Zwei Gesichter der Krise: Jürgen Rave vom DRK-Stadtlohn stellte dem Gesundheitsminister Jens Spahn im August die DRK-Corona-Teststation vor.

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Ein Jahr Corona in Stadtlohn: 16 Tote und viele Zeichen der Solidarität

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Genau vor einem Jahr, am 19. März, kam das Coronavirus in Stadtlohn an. Die ersten Infektionen wurden bekannt. Seither haben sich fast 500 Stadtlohner infiziert, 16 sind gestorben. Ein Rückblick.

Stadtlohn

, 19.03.2021, 04:00 Uhr / Lesedauer: 4 min

Helmut Könning kann sich noch gut an den 19. März 2020 erinnern. Eine gute Erinnerung ist es nicht. Damals war er noch Bürgermeister der Stadt Stadtlohn. Die Schreckensbilder des Leichenkovois von Bergamo waren gerade um die Welt gegangen. In den Kommunen ringsum wurden die ersten Coronainfektionen gemeldet. Stadtlohn war noch ein weißer Fleck auf der Corona-Landkarte.

„Wir wussten natürlich, dass das Virus auch uns nicht verschonen würde. Ich selbst war damals nach einem Österreichurlaub vorsichtshalber in Quarantäne.“ Dort erreichte ihn die Meldung des Gesundheitsamtes: Zwei Stadtlohner sind mit dem Virus infiziert.

„Plötzlich gab es nur noch das Virus“

Das öffentliche Leben in Stadtlohn hatte es schon einige Wochen fest im Griff. Verordnungen und Informationen von Bund, Land und Kreis, Krisensitzungen im Rathaus und beim Kreis Borken mit den Bürgermeistern der anderen Kommunen, Videokonferenzen mit der Ministerin – „plötzlich gab es nur noch das Virus“, sagt Altbürgermeister Helmut Könning.

Feste und Feiern mussten abgesagt werden. Menschen erkrankten schwer, 16 Stadtlohner starben im Zusammenhang mit einer Coronainfektion. Die Krise, so der Altbürgermeister, habe aber auch gezeigt, wie solidarisch die Stadtlohner zusammenhalten und wie sich das Ehrenamt – zum Beispiel beim DRK – bewährt habe. Nur eines hätte der damalige Bürgermeister Helmut Könning am 19. März 2020 nicht gedacht: „dass uns das Virus am 19. März 2021 noch so im Griff hat.“

Das sind unsere Streiflichter aus dem Coronajahr in Stadtlohn:

19. Februar 2020: Gesundheitsminister Jens Spahn besucht das Geschwister-Scholl-Gymnasium. Corona ist nur ein Randthema. Die Infektionskette sei bislang in Europa unterbrochen worden, so Spahn. „Ich kann aber nicht versprechen, dass es nicht anders wird. Eine weltweite Pandemie ist nicht auszuschließen.

Noch ohne Mundschutz: Im Februar 2020 war  Corona für Jens Spahn und die GSG-Schüler nur eines von vielen Themen.

Noch ohne Mundschutz: Im Februar 2020 war Corona für Jens Spahn und die GSG-Schüler nur eines von vielen Themen. © Stefan Grothues

10. März: Die Folgen des Coronavirus sind auch in Stadtlohn bereits deutlich zu spüren. Schon bevor Gesundheitsminister Jens Spahn die Empfehlung machte, Veranstaltungen mit mehr als 1000 Menschen abzusagen, wurde in Stadtlohn das erste Event verschoben, viele weitere werden folgen, vom Osterfeuer über den 75. Jahrestag der Bombardierung bis hin zu Schützenfesten, Dodgeball und Nikolausumzug.

14. März: Banger Blick in die Partnerstadt San Vito: Stadtlohns Partnerstadt San Vito ist vom Coronavirus besonders betroffen. Auch Michele Gasperini vom Eiscafé San Vito in Stadtlohn ist in Sorge.

