Flurbereinigung - Erste Veranstaltung und erster Gegenwind „Letztlich geht es auch ums Geld“

Mögliches Flurbereinigungsverfahren: Boden soll neu geordnet werden
Lesezeit

Auch wenn dieser erste Aufschlag erst einmal der reinen Information dienen sollte, so war in der Stadthalle durchaus schon etwas „Gegenwind“ spürbar. Bürger, Grundstückseigentümer und Natur- und Landschaftsinteressierte waren eingeladen, sich über ein mögliches Flurbereinigungsverfahren im nicht-flurbereinigten Teil Stadtlohns zu informieren. Nach Vorbild des 1976 abgeschlossenen Verfahrens im südlichen Bereich.

Insbesondere hinsichtlich möglicher Kollisionen mit (geplanten) Windparks sowie laufender Bodenordnungsverfahren wurden Fragen gestellt. Und am Ende gehe es „letztlich auch ums Geld“. Bis zum großen „Flächenpuzzle“ ist es noch hin.

Zum Hintergrund: Die Bezirksregierung Münster, die für Flurbereinigungsfragen zuständig ist, erläuterte detailliert, was ein Flurbereinigungsverfahren ist. Ein mögliches Verfahren betrifft insbesondere den ländlichen Bereich nördlich der Berkel sowie die Bauerschaft Estern. Dieses biete Chancen für die Entwicklung der Landwirtschaft, die Verbesserung von Naturschutz und Infrastruktur sowie die Stadtentwicklung, so Dagmar Bix, die mit Andreas Grotendorst die Bezirksregierung vertrat.

Grundstücksverhältnisse aus 1827

Die Grundstücksverhältnisse in diesem Gebiet wurden vor fast 200 Jahren, im Jahr 1827, festgehalten und sind in vielen Fällen seitdem unverändert. „Unklare Eigentumsverhältnisse führen nicht selten zu langwierigen Grundstücksverhandlungen“, erklärte Berthold Dittmann. Immer wieder gibt es auch zum Grundstückskataster abweichende Straßenverläufe, die gerade bei der Sanierung und Unterhaltung von Wirtschaftswegen nachteilig sind. „Vor allem bei Förderungen“, ergänzte Thomas Gausling aus dem Büro des Bürgermeisters.

Der Bürgermeister hatte auf 200 Teilnehmer gehofft – „wir sind auch nicht weit davon weg“, meinte er. Die Resonanz ist da, auch wegen der Betroffenheit. „Wir wollen Klarheit schaffen“, meinte Berthold Dittmann. Auf einer möglichen Gesamtfläche von 4660 Hektar.

Berthold Dittmann (M.) erkannte die Resonanz und Betroffenheit. Der Bürgermeister betonte, dass sich alle gemeinsam auf den Weg machen müssten.
Berthold Dittmann (M.) erkannte die Resonanz und Betroffenheit. Der Bürgermeister betonte, dass sich alle gemeinsam auf den Weg machen müssten. © Michael Schley

Ganz plakativ und vereinfacht: Hier ein paar Morgen mit Getreide, dort ein paar Hektar mit Zuckerrüben und ein Stück weiter ein Schlag mit Mais. Oftmals müssen Landwirte weit fahren, um ihre Flächen zu bewirtschaften. Mittels eines Flurbereinigungsverfahrens soll es nicht nur Landwirten ermöglicht werden, ihren teilweise zersplitterten Grundbesitz zum Beispiel durch Flächentausch zusammenzulegen, es sollen auch der Wegebau einfacher und auch ökologische Zielsetzungen leichter realisiert werden können. Am Ende sollen Flurstücke nach Lage, Form und Größe zweckmäßig neu geordnet werden. Bestenfalls abgerundet mit einem neu durchdachten Wegenetz.

Ein langwieriger Prozess. Auf mindestens acht bis zehn Jahre schätzte Dagmar Bix die Verfahrensdauer, dies sei auch davon abhängig, welche Ziele die Eigentümer verfolgten. Oder die Stadt. Sie zeichnete auch die vielfältigen Fördermöglichkeiten nach. Die Bezirksregierung als durchführende Behörde arbeite eng mit der Teilnehmergemeinschaft und dessen Vorstand zusammen. Wesentlicher Meilenstein sei das sogenannte Planwunschgespräch. „Das gibt es in keinem anderen Verfahren“, meinte Andreas Grotendorst.

