Ein Stadtlohner soll in seinem Garten sexuelle Handlungen an sich vorgenommen haben. Vor den Augen anderer. Nicht nur einmal. Das bestritt der 85-Jährige während einer Verhandlung vor dem Amtsgericht Ahaus bis zuletzt vehement. Mehrfach gab der Vertreter der Staatsanwaltschaft dem Angeklagten die Chance, einmal in sich zu gehen. Doch dieser blieb bei seiner „Geschichte“, die vor allem dem Anklagevertreter merklich aufstieß. Mit Folgen für den Stadtlohner.
Konkret soll der Angeklagte im Sommer 2024 in seinem Garten onaniert haben; dies in dem Wissen, dass er von einer Person aus einem Nachbarhaus beobachtet wurde. Das sei eine „Gemeinheit, ihn so zu beschuldigen“, verteidigte sich der 85-Jährige gleich zu Beginn. Die Richterin konfrontierte den Angeklagten umgehend mit Lichtbildern, die die Zeugin am Tattag gemacht hatte.
Blasenschwäche als Erklärung
Der Stadtlohner erklärte die Situation wie folgt: Er habe eine Blasenschwäche. Und wenn er am Fischteich stehe und müsse, dann schaffe er es nicht mehr bis in die Wohnung. „Dann mach ich in die Hecke“, so der 85-Jährige. Wie es denn sein könne, dass die Zeugin behaupte, er habe onaniert, fragte die Richterin. „Ich habe mich umgedreht und die Knöpfe der Hose zugemacht“, versuchte der Stadtlohner diesen Eindruck zu erklären.
Die Richterin ergänzte, dass es schon mehrfach Beobachtungen in dieser Hinsicht gegeben habe. Das belegten auch Videoaufnahmen von anderen Tagen. „Von mir? Das hab ich in meinem Alter doch nicht mehr nötig“, blieb der Angeklagte bei seiner Version. Der Anklagevertreter eröffnete diesem die Chance, den Vorwurf einzuräumen – auch, um der Zeugin eine Aussage zu ersparen. „Wenn Sie es weiter so bestreiten, dann wird es teuer. Warum sollte die Zeugin eine solche Tat sonst der Polizei melden?“, fragte der Staatsanwalt durchaus forsch. Alles, was der Stadtlohner bisher in die Waagschale werfe, sei strafverschärfend.
Er antworte nach bestem Wissen und Gewissen, blieb der Angeklagte uneinsichtig. Auch, nachdem die Richterin die Videoaufnahmen von weiteren Tagen vorführte. An einen Tag habe er sich sogar erinnern können. Ansonsten könne es auch mal vorkommen, dass er Dinge vergesse. Für die erkennbaren Auf- und Abbewegungen mit der Hand hatte er folgende Erklärung: „Abschütteln.“
„Sie kommunizieren scheinbar sogar mit demjenigen, der die Aufnahme gemacht hat“, ermahnte der Staatsanwalt noch ein letztes Mal. Ohne Reaktion. Eine „Unverschämtheit“, der Zug für ein Geständnis oder eine Entschuldigung sei nun abgefahren.
So musste letztlich die Zeugin aussagen. Sie habe in einer ihr fremden Wohnung in der Küche gestanden und gesehen, wie der Angeklagte im Garten gestanden und „fixiert nach oben geschaut“ habe: „Ich sah, dass er an sich hantierte.“ Nach rund einer Dreiviertelstunde sei sie erneut ans Küchenfenster getreten. Der Mann habe immer noch dort gestanden und „fixiert nach oben geschaut“.
Darüber sei sie so entsetzt gewesen, dass sie Fotos gemacht habe. Man habe eindeutig gesehen, dass „er an sich manipulierte“. Als sie gehört habe, dass dies wohl schon öfter vorgekommen sei, habe sie es als ihre Pflicht angesehen, diesen Vorfall anzuzeigen.
Für den Anklagevertreter stand es außer Zweifel, dass der Tatvorwurf erwiesen ist. Trotz seiner rechtlichen Erläuterungen habe der Angeklagte alle „für dumm verkauft“. Die Vorwürfe zu bestreiten, mache „keinen Sinn“, die Belege seien eindeutig. Die Geschichte mit der Blasenschwäche und den Folgen sei „völliger Bullshit“: „Warum drehen Sie sich um, um die Knöpfe zu schließen?“
Die Zeugin sei absolut glaubwürdig. Er habe keine Erklärung, was den Stadtlohner dazu treibe, bei seiner Version zu bleiben. „Kommt dieses Verfahren überhaupt bei ihnen an?“ Daran habe er große Zweifel, das Verhalten mache ihn „wütend und schockiert“. Zugutehalten könne er dem Angeklagten nur, dass er bisher straffrei gewesen ist.
Und angesichts von so viel Uneinsichtigkeit sei für ihn eine Geldstrafe nicht mehr ausreichend: Ein Monat Freiheitsstrafe, noch einmal zur Bewährung ausgesetzt, sei tat- und Schuld angemessen. Mit 2500 Euro Geldstrafe als Auflage. „Ich hab es jetzt erst begriffen, dass es falsch war“, meinte der Angeklagte.
Anklagevertreter fordert Haftstrafe
Wegen der Vornahme exhibitionistischer Handlungen, die eine andere Person belästigten, verurteilte die Richterin den 85-Jährigen letztlich zu einer Geldstrafe von 60 Tagessätzen zu je 35 Euro. Also „ein wenig milder“. Den Ausführungen ihres Vorredners schloss sie sich dabei gänzlich an. Die Entblößung habe eindeutig zur Vornahme sexueller Handlungen und nicht des Urinierens Willen stattgefunden. Und dabei habe er eine andere Person wahrgenommen.
„Sie zeigen keine Reue, sind komplett uneinsichtig und suchen nach Ausreden“, betonte die Richterin. Die Einsicht, die der Stadtlohner nach dem Plädoyer gezeigt habe, sei zu spät gekommen. „Ich hoffe, dass die Geldstrafe Warnung genug ist“, nahm die Richterin den Angeklagten in die Pflicht. Das werde nie wieder vorkommen, entgegnete der 85-Jährige.