Abschied nach 50 Jahren bei Günther Wensing „Hans-Gerd kennt hier jede Schraube“

Nach 50 Jahren bei Günther Wensing: Hans-Gerd Heming übergibt Staffelstab
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Vielleicht 60 Quadratmeter. Wenn Hans-Gerd Heming an seine Anfangsjahre als Auszubildender zurückdenkt, dann muss der Stadtlohner schmunzeln. Kaum größer sei der „ehemalige Schweinestall“ in der Töpferstraße gewesen, in der die heutige Günther Wensing GmbH & Co. KG 1970 gegründet worden war. Am 1. August 1974 startete der 65-Jährige dort seine berufliche Laufbahn – und beendet diese nun zum Ende des Monats dort auch offiziell.

Nach exakt 50 Jahren im gleichen Betrieb. Einem mittlerweile weltweit agierenden Sondermaschinenbauer an der Hegebrockstraße, den der Stadtlohner maßgeblich mitgeprägt hat.

Hans-Gerd Heming mit einem Bild
Von seiner Mannschaft erhielt Hans-Gerd Heming auf der offiziellen Verabschiedungsfeier eine bleibende Erinnerung. © Thomas Willemsen

Natürlich verlasse er die Firma mit einem lachenden und einem weinenden Auge. Hans-Gerd Heming ist sich aber bewusst, „dass man nach 50 Jahren auch mal den Absprung finden muss“. Die Nachfolge in der Geschäftsführung hat der 65-Jährige rechtzeitig „familienintern“ sichergestellt, Langeweile werde schon keine aufkommen. Dafür werden neben den Enkelkindern allein schon seine beiden großen Hobbys, das Turnen und das Modellfliegen, sorgen.

Handwerk in die Wiege gelegt

Letztere belegen Hans-Gerd Hemings Faible für Technik. Das Handwerk war ihm in die Wiege gelegt worden. Allerdings eher in Richtung Holz. „Ich hatte schon ein paar Jahre in unserer Werkstatt zu Hause geschreinert“, erzählt Hans-Gerd Heming. Und wie kam er zu Wensing und damit zum „Metall“? „Der Günther war doch über die Musik überall bekannt“, erklärt er und lacht. Bekannt auch beim Vater, Produktionsleiter bei Hülsta.

Damals habe man sich übrigens noch aktiv bewerben müssen, in den geburtenstarken Jahrgängen. Und sein Geschick schien Eindruck hinterlassen zu haben, die Vorschusslorbeeren waren groß. „Mein Vater hielt sofort große Stücke auf Hans-Gerd“, weiß Jens Wensing, Hemings langjähriger Partner in der Geschäftsführung, zu berichten.

Abschiedsgeschenk für Hans-Gerd Heming
Dass Hans-Gerd Heming ein besonderes Faible für den Modellbau hat, zeigte sich auch beim Abschiedsgeschenk. © Thomas Willemsen

Neben ihm seien seinerzeit noch ganze vier weitere Mitarbeiter im Betrieb gewesen, erinnert sich Hans-Gerd Heming. Eben an der Töpferstraße, am Elternhaus von Jens Wensing. 1977 ging es dann in Richtung heutigem Firmensitz, zwei Jahre zuvor hatte sich Günther Wensing auf den Sondermaschinenbau spezialisiert. Das Fach Maschinenbau erlernte Hans-Gerd Heming von der Pike auf, sein Werdegang bei Wensing wurde einzig unterbrochen durch den Wehrdienst. Selbst den Maschinenbaumeister machte er auf der Abendschule.

Die ersten Jahre waren eine fordernde Zeit – mit vielen Anekdoten und bleibenden Erinnerungen unterfüttert. Jens Wensing muss lachen. Er erinnert sich an Erzählungen seines Vaters, zum Beispiel über die „Baustelle“ bei Bauer Ewald, wo Ställe aufgebaut wurden. „Da war Hans-Gerd immer so fertig, dass er auf der Rückfahrt hin und wieder mal eingeschlafen ist.“ Es ging aber auch schnell über den Tellerrand hinaus. So war Hans-Gerd Heming Mitte der 1980er-Jahre mit dem Unternehmensgründer nach Brasilien gereist, um für Pennekamp+Hüsker eine Spaltanlage aufzubauen.

