
Nachwuchswissenschaftler am Geschwister-Scholl-Gymnasium: Charlotte Brüning, Luzie Rosing und Linus Hanisch (von links) mit Lehrerin Cathrin Vorst. © Stefan Grothues
Begabtenförderung: Stadtlohner Schüler mögen Wissenschaft ohne Noten
Schule
Bald sind Notenkonferenzen am Geschwister-Scholl-Gymnasium. Schon jetzt steht fest, dass einige Spitzenleistungen gar nicht benotet werden. Zum Beispiel die von Luzie, Linus und Charlotte.
Luzie Rosing ist zwölf Jahre alt. Sie geht in die 7a des Geschwister-Scholl-Gymnasiums. Sie lacht gerne, spielt Volleyball und Geige. Und sie ist Expertin für Bindungsstörungen bei Pflegekindern, hervorgebracht durch frühkindliche Traumatisierungen.
Das ist der Titel einer Arbeit mit wissenschaftlichem Anspruch, die die Zwölfjährige in den vergangenen neun Monaten neben dem eigentlichen Unterrichts verfasst hat. Dafür hat sie auch Fachgespräche mit einem klinischen Psychologen aus Essen geführt. „Das war schon sehr kompliziert“, sagt Luzie und lacht. Jetzt aber ist sie stolz, ihre 17 Seiten umfassende Abhandlung in den Händen zu halten.
Experten an der Uni interviewt
Ihr Klassenkamerad Linus Hanisch (13) hat sich monatelang mit der Entwicklung und Geschichte der englischen Sprache von ihren Anfängen bis heute befasst – ein Expertengespräch mit einem Anglisten der Universität Paderborn inbegriffen. Und Charlotte Brüning (13) aus der 7c hat den Stadtarchivar und eine Historikerin zur Geschichte der Juden in Stadtlohn interviewt.
Jetzt liegen die drei Arbeiten und 16 weitere aus den Jahrgangstufen 7 und 8 auf dem Tisch von Cathrin Vorst. Sie unterrichtet am Geschwister-Scholl-Gymnasium nicht nur die Fächer Französisch und Religion. Sie ist auch Schüler-Coach und Ansprechpartnerin für Begabungsförderung. Dafür hat sie sich eigens in Kursen der Universität Münster fortgebildet. Und auf die Schülerarbeiten ist sie mindestens so stolz wie die Schülerinnen und Schüler selbst. „Das könnten auch Proseminararbeiten von Studenten sein“, sagt sie.
„Hochbegabung sollte nicht ins Leere laufen“
Ihr Interesse an der Begabtenförderung hat mit persönlichen Erfahrungen als Mutter dreier, inzwischen erwachsener Kinder zu tun. „Bei meinem Sohn stand die Frage der Hochbegabung im Raum“, erzählt sie. Und das hatte für ihn nicht nur Vorteile. „Er hatte oft Stress mit seiner Grundschullehrerin, weil er über Politik und andere Themen diskutieren wollte, über die andere Grundschüler eigentlich nicht reden“, sagt Cathrin Vorst. „Ich fand es so schade, dass er in der Schule mit seinen Interessen so oft ins Leere lief.“
Richtet sich das unter ihrer Leitung neugeschaffene Förderprogramm des Geschwister-Scholl-Gymnasium nur an Überflieger? „Nein“, sagt Cathrin Vorst. „Aber es sind schon echte Überflieger dabei“, ergänzt sie lachend. So weit würde Linus in der Selbstbeschreibung nicht gehen. Er äußert sich diplomatisch. „Für mich läuft es sehr gut in der Schule. Und Sprachen zu lernen ist für mich nicht so schwer.“
Willkommene Herausforderung
Darum stand die Themenwahl für ihn schnell fest. Er nahm die Entwicklung der englischen Sprache seit ihren Anfängen in den Blick, die Einflüsse anderer Sprachen und einen Exkurs zu Shakespeare inbegriffen. Luzie hat ihr psychologisches Thema gewählt, weil drei ihrer fünf Geschwister Pflegekinder sind.
„Ich habe mich gefreut, als Frau Vorst mich gefragt hat, ob ich an dem Förderprojekt teilnehmen will“, erzählt sie. Auch für Charlotte war die zusätzliche Arbeit über zwei Schulhalbjahre eine willkommene Herausforderung. Sie hatte im Fernsehen die Serie ,Der Krieg und ich‘ gesehen. Seitdem interessiert sie sich sehr für geschichtliche Themen. „Das ist wichtig, weil so etwas wie die Judenverfolgung nicht wieder passieren darf“, sagt sie.
„Es macht Spaß, seinen eigenen Interessen zu folgen“
An Noten haben die drei „Nachwuchswissenschaftler“ bei all der zusätzlichen Arbeit nicht gedacht. Luzie sagt: „Ich finde es gut, dass es für die Arbeiten keine Noten gibt. Es macht einfach Spaß, seinen eigenen Interessen zu folgen und sich selbst weiterzuentwickeln.“
Weiterentwickeln sollen sich aber nicht nur die stärkeren Schülerinnen und Schüler, betont Lehrerin Cathrin Vorst. Sie weist darauf hin, dass das Projekt nur ein Teil des Angebotes auf der „Förder- und Forderschiene“ sei, das auch spezielle Schwachstellen von Schülern in den Blick nehme.
Jetzt aber richtete sich der Blick auf die Begabten. In einer Feierstunde haben sie am Dienstagnachmittag vor einem 150-köpfigen Publikum aus Eltern, Geschwistern, Freunden und Mitschülern ihre Arbeiten vorgestellt. Ob sie ihre Forschungsprojekte weiterverfolgen ist unklar. Der Blick von Luzie, Linus und Charlotte geht jetzt erst einmal in Richtung Sommerferien. Eines steht für Charlotte wie für die anderen aber jetzt schon fest. „Später will ich auf jeden Fall studieren.“