„Dann ist die wohl doch hier gelaufen.“ Als Heinz Garwer am Mittwochmorgen (31.7.) durchs Eisenbahnmuseum läuft, da fällt ihm einer der unzähligen Bilderrahmen in den Blick. Einer mit der WLE-Dampflokomotive mit der Betriebsnummer 94.
Exakt zu diesem Modell erreichte das WLE-Eisenbahnmuseum jüngst eine echte Rarität: das Betriebsbuch eben der Lok 94 aus dem Jahre 1912. Bisher dachte der 80-Jährige, dass in Stadtlohn allein ein Schwestermodell, die Lok 92, gelaufen sei. „Nun muss ich dem mal auf den Grund gehen“, meint der Eisenbahnfan.

Einem ebensolchen Eisenbahnenthusiasten aus Rietberg ist zu verdanken, dass dieses Betriebsbuch nach Stadtlohn gelangt ist. „Der wohnt an der ehemaligen WLE-Sennebahn und war früher großer Fan des Westfälischen Landes-Eisenbahn. Er schrieb mich an, dass er noch das originale Lokbetriebsbuch der Lok 94 im Schrank liegen hat und es gerne unserem Museum zur Verfügung stellen will“, berichtet Heinz Garwer. Dorthin, „wo es auch hingehört“.
WLE-Fan übergibt Betriebsbuch
Wie dieser WLE-Fan in den Besitz dieser Rarität gelangt ist, das entzieht sich noch der Kenntnis des Stadtlohners. Das Jubiläumsbuch als Dankeschön habe er dem Mann zukommen lassen. Darauf habe dieser angekündigt, mal an der Bahnallee vorbeischauen zu wollen. „Vielleicht erfahre ich dann mehr“, so seine Hoffnung.

„Reiner Zufallstreffer.“ Heinz Garwer blättert vorsichtig durch die neue Errungenschaft, „feines Leinenpapier“, bis ins Jahr 1935 noch akribisch genau in Sütterlinschrift, dann mit Schreibmaschine geführt. „Das ist wie ein Kfz-Brief und -Schein bei einem Auto“, erklärt Heinz Garwer.
Der Stadtlohner präsentiert das Deckblatt: Gebaut wurde diese Lok 94 vor 112 Jahren in Berlin-Tegel bei den Borsig-Werken. Beschaffungskosten: 42.500 Reichsmark.
Inklusive der Vorräte bis zu 100 Tonnen schwer. Angefügt die Übergabeurkunde durch die Königliche Eisenbahndirektion Berlin an die Westfälische Landes-Eisenbahn (WLE) sowie die Urkunde zur Genehmigung der Zulassung.

Heinz Garwer blättert weiter, zeigt die sorgfältigst ausgefüllten Bescheinigungen über die regelmäßigen Wartungen, nach der Übergabe an die WLE auch in Lippstadt, noch heute Hauptsitz der WLE. „Wie Haupt- und Zwischenuntersuchungen beim Auto“, erklärt der 80-Jährige.
Zum Beispiel habe regelmäßig der Austausch der Kessel angestanden, eine „enorm kostspielige Angelegenheit“. „Da haben manche die ganze Lok lieber beim Werkstattbetreiber stehengelassen“, erzählt Heinz Garwer und lacht.
Gelaufen ist diese WLE-Lok 94 schwerpunktmäßig in Lippstadt und Soest Richtung Sauerland. „Bis zur Verschrottung im Oktober 1964 ist der gesamte Lebenszyklus dieser Lok dokumentiert“, betont Heinz Garwer: „Super gepflegt.“ In dieser Akribie sicher „einmalig“.
Anhand der Nachweise über die Lokomotiven, die in Stadtlohn gelaufen sind, könne er nachhalten, dass eben einer WLE-Schwesterlok, die mit der Betriebsnummer 92, am Stadtlohner Bahnhof gehalten habe. Aber nicht lange. „Die hatte ein sogenanntes Vorlaufrad, das ist in Stadtlohn mehrfach aus der Schiene gesprungen“, erklärt der Eisenbahnfan.

Viel gebe der Markt zwar nicht mehr her, aber Zufallstreffer wie dieser motivierten dann doch immer wieder. „Manchmal hat man doch noch Glück.“ Heinz Garwer wundert sich dabei ein wenig, dass diese Rarität nicht schon früher im Kreisarchiv in Soest gelandet ist.
Jüngst sei er mit Thomas Willemsen vom Lokschuppen mal dort gewesen, habe aber nicht viel gefunden. Bald wollen beide dann erneut in Richtung Lippstadt aufbrechen – aus besonderem Grund. Da wolle man aber noch nicht zu viel verraten.
Enge Kontakte zur WLE-Zentrale
Für das Team vom WLE-Eisenbahnmuseum ist es eine besondere Wertschätzung, dass immer noch solche Fundstücke dort landeten. „Dafür pflegen wir auch die Kontakte“, erklärt Heinz Garwer.
Zum Beispiel zur WLE-Zentrale nach Lippstadt. „Wenn dort mal Dinge zur Verschrottung anliegen, dann melden sie sich bei uns, ob wir noch eine Verwendung haben“, so der 80-Jährige. Da stoße man auf offene Ohren.
Heinz Garwer fühlt noch einmal über das Papier. „Eigentlich müsste man das Buch öffentlich zugänglich machen“, meint er. Besser lasse man dieses aber doch hinter Glas in einer Vitrine. Der Stadtlohner blickt noch einmal auf das Bild an der Wand im Museum: „Lok 94 vor einem Personenzug mit Lokführer Schulte.“ So steht es schwarz auf weiß darunter.
„Der Name sagt mir irgendwie auch was“, unkt der Stadtlohner. Den möglichen Beleg werde er umgehend in den Aufzeichnungen des Museums suchen. Findet er diesen, werde der Wert des Betriebsbuchs zur WLE-Lok 94 noch einmal „steigen“…
