dafür ist das Achtelfinalspiel der Deutschen Nationalmannschaft um 21 Uhr. Deshalb durften die Schützen anstelle des weißen Hemdes auch in Deutschlandtrikot schießen.
Etwa 100 Schüsse weiter ist sich dann auch der Vogelbauer sicher – das Ding hält nicht mehr lange. Aber die Schlange der Schützen ist noch lang und mit jedem Schuss wackelt das Holz mehr. Dann tritt Patrick Klose nach vorne. Er animiert noch die Zuschauer, die schließlich im Chor rufen: „Klose!, Klose!, Klose!“, dann tritt er ans Gewehr und schießt – und der Vogel fällt.
Als Antwort der Zuschauer gibt es eine Bierdusche und lauten Applaus, dann sitzt Patrick Klose im Deutschlandtrikot auf den Schultern seiner Schützenkameraden - und die neue Königin Kristin Tegelkamp gleich mit.

„Und so schließt sich der Kreis“, erzählt Jungschützenkönigin Ana Martins aufgeregt. „Der neue König ist nämlich mein Freund, und die neue Königin einer meiner besten Freundinnen, so bleibt es alles zusammen – eine große Familie.“