Cäcilia Lewing hat nervenaufreibende Weihnachten hinter sich. Die Berkel überflutete nicht nur ihren Garten, sondern näherte sich bedrohlich ihrem Haus am Ginsterweg. „Mein Mann liegt im Krankenhaus, da kam alles zusammen“, sagt die 84-Jährige. Und nach dem Jahreswechsel beginnt die Zitterpartie von Neuem.
Nur wenige Meter von ihrem Haus entfernt steckt ein Holzstab im Rasen. „Bis dahin ist an Weihnachten das Wasser gestiegen“, sagt Cäcilia Lewing. Der Berkelpegel am Schanzring zeigte da 3,12 Meter an.

An diesem Mittwoch (3. Januar) nähert sich der Wasserspiegel schon wieder dieser Marke. Der Pegel zeigt am Morgen 2,84 Meter, nachdem er zum Jahreswechsel auf 1,70 Meter abgesunken war. Am Himmel ziehen dunkle Regenwolken vorbei. Neue Niederschläge sind angekündigt. „Das macht mir schon richtig Angst“, sagt Cäcilia Lewing.
Die Sorge ist nicht ganz unbegründet. Sollte der Pegel auf über 3,15 Meter ansteigen, wird es kritisch. Dann droht das Wasser ins Haus zu laufen. In den Heizungskeller, in das Gästezimmer und in die Sommerküche. Die Tür ist mit einer Holzplatte gesichert, davor sind 100 Sandsäcke gestapelt. Ob dieser Schutz im Falle eines Falles helfen würde, ist ungewiss.
Was definitiv geholfen hat, ist eine gärtnerische Umgestaltung aus dem letzten Sommer. Das Blumenbeet vor der Terrasse wurde angehoben. Ohne diesen Damm wäre das Wasser bereits in den Keller eingedrungen.
Mit ihren Sorgen und Nöten steht die Seniorin aber nicht alleine dar. „Herr Mesken vom Ordnungsamt hat sich über Weihnachten gut gekümmert. Er hat auch dafür gesorgt, dass ich die ersten 20 Sandsäcke bekam“, sagt Cäcilia Lewing. Beistand geben ihr auch ihre Töchter Bettina Oskamp (55) und Mariele Dübbers (57), die in Gescher und im Rheinland leben.

„Wir sind beide Lehrerinnen und haben noch Ferien. Darum können wir jetzt auch hier sein“, sagt Mariele Dübbers. Ihre Schwester Bettina Oskamp hat schon zu Weihnachten mit ihrem Mann die Sandsäcke vor der Tür gestapelt.
Die beiden Schwestern blicken mit gemischten Gefühlen auf die weitläufigen Wasserflächen im Garten ihrer Eltern und auf den Wiesen am anderen Ufer. Mittendurch wälzt die sonst so beschauliche Berkel mit starker Strömung und aufgewühlten Wassermassen.

Die Schwestern erinnern sich an idyllische Kindheitstage. „In der Berkel haben wir ja schwimmen gelernt“, sagt Bettina Oskamp. Die beiden denken auch gerne an ihre Ausflüge mit Tret- und Paddelbooten der Familie zurück. „Einmal konnten wir auf der Berkel sogar Schlittschuh fahren“, sagt Mariele Dübbers.
Die schönen Seiten des 1500 Quadratmeter Grundstücks haben auch viele andere Stadtlohner Kinder genossen. „Mein Mann war ja Lehrer an der Losbergschule. Und in unserem Garten haben oft Projekttage stattgefunden“, sagt Cäcilia Lewing. Dafür hatte Egon Lewing sogar ein Backhaus errichtet.

Jetzt lächelt die 84-Jährige. Sie sagt: „Im Sommer ist es hier ganz wunderbar. Es gibt nichts Schöneres als abends auf der Bank am Ufer zu sitzen und ein Gläschen Wein zu trinken.“
Und sie erinnert sich: „Mein Mann hat sich vor fast 50 Jahren direkt in das Grundstück verliebt. Ich war anfangs nicht so überzeugt. Das war ja damals eine wilde Müllkippe.“ Mehr als 120 Lkw-Ladungen Erde wurden vor Baubeginn auf das vormals tiefliegende Grundstück geschafft.

Das hat 40 Jahre lang sicheren Schutz geboten. Teile des Gartens waren immer wieder mal im Winter überschwemmt. Aber das war kein Problem. Bis zum großen Sommerhochwasser 2016. Da lief das Berkelwasser erstmals ins Haus der Lewings.
Der Schaden war groß. Die Erinnerung daran ist traumatisch. Und sie wird jetzt durch die jetzige Hochwasserwelle erneut geweckt. Mutter und Töchter sind sich einig. Bedrohlicher als jetzt war es nur einmal, im Sommer 2016.

Anders als vor siebeneinhalb Jahren scheint das aktuelle Hochwasser aber glimpflich auszugehen. Am Mittwochnachmittag um 15 Uhr sagt Bernd Mesken, Leiter des Fachbereichs Sicherheit und Ordnung der Stadt Stadtlohn: „Ich glaube, wir haben jetzt den Zenit erreicht.“
Der Berkelpegel steht jetzt bei 2,86 Meter. Dass er in den nächsten Tagen noch einmal die Drei-Meter-Marke erreicht, glaubt Bernd Mesken nicht. „Die Regenmengen, die wir jetzt noch erwarten, sind nicht so dramatisch.“ In der Nacht zum Donnerstag (4. Januar) werde aber noch ein doppelter Bereitschaftsdienst bereitstehen.
Hinweis der Redaktion: Der Artikel erschien bereits am 3. Januar 2024