Kehraus nach 50 Jahren „Letzte Schicht“ und eine besondere Tour nach Italien

Nach 50 Jahren: „Letzte Schicht“ für zwei Schornsteinfeger aus Leidenschaft
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Auch wenn sie am gleichen Tag ihre Ausbildung zum Schornsteinfeger in zwei verschiedenen Orten aufgenommen haben – sie hätten sich zwangsläufig irgendwann über den Weg laufen müssen. Karl-Keinz Bockhoff muss schmunzeln bei dem Gedanken, wie die Kollegen über Jahrzehnte im Heizungskeller der ehemaligen Marienschule duschten. Hausmeister seinerzeit: Jupp Ellers, der Vater von Martin Ellers.

Eine der vielen Verbindungen zwischen den beiden Stadtlohnern. Für sie startete die Zeit als Kaminkehrer nicht nur am gleichen Tag, sie endete auch parallel zum 1. August dieses Jahres. „Rente“ nach 50 gemeinsamen Jahren mit vielen Erinnerungen. Eine noch ganz frische haben sie an eine besondere Tour nach Italien 2023.

Schornsteinfeger vor dem Marktbrunnen
Im Kreise ihrer Kollegen feierten Karl-Heinz Bockhoff und Martin Ellers den Eintritt ins Rentenalter. © privat

Als Martin Ellers und Karl-Heinz Bockhoff nun im Ellersschen Garten zusammensitzen, da blicken die beiden 64-Jährigen auf eine erfüllende Berufslaufbahn zurück. Der Startschuss erfolgte am 1. August 1974 – für Martin Ellers bei Bußmeier in Stadtlohn, für Karl-Heinz Bockhoff bei Bramkamp in Alstätte. In einer Zeit, die mit der heutigen kaum mehr vergleichbar sei.

Enormer Wandel in 50 Jahren

Karl-Heinz Bockhoff erinnert sich noch gut: Vom ersten Lehrlingslohn kaufte er sich einen Anzug. „225 Mark.“ Für eine Hochzeit eines Gesellen in Alstätte. „Dabei mussten wir Azubis nach vier Stunden schon wieder weg“, schmunzelt der 64-Jährige. Auch hätten er, damals gerade 14 Lenze jung, und sein Geselle bei Besuchen auf dem Land auch gerne mal eine Pause im Schatten unter Bäumen eingelegt. „Manchmal musste ich den Gesellen dann wieder wecken“, berichtet Bockhoff. Salzränder vom Schweiß hätten sich hier und da schon in der Arbeitskleidung abgezeichnet.

Dass auch in Kneipen gekehrt wurde, daran erinnert sich Martin Ellers noch gut. „Das hat dann auch mal drei Stunden länger gedauert. Haben wir aber immer wieder herausgeholt“, meint der Stadtlohner und lacht. Und auch das Spalierstehen – zum Beispiel eben bei Hochzeiten von Kollegen – ist ihm in guter Erinnerung geblieben.

Der weitere berufliche Weg führte Martin Ellers eher übers Land Richtung Telgte oder Warendorf, während sein Kollege auch mal das Ruhrgebiet kennenlernte: Beckum, Bottrop. „Anders, aber auch schön“, blickt Karl-Heinz Bockhoff zurück.

Martin Ellers kehrte vor 23 Jahren in seinen alten Gesellenbezirk zurück. Zuvor hatte er von 1995 bis 2001 bereits den Kehrbezirk 6 des Kreises Borken geleitet. Heek, Nienborg, Schöppingen bis hoch nach Epe. Seit dem Jahr 2001 war er für die Verwaltung des Kehrbezirks 13 des Kreises Borken zuständig, bevor dort zum 1. August dieses Jahres Michael Brüning aus Coesfeld zum bevollmächtigten Bezirksschornsteinfeger wurde.

Karl-Heinz Bockhoff trat seine erste Stelle als Bezirksschornsteinfegermeister 1995 für den Kehrbezirk 33 in Rhede an. Für ihn dauerte es bis 2007, bis er den Kehrbezirk 14 in Stadtlohn übernehmen konnte. Zum 1. August übergab er diesen an Frank Dertmann aus Ahaus.

Der Kehrbezirk 13 umfasst übrigens den nordöstlichen Teil von Stadtlohn, der Kehrbezirk 14 den südwestlichen Teil von Stadtlohn mit dem Ortsteil Wenningfeld sowie einigen Bauerschaften, die zum Stadtgebiet von Vreden gehören. Oder anders: „Der eine links, der andere rechts vom Kirchturm“, fasst es Bockhoff zusammen und lacht.

Ja, gerne hätte er die 30 Jahre als Bezirksschornsteinfegermeister vollgemacht, wirft der 64-Jährige ein. Ihm habe allerdings ein Geselle dazu gefehlt, „sonst hätte ich das durchgezogen“. Eine Kollegin konnte hingegen Martin Ellers weiterempfehlen: Jutta Flinkert. Übrigens – wie kann es kaum anders sein – ausgebildet durch Karl-Heinz Bockhoff.

Schornsteinfeger prosten zu
Mit einem guten Tropfen stießen die beiden „Rentner“ auf den verdienten Ruhestand an. © privat

Mit Anekdoten könne man ein ganzes Buch füllen, meint Martin Ellers. Noch ganz frisch in Erinnerung ist die gemeinsame Motorradtour zum internationalen Schornsteinfegertreffen in Santa Maria Maggiore. Bekannt unter anderem durch den Film „Die schwarzen Brüder“ und ein eindrucksvolles Museum. Das Vijezzo-Tal in Norditalien gilt als Wiege des Schornsteinfegerwesens.

