Mit 17 planten die Schülerinnen und Schüler doch ihre Zukunft. „Herta Lebenstein wurde mit 17 endgültig die Zukunft genommen.“ Die Namensgeberin der Herta-Lebenstein-Realschule wurde im Dezember 1941 nach Riga deportiert, seit August 1944 gilt sie als verschollen.
Lehrerin Anne Robers zeichnete am Freitag das Leben des jüdischen Mädchens aus Stadtlohn noch einmal nach. Am Tag ihres Geburtstags. Herta Lebenstein wäre am 3. Mai 100 Jahre alt geworden – und emotionale Grüße gab es dazu sogar von Herta Lebensteins Nichte Rivka.

„Wir sind dankbar für alles, was Sie tun.“ So endet der Brief der Familie Lebenstein, der die Schule erreichte. Schulleiter Stefan Wichmann erkannte in dieser Wertschätzung auch die Verantwortung, die die Schülerschaft übernehme – „um zu gedenken, zu erinnern und zu gestalten.“ Und wie das Leben und die Art von Herta Lebenstein an der Realschule lebendig gehalten werden, das zeigt sich in diesen Tagen noch einmal beeindruckend.
Tag zu Ehren der Namensgeberin
Ein Freitag ganz im Zeichen der Namensgeberin: Paulina Thesing blättert im frisch aufgelegten Arbeitsheft. Gerade die neuen Schüler an der Schule beschäftigen sich so mit dem Leben von Herta Lebenstein. Der frühere stellvertretende Schulleiter Josef Balke nimmt parallel diesen Faden mit den neunten und zehnten Klassen noch einmal auf. Edda Schücker berichtet, dass in ihrer Klasse an diesem Tag die Mitschüler Essen aus ihren Kulturkreisen mitgebracht haben.

Im Hintergrund stehen die Schüler des Technikkurses in der Ausstellung des Riga-Komitees, mit VR-Brillen erkunden diese virtuell das Anne-Frank-Haus. „Unsere Glückwünsche an Herta Lebenstein haben wir auf eine lange Wimpelkette geschrieben“, ergänzt Johanna Heumer. Diese ziert eindrucksvoll das Schulinnere und umrahmte die emotionale Gedenkfeier.

Ja, ein Baum sei schon ein starkes Symbol. Berthold Dittmanns lenkte den Blick auf den Gedenkbaum, den die Schule zum Geburtstag Herta Lebensteins gepflanzt hat. Die dazugestellte Stele aus 400 Jahre alter Mooreiche sei ein „ideales historisches Dokument“, meinte Stefan Wichmann. Eine Mooreiche von der Berkel, die selbst viel zu erzählen habe, ein besonderer Bezugspunkt zu Herta Lebenstein. Das Pflanzen sei dabei der symbolische Akt gewesen. „Ich lade Euch alle ein, diesen Gedenkbaum zu pflegen“, erinnerte der Schulleiter noch einmal daran, welche Verantwortung die Schule im Jahr 2000 mit der Namensgebung übernommen habe.

Was müssen das für schreckliche Erfahrungen gewesen sein, an jenem 10. Dezember 1941. Die Schüler hatten an diesem Tag gar schulfrei bekommen, um den deportierten Juden böse Lieder hinterherzurufen. „Sicher einer der unrühmlichsten Momente unserer Geschichte“, betonte Berthold Dittmann. So stark wie ein Baum verwurzelt sei, so stark sei auch eine (Schul-)Gemeinschaft verbunden.
Und diese schwor der Bürgermeister auf das gemeinsame Versprechen ein, dass „Hass und Intoleranz nie wieder gegenüber Menschen in unserer Stadt gezeigt werden dürfen“. So wie der kleine Prinz den Fuchs zum Freund gemacht habe, so habe man den Auftrag, Fremde zu Freunden zu machen. Ein Thema, so aktuell wie nie.

Dass die Schule dieses Versprechen an die kommenden Generationen weitergeben werde, das betonte Stefan Wichmann. Schon in der fünften Klasse beschäftige man sich damit, erklärt Edda Schücker: „Wir wissen, dass es hier so gewesen ist.“ Die Identifikation mit einem jüdischen Mädchen aus der eigenen Stadt sei ungleich höher.
Zum Ausdruck kommt diese vor allem im Schulsong in Gedenken an Herta Lebenstein, dem emotionalen Abschluss des Gedenktages. Zu diesem leitete Berthold Dittmann über, die Lebensteins seien „Menschen wie Du und Ich“ gewesen. Die Schule habe im Jahr 2000 Herta Lebenstein zurück in die städtische Gemeinschaft geholt: „Herta, Du warst eine von uns.“
