Was geschah genau in einer Nacht Anfang Oktober 2023 auf dem Betriebsgelände eines Autohandels in Stadtlohn? Es wurde eingebrochen, Schlüssel wurden gestohlen und ein Opel entwendet. Wert: 8500 Euro. Das Auto wurde später auf einem Acker sichergestellt. Doch: Ob die Tat tatsächlich einem 45-jährigen Stadtlohner zur Last gelegt werden konnte, darum wurde im Amtsgericht hart gerungen.
Für den Diebstahl in einem besonders schweren Fall forderte die Anklagevertreterin ein Jahr Freiheitsstrafe ohne Bewährung. Der Richter schätzte die Sachlage nach Beweisaufnahme anders ein. So viel vorweg.
Ja, er habe zeitweise für die Firma gearbeitet, habe vor allem Autos gereinigt. Bevor diese verkauft wurden. „So vier, fünf Mal in drei Monaten“, erklärte der Angeklagte. Auch den besagten Opel habe er aufbereitet. Wo die Fahrzeugschlüssel aufbewahrt würden, wisse er nicht. Gefahren sei er nicht, er besitze gar keinen Führerschein.
So sei auch zu erklären, wie DNA-Spuren von ihm an Lenkrad und Schaltknüppel gekommen seien, beantwortete er die Frage des Richters. Das zweite Indiz: Unter einem weiteren Wagen waren Ausweis und Krankenkarte des 45-Jährigen gefunden worden. Dass er diese bei der Arbeit verloren habe, sei durchaus möglich, meinte die Verteidigerin.
Viele Widersprüche
Ein paar Tage darauf habe er den Verlust bemerkt und Ausweis wie zudem noch EC-Karte neu beantragt. Wie es denn sein könne, dass mit der alten Karte noch danach Geld abgehoben und eingekauft worden sei, fragte der Richter. „Ich habe die Karte im Rathaus abholen können.“ Sprich: Sie war gefunden worden.
Wer ihn denn beauftragt habe, das Auto zu reinigen, wollte der Richter noch wissen. Der Autohandel wird von einem Stadtlohner geführt, dessen Vater unterstützt ihn dabei. „Es war der ältere“, erklärte der Angeklagte. Das sollte noch wichtig werden.
Im Zeugenstand vollzog der Eigentümer des gestohlenen Fahrzeugs die Vorgänge nach. Er habe den Opel auf dem Gelände des Autohändlers zum Verkauf bereitgestellt. Es soll auch einen Interessenten gegeben haben. „Dann bekam ich einen Anruf, dass das Auto geklaut worden sei“, erklärte der Zeuge. Den Wagen habe er defekt und ohne Schlüssel zurückerhalten. „So steht er immer noch bei mir.“
Zum dritten Mal nicht erschienen war der Unternehmer. Der Richter veranlasste seine Vorführung, greifbar war allerdings nur dessen Vater. Dieser kam freiwillig mit ins Amtsgericht. Er helfe seinem Sohn, passe vor allem auf den Platz auf, berichtete der Zeuge. Den Angeklagten habe er „ein-, zweimal in Stadtlohn gesehen“. An besagtem Morgen habe er festgestellt, dass ein Auto fehlte. Als man mit der Polizei den Platz abgelaufen sei, habe man Ausweis und Krankenkarte gefunden.
Weitere Mitarbeiter gebe es übrigens keine. Wie es denn dann sein könne, dass gerade er den Angeklagten angewiesen haben soll, dieses Auto zu reinigen, fragte der Richter. „Wir sind allein“, betonte der Zeuge. Dieser Opel sei übrigens in dieser Zeit das teuerste Auto auf dem Gelände gewesen.
Die Verteidigerin hakte noch wegen der Geschäftsgebaren nach. „Wer wickelt denn Geschäfte zum Beispiel mit Holländern ab?“ „Er hat Probleme mit zwei Holländern“, wich der Zeuge aus. Aber er kenne den Angeklagten doch nur flüchtig, warf der Richter ein. „Stadtlohn ist klein“, so die Antwort. Was beim Richter ein großes Fragezeichen hinterließ: „Entweder lügen Sie oder der Angeklagte.“
Satte 15 Eintragungen wies der Bundeszentralregisterauszug des 45-Jährigen aus. Kein unbescholtenes Blatt folglich.
Für die Anklagevertreterin war der Sachverhalt laut Anklage erwiesen. Die Zeugenaussagen, die DNA-Spur, die Fotos vom Tatort – es gebe zahlreiche Hinweise. Das Abstreiten des Angeklagten sei durch die Zeugenaussagen widerlegt, diese zeigten keine Belastungstendenzen. Belastend seien zudem die hohe Rückfallgeschwindigkeit beim Stadtlohner und der große Schaden. „Ich sehe keine günstige Sozialprognose“, so der Ausblick. Ein Jahr Freiheitsstrafe sei schuld- und tatangemessen.
Im Zweifel für den Angeklagten
„Ich denke nicht, dass der Sachverhalt erwiesen ist“, hielt die Verteidigerin dagegen. Ja, es seien Spuren vom Mandanten gefunden worden. Er habe eben auch zeitweise dort gearbeitet. Ebenso wie der Zeuge, der Vater des Autohändlers. Man müsse davon ausgehen, dass es durchaus weitere Mitarbeiter gegeben hat. „Er wollte wohl seinen Sohn schützen“, so ihre Vermutung. Im Zweifel für den Angeklagten – Freispruch.
So sah es auch der Richter. Er schob aber gleich hinterher: „Die Beweisaufnahme hat mit nicht überzeugt, dass Sie es nicht waren.“ Es wertete die beiden Indizien so: Zum einen sahen Ausweis und Krankenkarte schon bewusst „abgelegt“ aus. Zum anderen habe der zweite Zeuge nicht überzeugend dargelegt, dass der Angeklagte wirklich nicht auf dem Gelände gearbeitet hat. Und: „Es scheint, als ob der Zeuge mit dem Angeklagten besser bekannt ist, als er zugeben will.“
Dass es für dieses Auto an diesem Tag einen Interessenten gegeben habe, lasse es durchaus logisch erscheinen, dass der Angeklagte auch genau in diesem Auto gesessen hat, um es zu reinigen. „Wenn er denn tatsächlich geholfen hat“, so der Richter. Dies zum Thema DNA-Spur.
Der Freispruch erfolge „nicht wegen erwiesener Unschuld“, betonte der Richter noch einmal. Es bleibe letztlich nur eines: „Im Zweifel für den Angeklagten.“