Schon vor Jahren waren beide mit Kollegen dorthin gefahren, nun sollte dies der krönende Abschluss der fünf Jahrzehnte werden. Mit Kollegen aus unter anderem Japan oder auch Brasilien wurde gefeiert. „Vom Umzug dort können sich gar so manche Karnevalisten 'ne Scheibe abschneiden“, wirkt Martin Ellers immer noch beeindruckt.

Martin Ellers (l.) und Karl-Heinz Bockhoff
Martin Ellers (l.) und Karl-Heinz Bockhoff werden ihren Ruhestand genießen. Beide werden aber weiter mit den Kollegen eng verbunden bleiben. © privat

Apropos Karneval – eine weitere enge Verbindung zwischen den beiden. Karl-Heinz Bockhoff war bekanntlich zum Rosenmontag 2004 Prinz, Martin Ellers folgte zu den „unwiesen Dagen“ 2012. Letzterer ist seit über 35 Jahren Mitglied der Stadtgarde, Bockhoff war als langjähriger Sitzungspräsident ein „Gesicht“ des Stadtlohner Karnevals.

Bekannte Gesichter seien auch seit jeher die Schornsteinfeger, betont Martin Ellers. Und sie gelten als besonders freundliche Menschen. Vor allem deshalb, weil sie in der Stadt alle und jeden grüßten. „Jeder konnte ja unser Kunde sein“, erklärt Karl-Heinz Bockhoff und lacht. Vor allem zu Zeiten, als sie buchstäblich noch von Haus zu Haus und von Dach zu Dach zogen, fast jeden mit Namen kannten, in denen fast in jeder Küche kleine symbolische „Feger“ auf der Dunstabzugshaube standen. Anmelden hätte man sich kaum müssen, erzählt Martin Ellers: „Es war ja immer einer zu Hause.“

Kaminkehrer vor dem Marktpütt
Die beiden Ruheständler übergeben ihre Bezirke in erfahrene Hände. Auch die letzte Gesellin von Martin Ellers, Jutta Flinkert, ausgebildet von Karl-Heinz Bockhoff, wird das Erbe der beiden Stadtlohner weitertragen © privat

Über die fünf Jahrzehnte habe sich der Beruf schon immens gewandelt. Im Kern sei das Schornsteinfegen damals schon anstrengender gewesen, meint Karl-Heinz Bockhoff: „Aber alles machbar, wir waren ja auch viel an der frischen Luft.“ Heute änderten sich Gesetze und Verordnungen dermaßen rasant, dass es immer schwieriger werde, „sich da reinzuarbeiten“. Geblieben sei eines, betonen beide unisono: „Im Mittelpunkt steht immer der Kunde.“

Die Perspektiven seien heute sehr gute, sind beide ebenso überzeugt. Das Berufsbild werde immer vielfältiger. Lüftungstechnik, Brandschutz, Energietechnik – nur einige Themenfelder, die ein Schornsteinfeger heute bespiele. Bevollmächtigte Bezirksschornsteinfeger nehmen zudem hoheitliche Aufgaben wahr. Dazu gehören zum Beispiel die Feuerstättenschau, das Führen des Kehrbuchs oder Bauabnahmen nach dem Landesrecht. Schornsteinfeger sind zudem wichtige Partner der Klimaschutzpolitik, da die regelmäßige Kontrolle von Heizungsanlagen erheblich zur Senkung des CO-2-Ausstoßes beiträgt.

„Man kann auch gutes Geld verdienen“, betont Karl-Heinz Bockhoff. Mit Freude nehme man zur Kenntnis, dass nun 31 Azubis im Regierungsbezirk die Ausbildung aufgenommen hätten. Sonst seien es 15 bis 20, auch diese Zahlen seien zuletzt nicht immer erreicht worden. Vor allem das Ergebnis engagierter Kollegen. „Wir haben schon gute Leute hinterlassen, hatten immer gute Azubis und Gesellen“, ergänzt Martin Ellers mit einem Augenzwinkern.

Kollegen begleiten letzte Schicht

Ja, der Zusammenhalt in der Zunft sei schon ein besonderer. Und diesen erfuhren die beiden angehenden „Rentner“ noch einmal während der „letzten gemeinsamen Schicht“. Ein symbolischer Akt, der einfach im Kreise der Kollegen dazugehöre. Ein sehr schöner wie emotionaler Tag. Alles gemäß dem Leitspruch „Einer für alle, alle für einen“. Ganz besonders freue man sich, dass die Kollegen im Altkreis Ahaus statt Geschenken für den Verein Duchenne Deutschland spendeten. Martin Ellers und Karl-Heinz Bockhoff rundeten auf 350 Euro auf und übergaben die Spende an Dominik Hintemann, der sich sehr für diese Stiftung einsetze.

Diesen Zusammenhalt wollen beide auch weiterhin beim „alten Eisen“ pflegen, zum Beispiel auf den Monatstreffen oder bei Radtouren. Dazwischen hätte beide auch weiterhin genug zu tun. Und ja, beide würden es genauso wieder machen, sie hätten ihre Aufgaben mit einem guten Gefühl in erfahrene Hände übergeben.

Karl-Heinz Bockhoff muss noch einmal schmunzeln, als er an die gemeinsame „letzte Schicht“ denkt: „Als ich nach Hause kam, lag der Rentenbescheid im Flur.“ Ein untrügliches Zeichen: „Es ist auch mal gut gewesen.“