Gut 4600 Hektar wären maximal von einem möglichen Flurbereinigungsverfahren betroffen.
Gut 4600 Hektar wären maximal von einem möglichen Flurbereinigungsverfahren betroffen. © Michael Schley

Ob der Prozess letztlich eingeleitet werde, darüber würde hingegen nicht abgestimmt: „Am Ende steht das objektive Interesse über allem, wir sprechen von einer Art Pflichtmitgliedschaft“, so Dagmar Bix. „Mitgehangen, mitgefangen.“ Fakt sei aber: Kein Teilnehmer dürfe aus dem Prozess mit einem Nachteil herausgehen. Stichwort: wertgleiche Landabfindung. „Was man einbringt und was man bekommt, muss passen.“ Vor allem zum Zweck des landwirtschaftlichen Betriebs.

Fragen zu möglichen Kosten

Was kommt auf die Teilnehmer an Kosten zu, war eine der häufigsten Fragen. „Dafür gibt es eine Aufklärungsversammlung“, betonte Dagmar Bix. Dann gebe es noch die Option des Einspruchs. Eine Kollision mit der Bodenordnung Berkelaue II gebe es keine, „dort sind die Eigentümerwechsel schon vollzogen“.

Die Resonanz in der Stadthalle war groß.
Die Resonanz in der Stadthalle war groß. © Michael Schley

Was aber ist mit den Interessen von Windparkbetreibern? Auf mögliche Differenzen mit (bestehenden) Verträgen wiesen unter anderem Heinrich Große Liesner (Bürgerwind Almsicker Loh) und August Rietfort (Hewe-Windpark) hin. Wieder ein plakatives Beispiel: Was ist, wenn eine Fläche für Windkraft geeignet ist, die zum Tausch angebotene aber nicht? Oder was ist im Falle des späteren Repowerings, wenn größere Anlagen alte ersetzen sollen? Stichwort: Abstandsflächen. „Meines Erachtens braucht es dafür kein öffentliches Verfahren, das geht auf dem kurzen Weg schneller und günstiger“, meinte August Rietfort.

Dagmar Bix verwies hier noch einmal auf das „objektive Interesse“: „Wir schauen nicht, wer mehr oder weniger von einer Flurbereinigung hat.“ Andreas Grotendorst sah die Bezirksregierung keinesfalls als „Verhinderer der Energiewende“: „Als das Flurbereinigungsgesetz erlassen wurde, hat noch keiner an die Windkraft gedacht. Da werden wir uns die Flächen genau anschauen.“

Sorgen um den sozialen Frieden

Christoph Völker warf ein, dass sich die Flächenwerte in den vergangenen vier Jahrzehnten quasi vervierfacht hätten. Er sehe durch eine Neuordnung womöglich den sozialen Frieden in den gewachsenen Nachbarschaften in Gefahr: „Letztlich dreht sich alles auch ums Geld.“ Diese Erfahrung habe sie bisher noch nicht gemacht, antwortete Dagmar Bix.

Die beiden Vertreter der Bezirksregierung versicherten, ein mögliches Flurbereinigungsverfahren eng zu begleiten.
Die beiden Vertreter der Bezirksregierung versicherten, ein mögliches Flurbereinigungsverfahren eng zu begleiten. © Michael Schley

Berthold Dittmann warf ein, dass man die Diskussion nicht zu isoliert zum Beispiel auf regenerative Energien reduzieren dürfe. Sicher ist: Ein solches Verfahren erfordert Verhandlungen, Kompromissbereitschaft und Geduld. „Wir werden uns noch oft sehen, auch kleinteiliger diskutieren. Letztlich aber nichts gegen Widerstände durchdrücken. Das macht weder Sinn noch Spaß“, betonte der Bürgermeister.

Die beiden Vertreter der Bezirksregierung versicherten, ein mögliches Flurbereinigungsverfahren eng zu begleiten.
Viele der Fragen aus der Runde wurden beantwortet. © Michael Schley

Sollte es so kommen, so wird es bis zur Schlussfeststellung ein langer und womöglich steiniger Weg. Dokumentiert dann in Grundbüchern und in einem bereinigten Liegenschaftskataster.