Patient Harald Robers (65) schiebt seine Krankenversicherungskarte in das Lesegerät. Eine kleine Handbewegung, aber doch ein großer Schritt in der Stadtlohner Hausarztpraxis von Alexander Bülsing, Samir Ammo und Dr. Anamaria Papita.
Harald Robers und sein Hausarzt Samir Ammo aktivieren die elektronische Patientenakte. Künftig hat der Hausarzt schnellen Zugriff auf wichtige Patientendaten: auf Laborbefunde, auf Diagnosen von Fachärzten und auf Röntgenbilder zum Beispiel.
„Das ist die Zukunft. An der Digitalisierung führt auf Dauer kein Weg vorbei“, sagt der 47-jährige Mediziner. Für Samir Ammo liegen die Vorteile auf der Hand: „Ich bin selbst schon im Notarztwagen mitgefahren. Es ist schwer, wenn man einen bewusstlosen Patienten vor sich hat und gar nichts weiß.“
Sollte Harald Robers künftig etwas zustoßen, könnte sich der Notarzt ein besseres Bild machen. Gibt es Allergien oder Besonderheiten in der Krankengeschichte? Gibt es einen Medikationsplan? Die Notfalldaten auf der elektronischen Gesundheitskarte können im Ernstfall lebensrettend sein.
Patient behält die Datenhoheit
Die elektronische Patientenakte, die auf einem Server verschlüsselt gespeichert ist, kann noch mehr. Sie sorgt für den Austausch aller wichtigen medizinischen Informationen zwischen unterschiedlichen behandelnden Ärzten.
Dabei behalte der Patient oder die Patientin stets die Hoheit über die eigenen Gesundheitsdaten, betont die Unabhängige Patientenberatung. Sie arbeitet gemeinnützig im gesetzlichen Auftrag. Arztpraxen, psychotherapeutische Praxen, Kliniken und Apotheken hätten nur Zugriff auf die Daten, wenn der Patient zustimmt.

Für den Alltag in der Hausarztpraxis setzt Samir Ammo auf ganz konkrete Verbesserungen. „Wenn wir als Vertretungspraxis Patienten behandeln, die wir nicht kennen, haben wir bisher ja keinen Zugriff auf die Patientenakte“, sagt der Mediziner.
Und er nennt ein Beispiel: „Erst vor zwei Stunden hatte ich einen Vertretungspatienten, der ein BTM-Rezept wollte. Betäubungsmittel kann ich ja nicht einfach so verschreiben. Eine elektronische Patientenakte mit der Diagnose eines Kollegen hätte für mehr Klarheit gesorgt.“
„Jetzt losgehen“
Doch noch läuft nicht alles reibungslos. Hier und dort hakt noch die Technik. „Die Umstellung wird ein langer Prozess sein. Aber es hilft ja nichts. Wir müssen jetzt einfach losgehen. Sonst sind wir in zehn Jahren noch beim Telefax“, sagt Samir Ammo.
Auch für den Patienten Harald Robers war die Installation der App auf seinem Handy nicht ganz ohne. Freischaltcodes, Sicherheitsschlüssel, Pin und Puk, Identifizierungsverfahren – „wer digital nicht fit ist, für den ist das Verfahren nicht einfach“, sagt der pensionierte Informatiklehrer.
Patienten besser informiert
Aber aus seiner Sicht lohnt sich der Aufwand, weil er die medizinische Versorgung verbessert. Und auch der mündige Patient wird gestärkt. Denn auch er hat per Smartphone oder Tablet Zugriff auf die Daten der elektronischen Patientenakte.
Patienten können auch selbst Daten und Informationen speichern, die sie für den nächsten Arztbesuch nutzen wollen, wie Verlaufswerte zum Blutdruck oder Blutzucker aus einem Fitness-Tracker.
Informationsveranstaltung im KIZS
Patienten, Ärzte, Beschäftigte in Gesundheitsfachberufen, Apotheker und andere Heilberufe können sich am Mittwoch, 19. April, in Stadtlohn in einer hochkarätig besetzten Veranstaltung zum Thema elektronische Patientenakten informieren.
Natascha Kracht von der Kassenärztlichen Vereinigung Westfalen Lippe, Medizininformatiker Prof. Peter Haas, der AOK-Vorstandsvorsitzende Tom Ackermann und Dr. Dr. Hans-Jürgen Bickmann, Ärztlicher Beirat Digitalisierung der Ärztekammer Westfalen Lippe, werden zu Wort kommen. Auch Patientinnen und Patienten sowie Ärztinnen und Ärzte aus der Region berichten über ihre Erfahrungen.
Kritik und Ängste auch Thema
Die Informationsveranstaltung beginnt am Mittwoch, 19. April, um 18.30 Uhr im Kultur- und Integrationszentrum Stadtlohn (KIZS) an der Eschstraße 23. Die Teilnahme an der Veranstaltung ist kostenlos, um eine Anmeldung per E-Mail unter kulturzentrum@stadtlohn.eu wird gebeten.
Der Informationsabend ist Teil der KIZS-Reihe „Digitalisierung im Gesundheitswesen“, die sich auch mit der Kritik aus der Ärzteschaft an einem zu zeitaufwendigen Verfahren und mit Ängsten von Patienten um den Schutz ihrer sensiblen Daten auseinandersetzt. Mathias Redders vom Trägerverein KIZS sagt: „An der Digitalisierung führt aber kein Weg vorbei. Sie muss jedoch sukzessive und schrittweise erfolgen und darf die Praxen nicht überfordern.“