„45 Jahre bin ich bei Hülsta, dann geht die Tür zu.“ Günter Willemsen ist seit 1979 im Unternehmen, hat dort seine Ausbildung zum Holzmechaniker gemacht. Gerne hätte er ein paar Jahre noch durchgezogen. Der 60-Jährige hat schon einen neuen Job gefunden. „Per Zufall, da bin ich sehr glücklich.“ Andere suchen auf der Job-Börse in der Stadthalle am Donnerstagnachmittag (16.5.) noch.
Für Günter Willemsen ist es als langjähriger Schwerbehindertenvertreter dennoch selbstverständlich, dass er sich auf der Job-Börse zeigt. „Das bin ich den Jungs schuldig. Dafür kennen wir uns zu gut, haben viel gemeinsam erlebt“, meint der Stadtlohner. Er denkt dabei vor allem an diejenigen, die er vertreten hat. Für alle hofft er, dass auch sie schnell wieder in Arbeit kommen.

Es sind gemischte Gefühle, die am Donnerstag gegen 14.45 Uhr mitschwingen. Gerade erst ist die Schicht zu Ende, da füllt sich das Foyer in der Stadthalle. Erwartet werden die rund 480 von der Insolvenz betroffenen Mitarbeiter von Hülsta und SLC von 67 Unternehmen, womöglich künftigen Arbeitskollegen.
Es konnten gar nicht alle Anfragen bedient werden. Mit einem Blick in die Halle spricht Berthold Dittmann schon von einem „vollen Erfolg“. Gemeinsam hatte die Stadt Stadtlohn mit der IG Metall, den Betriebsräten und der Agentur für Arbeit ein unbürokratisches und niederschwelliges Angebot gesucht. Und gefunden.
„Arbeitgeber werben um Arbeitnehmer. Das ist in schweren Zeiten eine Wertschätzung für die Mitarbeiter“, erklärt der Bürgermeister. „Die Menschen bekommen das Gefühl, die tun was für uns“, ergänzt Manfred Robert von der IG Metall.
Es gebe zwar keine Blaupause, aber: „Das wird nicht der letzte traurige Anlass bleiben, solche Veranstaltungen könnten Schule machen.“ Für viele sei es schon wichtig, „einfach mal ein gutes Gespräch zu führen“, meint Anja Weßling von der Agentur für Arbeit.

Ein Blick in die Halle verrät: Es präsentieren sich nicht nur Arbeitgeber aus Stadtlohn und der näheren Umgebung, es sind auch welche aus Lüdinghausen, Schermbeck oder gar Winterswijk zu sehen. Es kommen aber auch nicht alle Hülsta-Mitarbeiter aus Stadtlohn, weiß Tarik Daab von B&W Energy aus Heiden. Für ihn spiegele die Börse den Markt wider: „Wir müssen uns spannend machen.“ Es gehe letztlich nicht nur darum, Mitarbeiter zu gewinnen, sondern diese auch zu halten.
Man merkt schnell, dass unterschiedliche Berufsgruppen unterschiedlich stark nachgefragt werden. Schon von zwei sehr vielversprechenden Anbahnungen berichtet Günter Greve. Der Stadtlohner sucht für Wetralog aus Coesfeld unter anderem Kraftfahrer: „Es ist doch gut, dass so etwas gemacht wird“, sagt er.
Quasi von der anderen Straßenseite kann Ulrich Feldhaus von Teupe die Entwicklung bei Hülsta und SLC beobachten. Für das Familienunternehmen sei es wichtig, soziale Verantwortung zu zeigen. Deshalb präsentiere man sich. „Wir haben schon eine Mitarbeiterin, die mal zu SLC gewechselt war, zurückgewonnen“, berichtet er.
Ganz unbedarft geht Ralf Terbrack von Terbrack Maschinenbau aus Vreden an die Sache heran. „Hülsta ist im Grunde nicht unsere Branche, aber wer sich nicht bewegt, der bekommt auch keine Leute. Wir sind da ganz offen“, weiß er. Stichwort Quereinsteiger.
Nach einer Stunde sind die ersten Kontakte geknüpft, hier und da hört man auch weiter nachdenkliche Töne. Über das jüngste Vorgehen im Unternehmen. Auch die finanziellen Sorgen schwingen mit. Und vieles, was nun passiert sei, hätte es vor Jahren und Jahrzehnten nicht gegeben, meint Günter Willemsen.
„Das Leben muss aber weitergehen“, richtet Jörg Bönning den Blick nach vorne. Gemeinsam mit Josef Heermann aus Reken hat er sich auf den Weg durch die dicht besetzten Reihen gemacht. Der Stadtlohner weiß aber auch eines: „Mit Mitte 50 bist du in einem kritischen Alter.“

Und eben zwischen 50 und 58 liege das Alter der Hälfte der Belegschaft der betroffenen Hülsta-Mitarbeiter, berichtet Manfred Müller, der Betriebsratsvorsitzende. Im Schnitt sind es 51 Jahre. Er kennt die Stimmungslage, viele seien langjährig dabei. So wie er. „Es gab ja schon einige Sanierungsverfahren. Dass es nun zu Ende geht, war für viele ein Schock“, sagt Müller.
Noch kurzfristig habe man einen Anlauf in Richtung der Option Transfergesellschaft genommen – vergeblich. Mangels Masse. „Umso besser ist es, dass hier so viele Arbeitgeber Interesse zeigen.“ Jeder Fall müsse natürlich einzeln betrachtet werden. Sicher sei auch: „Alle schnell wieder in einen Job zu bringen, das wird sportlich.“
Der Betriebsratsvorsitzende von SLC, Hermann Lensker, nimmt eine ähnliche Stimmungslage wahr: „Der Niedergang der vergangenen Jahre hat bei vielen Spuren hinterlassen. Hier spüre ich eine erste kleine Aufbruchstimmung.“
Für diesen „hemdsärmeligen Schulterschluss“, so Berthold Dittmann, sei man dankbar, betont Lensker. Und Manfred Müller hat hier und da auch positive Beispiele erkannt: „Gerade hat jemand über die Agentur für Arbeit mit 58 noch einen CNC-Kurs gemacht – und einen neuen Job in Coesfeld gefunden.“
So wie Günter Willemsen. Den wohl dienstältesten Hülstaraner erreichen aber auch viele Anrufe von ehemaligen Kollegen: „Das sitzt bei vielen tief drin. Keine Frage.“ Wer so lange dabei gewesen sei, der habe auch „Tränen vergossen“. Auch das gehört zur Wahrheit an einem Nachmittag, der von sehr gemischten Gefühlen geprägt ist...
Angebote weiterhin möglich
- Wie Bürgermeister Berthold Dittmann noch einmal betonte, können Unternehmen, die auf der Job-Börse aufgrund des Anmeldestopps nicht zum Zuge gekommen sind, weiterhin Rückmeldungen zu aktuellen Stellenangeboten und den damit verbundenen Anforderungsprofilen an die Wirtschaftsförderung der Stadt Stadtlohn weiterleiten.
- Der Kontakt zwischen den Unternehmen und potenziellen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern werde über die Betriebsräte hergestellt.
Hinweis der Redaktion: Dieser Artikel erschien ursprünglich am 16. Mai 2024.