„Eine weitere lieferten wir nach Japan“, so Hans-Gerd Heming. Da habe Günther Wensing ob seiner Statur schon Eindruck gemacht. „Ich selbst war seinerzeit ja sogar auch noch ein wenig kleiner, Turner eben“, blickt Hans-Gerd Heming zurück und lacht. Zweifellos habe ihn der Firmengründer, der im August 2005 die Geschäftsführung auf Sohn Jens Wensing übertragen hatte, geprägt.

Schon am 1. Januar 2000 war aus der Einzelfirma eine GmbH & Co. KG geworden. In den folgenden Jahren wurde das Unternehmen immer internationaler, der Standort nach und nach erweitert, berichtet Jens Wensing, der nunmehr an die 20 Jahre mit Hans-Gerd Heming die Geschäfte gemeinsam führte. „Da muss alles passen: fachlich, technisch und vor allem menschlich“, betont Hans-Gerd Heming. Jeder sei ein eigener Typ, gerade das ergänze sich perfekt, meint Jens Wensing. Ein „Lebenswerk“ Hemings sei die Gründung von Waesta Anfang der 1990er-Jahre gewesen, die Elektroabteilung wurde ausgegründet.

Betrieb hat sich stets weiterentwickelt

In diesen fünf Jahrzehnten hätte sich sowohl in der Branche als auch im Betrieb „unheimlich viel getan“, blickt Hans-Gerd Heming zurück: „Alles ist komplexer geworden.“ Dass man auch schwierigere Klippen umschiffen konnte, habe vor allem daran gelegen, dass man bei Wensing an seinen schlanken und somit krisenfesten Strukturen festgehalten habe, meint Jens Wensing. Bei aller Expansion mit heute gar einem eigenen Team in China sei alles überschaubar geblieben. Ganz wichtig: „Wir setzen immer alles daran, unsere Mitarbeiter mitzunehmen“, erklärt Hans-Gerd Heming.

Dass sowohl die Übergabe von Günther auf Jens Wensing als auch nun von Hans-Gerd auf Daniel Heming so reibungslos verlaufen sei, das sei schon bemerkenswert, meint Jens Wensing. Reibungslos wie fließend. Daniel Heming ist nämlich bereits seit Anfang 2018 im Unternehmen, nach dem Studium der Elektrotechnik. Zunächst war er viel unterwegs, um Kunden und Abläufe kennenzulernen, zuletzt viel vor Ort, „um die Übergabe vorzubereiten“. Seit Mitte Juni ist der 32-Jährige offiziell Geschäftsführer. „Er war aber schon in den vergangenen zwei Jahren in alle operativen Entscheidungen eingebunden. Ich war da eher der Berater“, berichtet Vater Hans-Gerd.

Witwe des Firmengründers gratuliert Hans-Gerd Heming
Auch Gisela Wensing, Frau des Firmengründers Günther Wensing, gratulierte Hans-Gerd Heming zum Ruhestand. © Thomas Willemsen

Nein, verändern werde sich nichts. Zumindest nicht viel. „Ich werde das schon im Sinne meines Vaters fortführen“, erklärt Daniel Heming. Der 32-Jährige wird natürlich eigene Akzente setzen. Was ist bei Jens Wensing vor allem hängengeblieben? „Die Art und Weise, wie Hans-Gerd die Dinge anpackt.“ Natürlich müsse man sich organisatorisch schon ein wenig umstellen. „Er kennt hier doch jede Schraube.“ Der Geschäftsführer lacht.

Erfülltes Berufsleben

„Letztlich zählt nur Zufriedenheit.“ Sollte Hans-Gerd Heming ein kurzes Fazit zu seinem „erfüllten Berufsleben“ ziehen, dann falle ihm dieser Satz als erstes ein. Alles sei so nur möglich in einem starken Team und mit einer starken Familie als Rückhalt. Dabei sei der Plan eigentlich der gewesen, den Sprung mit 63 schon zu nehmen. „Da hätte ich aber von 150 Prozent auf null fahren müssen, das hätte nicht funktioniert“, erklärt der Stadtlohner.

Als besondere Fußnote macht er die 50 Jahre nun „voll“. Zum 1. August werde er dann auch loslassen können. Obwohl: „Ich hoffe, dass ich einen Schlüssel behalten darf“, meint Hans-Gerd Heming augenzwinkernd. Zum Beispiel, um Betriebsfeiern für „sein Team“ mit zu organisieren…

Diesen Artikel haben wir am 5. Juli 2024 veröffentlicht.