Michele Gasperini vom Eiscafé San Vito in Stadtlohn machte sich im Frühjahr 2020 viele Gedanken rund um die Coronavirus-Lage in der Partnerstadt San Vito.

Michele Gasperini vom Eiscafé San Vito in Stadtlohn machte sich im Frühjahr 2020 viele Gedanken rund um die Coronavirus-Lage in der Partnerstadt San Vito. © Till Goerke

17. März: „Katastrophe“, meint Silke Rathmer und schüttelt ungläubig den Kopf, während sie vor einem der leeren Regale im Drogeriemarkt dm in Stadtlohn steht. Sie arbeitet dort schon 20 Jahre als Verkäuferin, „aber so etwas habe ich in der Zeit noch nie erlebt.“ In den Regalen fehlen die Dinge, die auch in allen anderen Läden ausverkauft sind: Mehl, Desinfektionsmittel und natürlich Toilettenpapier.

18. März: Heute fast eine Selbstverständlichkeit, damals Vorreiter: In der Sonnen-Apotheke schützt seit Neuestem eine Glasscheibe Kunden und Mitarbeiter vor einer möglichen Infektion mit dem Coronavirus.

19. März: In Stadtlohn werden die ersten beiden Coronainfektionen gemeldet.

Am gleichen Tag ist in Stadtlohn eine Anlaufstelle für die vom Gesundheitsamt angeordneten Coronatestungen eingerichtet worden. Sie wird ehrenamtlich von Kräften des Stadtlohner DRK betrieben, die dafür später vom Gesundheitsminister gelobt werden.

Maik (l.) und Thomas Veldscholten haben die Facebook-Gruppe "Corona Hilfe Stadtlohn" ins Leben gerufen.

Maik (l.) und Thomas Veldscholten haben die Facebook-Gruppe "Corona Hilfe Stadtlohn" ins Leben gerufen. © Pascal Albert

20. März: Thomas und Maik Veldscholten haben die Gruppe „Coronahilfe Stadtlohn“ gegründet, hunderte Stadtlohner wollen helfen. Die Gruppe bietet für den Quarantänefall zum Beispiel Einkaufshilfen an und entwickelt in Kooperation mit der Stadt einen Lieferdienst. Später wird die Coronahilfe mit dem Ehrenamtspreis der Stadt Stadtlohn ausgezeichnet.

26. März: Während viele Unternehmen in Stadtlohn aktuell eine Zwangspause einlegen müssen, hat Bestatter Wolfgang Rölver auch in der Corona-Krise mehr als genug zu tun. Und das, obwohl der von einigen befürchtete rapide Anstieg der Todesfälle bislang zum Glück ausgeblieben ist. „Seit zwei Wochen herrscht nur noch völliges Chaos. Jeden Tag kommen neue Bestimmungen, an die wir uns halten müssen“, erklärt Wolfgang Rölver.

Alana Gärtner ist stellvertretende Schulsprecherin am GSG. Für ihr Abi 2020 lernte sie zuhause.

Alana Gärtner ist stellvertretende Schulsprecherin am GSG. Für ihr Abi lernt sie zuhause. © privat

27. März: Abitur verschoben: Drei Wochen später als geplant werden die Abiturprüfungen in Nordrhein-Westfalen laufen. „Jetzt haben wir endlich Gewissheit“, sagten Vincent Schlüter (18) und Alana Gärtner (17), die Schulsprecher des Geschwister-Scholl-Gymnasiums.

28. März: Zwei mit Corona infizierte Stadtlohner sterben auf der Isolierstation des Krankenhauses nach intensivmedizinischer Betreuung.

9. April: Statt Gardinen und Polster produziert „Fenestro“ aktuell Stoffkittel. Denn Einweg-Schutzkittel werden am Stadtlohner Krankenhaus langsam knapp. Geld verdient „Fenestro“ mit der Aktion nicht.

