Langstrecke habe er immer gut gekonnt. Wenn Berthold Dittmann auf seine sportliche Laufbahn blickt, dann fällt ihm ein, dass er „doch wieder mehr joggen“ wolle. In Sachen Bürgermeisteramt ist es noch eher eine Kurzstrecke, die er hinter sich hat. Es soll aber schon zumindest eine Mittelstrecke werden. Deshalb tritt der 54-Jährige im September zur Kommunalwahl wieder an. „Es gibt noch genug zu tun“, betont er im Gespräch. Nicht nur sportlich.
September 2020: Als er im Fotofinish mit Günter Wewers knapp die Nase vorn gehabt hat, habe er schon einmal „tief Luft geholt“. Schließlich bedeutete dies ebenfalls, dass er mit seinem Gegenkandidaten künftig im Rathaus zusammenarbeiten musste. „Das funktioniert sehr gut, wir haben beide Stärken und Schwächen, es ergänzt sich“, meint der Bürgermeister. Dass es so gekommen sei, sei durchaus überraschend.
„Eigentlich hatte ich ja mit der Kommunalpolitik abgeschlossen“, blickt der 54-Jährige auf seinen Austritt aus der SPD 2018 zurück. Dann habe es die Anfrage der Fraktionen gegeben. Die Aufgabe war ihm sofort klar: „Du musst als Bürgermeister liefern.“
Krisen für mehrere Amtsperioden
Der Start war kein einfacher: Corona hatte das Alltagsleben lahmgelegt. Es folgten Ukraine-Krieg mit Wirtschafts- und Energiekrise und die Flüchtlingssituation, vor Ort die Insolvenz von Hülsta. „Die Krisen hätten eigentlich für zwei, drei Amtsperioden gereicht“, schmunzelt Berthold Dittmann. Da sei man aber insgesamt „gut durchgeschippert“, meint er. „Man muss auch mal sehen, was man alles geschafft hat“, betont er. Das gehe oft in der Wahrnehmung verloren.
Bei allen Herausforderungen habe man in den bisher viereinhalb Jahren eben schon viel geschafft. Stichwort Finanzen: „Die sehen weitaus besser aus als vielfach dargestellt“, sagt der Bürgermeister. Viele Investitionen seien getätigt worden. Beim Hochwasserschutzkonzept werde man auf Sicht fertig. Andere seien gegeben: Hilgenbergschule, Stadthalle, Hallenbad. „Das muss gemacht werden“, betont Dittmann.
Auf der Einnahmenseite blicke er auf zwei Rekordjahre bei der Gewerbesteuer zurück. „Pro-Kopf sind wir im Kreis weit vorne dabei.“ Natürlich sei aktuell eine Eintrübung spürbar, die sei allerdings eher der gesamtwirtschaftlichen Situation geschuldet.

Geschultert habe man diese Zeiten im Team. „Ne tolle Truppe“, mittlerweile rund 240 Mitarbeiter stark. Viel sei auch intern angestoßen worden: Leitbildprozess, Entwicklung einer Arbeitgebermarke, Transformation in der Altersstruktur, viele Stellen habe man neu besetzen können. Die Zufriedenheit spiegelten auch diejenigen Mitarbeiter zurück, die zur Stadt Stadtlohn gewechselt seien. Dabei stehe man doch in einem „Mega-Wettbewerb“ um die besten Kräfte.
Mehr Transparenz und Modernisierung – zwei Kernaufgaben, die sich Berthold Dittmann zum Start auf die Fahnen geschrieben habe. Die Digitalisierung eröffne doch Wahnsinnschancen, wenn man sie sinnvoll einsetze. „Wir hatten den Mut, früh auf Office 365 zu setzen“, nennt er ein Beispiel. Der Prozess schreite voran, auch in den Schulen. Dabei unterstütze die interne EDV-Abteilung, wo sie könne. „Wenn, dann werden wir von außen ausgebremst“, erklärt der 54-Jährige. Er habe schon gehört, er sei der „digitale Bürgermeister“: „Ich bin einfach pragmatisch“, hält er „dagegen“. Ein Blick auf den aufgeräumten Schreibtisch im Rathaus belegt dieses.
