Firmengründer Khalaf Elyas (31) und Sahir Murad (23) setzten auf Handwerk und Familiensinn

Gründer: Khalaf Elyas und Sahir Murad setzen auf Handwerk und Familie
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„Wir sind eine richtige Handwerkerfamilie“, sagt Sahir Murad (23) und lächelt. Handwerkerfamilie, das steht für viel Arbeit, Qualifikation und großen Zusammenhalt. Und das gilt für die Murads in besonderem Maße. Die jesidische Großfamilie ist in Stadtlohn mehr als angekommen. Sie hat ein neues Zuhause gefunden.

Zusammen mit seinem Onkel Khalaf Elyas (31) hat Sahir Murad jetzt ein Unternehmen gegründet: Umzüge, Transporte und kleinere Reparaturen sind ihr Metier. Sahir Murad und Khalaf Elyas sind die Unternehmer. „Aber hinter uns steht die ganze Familie mit unterschiedlichen Ausbildungen“, sagt Khalaf Elyas.

Sahir Murad, Qasim Kheder, Khalaf Elyas und Maher Murad als ehrenamtliche Helfer auf der Baustelle im KISZ (Archivbild).
Sahir Murad, Qasim Kheder, Khalaf Elyas und Maher Murad (v.l.) kamen 2015 als Flüchtlinge nach Stadtlohn. Die Jesiden aus dem Irak unterstützen nun ihrerseits die Flüchtlingshilfe in der Stadt. © privat

Das neue Familienunternehmen heißt „Khanasor“. Das ist der Name ihrer Heimatstadt im Nordwesten des Iraks. Er erinnert sie an eine glückliche Zeit in ihrer alten Heimat. Aber auch an das Unglück, das die Terrorgruppe Islamischer Staat (IS) am 3. August 2014 über die 50.000 Einwohner zählende Stadt brachte.

„Bis dahin hatten wir ein gutes Leben in Khanasor“, sagt Sahir Murad. Er war damals noch Schüler. Aber in den dreimonatigen Sommerferien half er seinem Vater, der einen Dachdeckerbetrieb führte. Auch Khalaf Elyas arbeitete in den Ferien auf Baustellen. „Um etwas Geld zu verdienen“, sagt er. „Und weil die Arbeit auch Freude macht.“

Flucht vor dem Terror

Doch dann brach der islamistische Terror über Khanasor herein. 30.000 Menschen flüchteten in die Berge. Darunter auch die 22-köpfige Großfamilie der Murads und Elyas’. „Es gab kein Essen, nichts zu trinken auf nacktem Stein bei über 35 Grad Hitze“, erzählt Khalaf Elyas mit ernster Miene.

Er berichtet von Babys und alten Menschen, die unter den Strapazen starben. „Etwas Schlimmeres konnte uns nicht passieren“, sagt er. Oder vielleicht doch: die Ermordung, Verschleppung und Versklavung, die durch den IS drohte. Oder die lebensgefährliche Überfahrt in einem Schlauchboot von der Türkei nach Griechenland, die noch folgen sollte. „Dabei haben wir dem Tod ins Auge gesehen“, sagt Sahir Murad.

Strategie für besseres Leben

Aber die beiden wollen in die Zukunft sehen. Ab 2015 fand die Familie in Stadtlohn ein neues Zuhause. „Wir wussten, wir können nicht mehr zurück. Unsere Zukunft ist hier“, sagt Sahir Murad. Und in der Familie verständigte man sich auf eine Strategie für ein besseres Leben in Deutschland, sagt Khalaf Elyas und zählt auf: „Erstens: Respekt! Wir wollen offen für die deutsche Kultur sein. Zweitens: Wir müssen die Sprache lernen. Drittens: Wir wollen hier lernen und arbeiten.“

Sahir Murad ist ein Musterbeispiel. Wie Khalaf Elyas spricht er fehlerfrei Deutsch. Am Berufskolleg in Ahaus holte er seinen Hauptschulabschluss nach. „Mit einem Notendurchschnitt von 1,3“, wie er stolz anmerkt. Inzwischen hat er seine Ausbildung als Elektroniker für Energie- und Gebäudetechnik erfolgreich abgeschlossen. „Jetzt habe ich mich für die Meisterschule angemeldet“, sagt er.

Unternehmer in Teilzeit

Khalaf Elyas arbeitet als Bauhelfer. „Ich konnte noch keine Ausbildung machen, weil ich vier Jahre auf den Nachzug meiner Frau gewartet habe. Dafür musste ich arbeiten und Geld verdienen.“ Aber auch er strebt noch eine Ausbildung an.

Aber jetzt sind Onkel und Neffe Unternehmer. Die Existenzgründer sind aber keine Träumer. Bei der Wirtschaftsförderungsgesellschaft des Kreises Borken ließen sie sich eingehend beraten. Und ihre bisherigen Berufe üben sie in Teilzeit weiter aus. Sie wollen nicht alles auf eine Karte setzen. „Wie man in Deutschland sagt: Wir machen das Schritt für Schritt“, sagt Khalaf Elyas und lacht.

Maher Murad bei Maurerarbeiten
Die jesidische Großfamilie, hier Maher Murad, hat sich bei den Umbauarbeiten für das Kultur- und Integrationszentrum Stadtlohn (KIZS) ehrenamtlich engagiert (Archivbild). © Stefan Grothues

Die ersten Aufträge sind bereits abgearbeitet, neue Anfragen gibt es bereits. Dazwischen muss aber noch Zeit sein für ein ganz besonderes Familienprojekt: „den Hühnerstall in Opas Garten“. Sahir Murad nennt den Grund: „Für die Älteren ist es schwierig, die deutsche Sprache zu lernen. Und sie kennen keine Gleichaltrigen, mit denen sie reden können.“

Khalat Elyas zeigt den Gemüsegarten, in dem Tomaten, Salat und dicke Bohnen gedeihen. „Die Arbeit im Garten hat für den Opa eine ganz besondere Bedeutung.“ Darum auch der Hühnerstall. Khalat Elyas sagt: „Die Älteren waren für uns ein gutes Vorbild. Das wollen wir jetzt auch für die Jüngeren sein.“

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