17. April: Der Dodgeball-Beach-Cup am Flugplatz Wenningfeld wird abgesagt. Die Veranstalter zeigen sich enttäuscht, wütend, aber auch optimistisch für das Jahr 2021. Aktuell zählt Stadtlohn 16 Infizierte, 18 Gesundete und 3 Verstorbene.

15. Mai: Die Stadt Stadtlohn zahlt 250.000 Euro Zuschuss für Gutscheine, die beim lokalen Einzelhandel und Gastronomie eingelöst werden können. So soll der Einzelhandel in der Stadt gestützt werden.

Kino trotz Corona: Das Autokino im alten Berkelstadion hat es möglich gemacht.

Kino trotz Corona: Das Autokino im alten Berkelstadion hat es möglich gemacht.

25. Mai: Kultur auf Distanz mit Popcorn, Sonnenschein und Blockbuster. Das Autokino im ehemaligen Stadtlohner Berkelstadion bietet Spannung und hilft denen, die besonders unter der Corona-Krise leiden. Aktuell zählt Stadtlohn nur noch 4 Infizierte, 39 Menschen sind gesundet, 3 verstorben.

3. Juni: Die erste Welle ist abgeebbt. Aktuell gibt es in Stadtlohn keine Infizierten. Das Freibad wird unter strengen Hygieneregeln geöffnet. Maximal 100 Besucher dürfen ins Bad.

17. Juli: Kleiner Trost für entgangene Schützenfestfreuden: Bernd Busert eröffnet im Losbergpark einen Pop-Up-Biergarten.

24. August: Der Sommer drängt Corona in den Hintergrund. Die Zahlen bleiben niedrig. Aktuell gibt es in Stadtlohn 4 Infizierte. Von den 52 insgesamt infizierten Stadtlohnern sind 45 gesundet und 3 gestorben.

GSG-Schulleiter Jochen Wilsmann und seine Stellvertreterin Brigit Prangenberg hängten schon im Frühjahr im gesamten Schulgebäude Schilder auf. Die Umsetzung der Corona-Maßnahmen kostete am Gymnasium knapp 11.000 Euro.

GSG-Schulleiter Jochen Wilsmann und seine Stellvertreterin Brigit Prangenberg hängten schon im Frühjahr im gesamten Schulgebäude Schilder auf. Die Umsetzung der Corona-Maßnahmen kostete am Gymnasium knapp 11.000 Euro. © Grothues

25. September: Ein Lehrer am Geschwister-Scholl-Gymnasium wird positiv getestet. Die Corona-Warn-App sorgt für einen Massentest. Später gibt es Entwarnung. Die Schüler sind nicht infiziert.

30. Oktober: Die zweite Infektionswelle rollt heran. Die Zahl er aktuell infizierten Stadtlohn steigt auf 25. Bürgermeister Helmut Könning hat nach 17 Jahren seinen letzten regulären Arbeitstag. Eine offizielle Abschiedsfeier gibt es coronabedingt nicht. Die Verwaltung verabschiedet ihn mit einem Spalier auf dem Marktplatz.

Abschied mit Ausblick, aber ohne coronabedingt ohne Feier: Ende Oktober ging Bürgermeister Helmut Könning nach 17 Jahren in den Ruhestand. Die Feuerwehr hob ihn und seine Frau Hedwig im Korb des Teleskopmastfahrzeugs über die Dächer der Stadt.

Abschied mit Ausblick, aber ohne coronabedingt ohne Feier: Ende Oktober ging Bürgermeister Helmut Könning nach 17 Jahren in den Ruhestand. Die Feuerwehr hob ihn und seine Frau Hedwig im Korb des Teleskopmastfahrzeugs über die Dächer der Stadt. © Stadt Stadtlohn

17. November: Die 7-Tage-Inzidenz im Kreis Borken steigt auf 164, in Stadtlohn sind aktuell 55 Menschen infiziert, 83 sind gesundet, 3 verstorben.