„Wie eine große Nachbarschaft“
Ganz wichtig: Kommunikation. Ob Bürger- oder Unternehmensdialog, der innovative Püttcast oder der Kontakt zu Vereinen und Verbänden. Der enge Draht sei wichtig, Sorgen und Nöte der Bürgerinnen und Bürger müssten ernst genommen werden. Apropos Vereine: „Engagement und Ehrenamt sind einfach beeindruckend“, betont der Bürgermeister. Es fühle sich „wie eine große Nachbarschaft“ an. Der Zusammenhalt zeichne Stadtlohn einfach aus.
Neben den enormen Investitionen – welche Herausforderungen warten? „Der Rechtsanspruch auf den Offenen Ganztag“, nennt Berthold Dittmann ein Beispiel. Mit allen baulichen Erfordernissen. Da setze man auf Unterstützung vom Land. Beim Thema Schulen muss er kurz ausholen. „Wir haben die Vierzügigkeit am Gymnasium erreicht, die Anmeldezahlen sind insgesamt wieder sehr gut“, meint er. Die Dreigliedrigkeit im Schulsystem etabliere sich weiter. „Es gibt weiterhin viel zu tun“, weiß der 54-Jährige.
Zweifellos müsse ein Bürgermeister auch mal mit „Bauchlandungen“ umzugehen wissen. Stichwort Stadthalle. Mit dem Investorenmodell im Berkelstadion habe die Verwaltung mal neue Wege gehen und den Stadtsäckel entlasten wollen. Dass am Ende anders entschieden worden sei, damit könne er leben: „Dafür bin ich Demokrat genug.“ Diesen Prozess sehe er auch gar nicht ideologisch: „Es geht am Ende darum, was am besten für die Stadt ist.“
Erster unabhängiger Bürgermeister
Als erster parteiloser Bürgermeister habe er ein offenes Ohr für alle fünf Fraktionen, mit unabhängigem Blickwinkel. So habe er auch schon mal mit der CDU etwas durchgerungen. „Am Ende zählt meine Stimme auch nur so viel wie die der 34 anderen Ratsmitglieder“, weiß er. Letztlich gehe es darum zu überzeugen. Auch die Zusammenarbeit mit dem Kreis oder im Verbund mit Südlohn und Vreden sei sehr gut und verlässlich.
Der Job als Bürgermeister habe ihm im Grunde immer Spaß bereitet. Natürlich gebe es auch mal schwache Tage. Kräftezehrend sei dieser in jedem Fall. „Oft habe ich schon zur Mitte der Woche ‚die Stunden drin‘. Fleißarbeit verlagere ich gerade morgens vor dem Gang ins Büro und am Wochenende auch nach Hause“, berichtet er. Dafür sei er dieses Amt aber auch angetreten.
Das Abschalten dürfe bei allem nicht vergessen werden, erzählt der Vater von drei Töchtern. „Dann muss man auch mal einfach Papa sein“, schiebt er hinterher. Eine wichtige Stütze sei dann vor allem seine Partnerin Maria. Bei gemeinsamen Unternehmungen lade man die Akkus wieder auf.
Obwohl. So ein richtiger Freizeitmensch sei er nicht, irgendwie „immer auf stand-by“. Als Bürgermeister sei man natürlich immer „öffentlich“. Karneval, Stammtisch mit den engsten Freunden, Doppelkopfrunden und natürlich den HSV lasse er sich nicht nehmen. Und Familie natürlich: „Bei fünf Geschwistern ist immer was los.“ Berthold Dittmann muss schmunzeln.
Zurück zur Langstrecke: „Die zweite Amtszeit braucht es, das habe ich immer betont“, erklärt der 54-Jährige. Eine dritte wäre dann auch eine Frage der Kraft. „Wenn der Wähler denn so will“, sagt er und lacht. Im Wahlkampf erwarte er einen fairen Austausch mit dem Mitbewerber Dr. Markus Könning (CDU), dem bisher einzigen Gegenkandidaten. Und zwischendurch wolle er halt mehr joggen. Auch was Meditatives. „Das sind für mich kleine Inseln, die man braucht.“