Dass Krieg Leid, Hunger und Zerstörung mit sich bringt, das weiß Marianne Demes geb. Hamachers aus eigener Erfahrung. Als Fünfjährige erlebte sie das Ende des Zweiten Weltkriegs in Stadtlohn mit. Ihr Vater war in Kriegsgefangenschaft, ihr Elternhaus zerstört, es fehlte an allem. Wenn sie an die Märztage 1945 erinnert wird, kommen ihr manches Mal die Tränen.
Jahrhunderte zuvor war ein anderes Gemetzel über Stadtlohn hereingebrochen. Die Schlacht im Lohner Bruch am 6. August 1623 war einer der blutigsten Tage des Dreißigjährigen Kriegs. Tausende Soldaten verloren ihr Leben.
Für Marianne Demes hat dieser Tag jenseits des Schreckens eine besondere Bedeutung. Die 83-Jähriges sagt: „Meine Familie und ich wären nicht auf der Welt, wenn es diesen Tag nicht gegeben hätte.“ Aus Anlass des 400. Jahrestages erzählt Marianne Demes die ganz besondere Familiengeschichte, die in Stadtlohn und Vreden spielt.
Tilly und Christian
Lange Zeit hat sie von der Besonderheit ihrer Familiengeschichte nichts geahnt. Die Schlacht im Lohner Bruch war ihr als Stadtlohner Kind natürlich immer schon ein Begriff gewesen. „Ich war ja Schülerin im Annastift, da spielte die Schlacht natürlich im Unterricht eine Rolle.“
Und für die Nonnen in Stadtlohn sei die Rollenverteilung ja klar gewesen: Auf der einen Seite der gute Graf von Tilly, der Befehlshaber der katholischen Liga. Auf der anderen der protestantische Feldherr, der tolle, der verrückte Christian von Braunschweig-Wolfenbüttel.
Offizier von Goski
Vor einigen Jahren brachte Agnes Vogtt, die Frau des früheren Stadtlohner Heimatvereinsvorsitzenden, sie auf die familiengeschichtliche Spur, die bis zur Schlacht im Lohner Bruch führt. Agnes Vogtts Großmutter war eine geborene Gottszky. Und auch die Großmutter von Marianne Demes trug diesen seltenen Nachnamen, der nur in Vreden häufiger anzutreffen ist.
Und das hat mit dem 6. August 1623 zu tun. Unter den 22.000 Männern der Tilly-Truppen war nach der Familienüberlieferung auch ein polnischer Offizier mit dem Namen von Goski. Er wurde in der Schlacht schwer verletzt. „Er soll ein Bein verloren haben“, sagt Marianne Demes.
„Verliebt im Stift“
Zur Pflege jedenfalls sei der verletzte Offizier ins Damenstift nach Vreden gebracht worden. „Dabei verliebte er sich in eine der adeligen Stiftsdamen und sie heirateten, als er wieder gesund war“, erzählt Marianne Demes.
„Alle Gottszkys stammen von diesem einen Gottszky ab. Sie nannten sich ,von Gottszky‘, da sie adelig waren. Später legten sie das ‚von‘ ab, das es ihnen zu spleening war“, sagt Marianne Demes. Schließlich seien die Gottszkys Handwerker geworden, viele von ihnen Maurer.
Familiengeschichte zusammengetragen
Schriftliche Zeugnisse aus der Familiengeschichte zu Zeiten des Dreißigjährigen Krieges gibt es allerdings nicht. Mit Unterstützung des Vredener Familienforschers Bernhard Robers hat Marianne Demes aber einen Stammbaum erstellt, der bis ins Jahr 1710 zur Erwähnung eines Daniel Goski reicht.
Auch den Stammsitz der von Gottzskys in der polnischen Stadt Samotschin nördlich von Posen kennt Marianne Demes inzwischen. Um 1890 soll ein Vredener Gottszky dorthin gefahren sein. Das Gut sei längst verfallen gewesen. Im Nachbarort trage aber noch eine Mühle den Familiennamen.
Marianne Demes hat die Familiengeschichte in einem Buch mit vielen Bildern zusammengetragen. Zu den Nachfahren der Gottszkys gehört übrigens unter anderem auch die Vredener Schuhmacher-Dynastie Wessels.

Marianne Demes sagt: „Ich bin immer wieder erstaunt und gleichzeitig fasziniert, dass die Gründung meiner Familie und auch anderer auf dieses so geschichtsträchtige Ereignis der Schlacht im Lohner Bruch vor genau 400 Jahren zurückzuführen ist. Nicht jede Familie kann auf eine solch lange Tradition zurück blicken, und ich bin auch ein wenig stolz darauf.“
Den 6. August, den 400 Jahrestag der Schlacht, würde die 83-Jährige am liebsten im Kreise ihrer weitverzweigten Familie verbringen. „Das ist ja ein Sonntag. Es wäre doch schön, sich zusammen daran zu erinnern, wie alles angefangen hat.“