12. Dezember: 270 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Krankenhauses Maria Hilf müssen zum Massentest. In den vorangegangenen zehn Tagen gab es 14 positive Corona-Fälle in der Mitarbeiterschaft. Die Ergebnisse des Massentests sorgen später für Erleichterung.

23. Dezember: St. Otger sagt nach einem Krisengespräch alle Weihnachtsgottesdienste ab. Es werden aber Online-Gottesdienste angeboten.

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hat am 11. Dezember im Livestream sieben Bürgerinnen und Bürger zu seiner ersten "Bürgerlage" getroffen. Einer der Gesprächsteilnehmer war der Stadtlohner Norbert Vos.

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hat am 11. Dezember im Livestream sieben Bürgerinnen und Bürger zu seiner ersten "Bürgerlage" getroffen. Einer der Gesprächsteilnehmer war der Stadtlohner Norbert Vos. © Guido Bergmann

21. Januar 2021: Norbert Vos spricht mit dem Bundespräsidenten über die Coronalage Der 52-jährige Stadtlohner ist einer von sieben Bürgern, mit denen Steinmeier online das Gespräch sucht.

30. Januar: Als eine der ersten Städte in Deutschland stattet Stadtlohn alle Klassenräume der vier Grundschulen mit mobilen Luftreinigern gegen Coronaviren aus.

In der Gescher-Dyk-Schule sind im Februar die ersten zehn Luftreiniger aufgestellt worden. Die Stadt Stadtlohn stattet alle Klassenräume der vier Grundschulen mit den Geräten aus. Von links: Kemper-Geschäftsführer Björn Kemper, Bürgermeister Berthold Dittmann und Schulleiter Oliver Puthen.

In der Gescher-Dyk-Schule sind im Februar die ersten zehn Luftreiniger aufgestellt worden. Die Stadt Stadtlohn stattet alle Klassenräume der vier Grundschulen mit den Geräten aus. Von links: Kemper-Geschäftsführer Björn Kemper, Bürgermeister Berthold Dittmann und Schulleiter Oliver Puthen. © Stefan Grothues

18. Februar: Ehrenamtliche Impfpaten unterstützen Stadtlohner Senioren dabei, einen Impftermin im Impfzentrum des Kreises in Velen zu ergattern.

20. Februar: Corona-Ausbruch im Senioren- und Pflegezentrum St. Josef: Vier Bewohner sind innerhalb von nur zwei Tagen an oder im Zusammenhang mit Covid-19 gestorben, ein weiterer infizierter Bewohner verstirbt später. Mitte März ist die Einrichtung wieder coronafrei.

DJ Scheffwell alias Nico Scheffer war überglücklich nach der großen Resonanz auf seinen Streamingauftritt.

DJ Scheffwell alias Nico Scheffer war überglücklich nach der großen Resonanz auf seinen Streamingauftritt. © Marietheres Schlamann

15. März: DJ Scheffwell rockt die Otgerkirche und freut sich über Tausende Zuschauer. Der junge Stadtlohner DJ hat am Samstag mit einer spektakulären Show um Spenden für Lockdownopfer geworben.

17. März: Nach sieben Tagen und über 1000 Schnelltests schließt das DRK Stadtlohn die Schnellteststation in der Stadthalle. Der Zeltverleih Stockhorst eröffnet eine Schnellteststation an der Heinestraße.

In sieben Tagen hat das DRK im März 2020 in der Stadthalle über 1000 Schnelltests durchgeführt.

In sieben Tagen hat das DRK im März 2020 in der Stadthalle über 1000 Schnelltests durchgeführt. © Stefan Grothues

18. März: Die Sieben-Tage-Inzidenz im Kreis Borken klettert auf 102,3. In Stadtlohn. In Stadtlohn sind aktuell 40 Menschen mit Corona infiziert, 440 sind gesundet. 16 Stadtlohnerinnen und Stadtlohner sind an oder im Zusammenhang mit einer Coronainfektion gestorben.