Im Raubprozess am Landgericht Münster gegen zwei Männer aus Stadtlohn hatten am Mittwoch (12.3.) die Gutachter das Wort. Und dann gab es vor der 9. Großen Strafkammer auch noch eine überraschende Verlängerung.
Zunächst erstattete ein Psychiater seine Gutachten über die beiden Angeklagten. Dabei ging er sehr ausführlich auf das Leben des 20-jährigen Mannes ein. Der erlitt eine von familiärer Gewalt geprägte Kindheit und kam schon im Alter von elf Jahren mit Alkohol und Drogen in Kontakt.
Die Suchtmittel bestimmten seinen weiteren Weg, der sehr früh in die Kriminalität führte. Auch beim Hauptvorwurf im laufenden Prozess spielte das eine Rolle.
Jugendstrafrecht wird angeregt
Am Abend des 19. September 2024 sollen die Angeklagten den Bewohner eines Obdachlosenheims an der Klosterstraße in Stadtlohn überfallen und verletzt haben. Zu diesem Zeitpunkt hatte der Jüngere viel Alkohol, außerdem Cannabis und Kokain im Blut.
Deshalb sei seine Steuerungsfähigkeit stark eingeschränkt gewesen. Der Arzt empfahl die Unterbringung des jungen Mannes in einer Suchtklinik. Eine Vertreterin der Jugendhilfe stellte bei dem 20-Jährigen eine verzögerte Reife fest. Er müsse nach Jugendstrafrecht beurteilt werden.
Dem mittlerweile 30 Jahre alten Angeklagten bescheinigte der psychiatrische Gutachter depressive Phasen. Auch er habe am 19. September des Vorjahres Alkohol und Kokain konsumiert. Doch habe das seine Steuerungsfähigkeit nicht beeinträchtigt. Der Mann sei voll schuldfähig und bedürfe auch keiner stationären Therapie.
Nach diesen Expertisen wollte das Gericht eigentlich die Beweisaufnahme abschließen und die Plädoyers der Anwälte hören. Doch es kam anders. Die Verteidigerin des älteren Angeklagten meldete sich zu Wort, um ein Video zu erklären, dass die Kammer zu Beginn des Tages vorgeführt hatte.
Es stammte vom Handy des 30-Jährigen und zeigte das Opfer am Abend des 19. September 2024 blutüberströmt und mit schützenden Armbewegungen.
Bislang hatten beide Angeklagten zu diesem Vorfall geschwiegen. Doch nun erklärte die Rechtsanwältin des Älteren, dass ihr Mandant die Tür zum Zimmer des Opfers eingetreten habe, um ihn wegen eines Diebstahls aus seinem Portemonnaie zur Rede zu stellen.
In dem Zimmer habe er den Bewohner schon verletzt und stark blutend vorgefunden. Damit habe er aber nichts zu tun. Andere Täter hätten den Mann so zugerichtet.
Weder das Gericht noch die Staatsanwältin wollten diese Version akzeptieren und hakten immer wieder nach. Am Ende wurde die Einlassung des 30-Jährigen zu einem wahren Eiertanz. Sein Mitangeklagter brach sein Schweigen auch am Mittwoch nicht.
Gericht räumt Frist ein
Das alles machte Eindruck auf die Staatsanwältin. Auf der Grundlage dieser neuen Entwicklung sah sie sich noch nicht zu einem Plädoyer in der Lage. Nun müsste ein Mitbewohner aus dem Obdachlosenheim, der früher schon einmal als Zeuge geführt worden war, gehört werden.
Möglicherweise könne der mehr über die Vorfälle an jenem Abend sagen. Außerdem müsse jetzt die sichergestellte Kleidung der beiden Angeklagten auf Blutspuren des Opfers untersucht werden, was bislang nicht erfolgt war. Die Staatsanwältin behielt sich entsprechende Beweisanträge vor.
Nach kurzer Beratung ging die Kammer auf die Anklägerin zu und räumte ihr eine Frist bis kommenden Montag zur Formulierung ihrer Anträge ein. Der Prozess wird am 17. März fortgesetzt.